Am vergangenen spielfreien Wochenende stand Eintrachtkapitän Pirmin Schwegler den Redakteuren der Frankfurter Rundschau Rede und Antwort. Gern veröffentlichen wir für euch das geführte Interview.
Frankfurter Rundschau: Herr Schwegler, mal ehrlich, müssen Sie sich kneifen, wenn Sie auf die Tabelle schauen?
Pirmin Schwegler: Am besten ist es doch, gar nicht auf die Tabelle zu schauen. Nach zwei Spieltagen besitzt die nicht wirklich eine Aussagekraft. Aber klar, wir wehren uns nicht dagegen, Tabellenzweiter zu sein. Wir können die Punkte gut gebrauchen. Aber eine Bilanz können wir erst nach zehn oder zwölf Spieltagen ziehen.
Frankfurter Rundschau: Wir wollten gar keine Bilanz ziehen. Es hätte nach zwei Spieltagen allerdings auch ganz anders aussehen können. Gegen Bayer Leverkusen kann man zu Hause auch verlieren, und in Hoffenheim muss man nicht unbedingt davon ausgehen, 4:0 zu gewinnen.
Pirmin Schwegler: Keine Frage. Und doch, wir wären denselben Weg gegangen. Wir lassen uns davon nicht blenden.
Frankfurter Rundschau: Aber die neue Lockerheit in und um den Verein ist schon auffallend.
Pirmin Schwegler: Natürlich sind wir locker drauf und zufrieden. Aber trotzdem lassen wir kein Prozent nach.
Frankfurter Rundschau: Können Sie diesen guten Start erklären?
Pirmin Schwegler: Ich würde dasselbe sagen, hätten wir jetzt nur zwei Punkte: Die Mannschaft hat einen guten Charakter, die neuen Spieler haben sich schnell eingefunden. Man spürt den Hunger bei jedem Einzelnen, sich weiter zu entwickeln. Deswegen passierte nach dem kleinen Dämpfer im Pokal in Aue nichts Außergewöhnliches. Wir haben einfach so weitergemacht wie in der Vorbereitung. Wir wissen aber auch, dass wir jetzt nicht so eine Serie hinlegen, wie sie Dortmund schon mal gestartet hat. Aber dennoch wussten wir, dass wir in den Lage sein werden, Akzente zu setzen.
Frankfurter Rundschau: Weil die Mannschaft hungrig ist, wie Sie sagen, die neuen, zumeist aus der zweiten Liga kommenden Spieler den nächsten Schritt machen wollen.
Pirmin Schwegler: Wir haben uns schnell gefunden. Diese Mannschaft ist nicht auf kurzfristigen Erfolg ausgelegt und zusammengestellt worden.
Frankfurter Rundschau: Waren Sie als Kapitän involviert, als der Kader zusammengestellt wurde?
Pirmin Schwegler: Nicht direkt. Ich bin aber genau deshalb in Frankfurt geblieben, weil ich wusste, hier wird etwas zusammenwachsen. Die wichtigsten Spieler sind geblieben. Da war mir klar, dass der richtige Weg eingeschlagen worden ist.
Frankfurter Rundschau: Dennoch, es gab eine Zäsur. Elf Aufsteiger mussten gehen, zehn Neue kamen.
Pirmin Schwegler: Deshalb ist es auch so überraschend, dass es so schnell so gut harmoniert hat. Aber das hat mit dem Charakter jedes Einzelnen zu tun. Man sieht, jeder will sich entwickeln und seinen Beitrag zum Erfolg leisten.
Frankfurter Rundschau: Es gibt immer wieder Diskussionen um Führungsspieler in einer Mannschaft. Braucht die Eintracht auch mal einen, der dazwischenhaut, einen Quertreiber oder Drecksack?
Pirmin Schwegler: Wir brauchen keinen Drecksack. Und ich sehe auch keinen. Die Hierarchie muss deshalb aber nicht flach sein. Es braucht Spieler, die vorneweg gehen.
Frankfurter Rundschau: Neben Ihnen sind das…
Pirmin Schwegler: …Alex Meier, Oka Nikolov, aber auch die jungen Spieler, die jetzt mit Leistung vorneweg gehen. Dazu gehört aber auch der Trainerstab mit seinen Ideen. Man muss auch sehen, dass wir alle fit sind und eine Idee haben, wie wir spielen wollen. Wenn man gewinnt, lässt sich das natürlich einfacher verkaufen. Aber wir werden diesen Weg auch weiter verfolgen, sollte es mal einen Rückschlag geben.
Frankfurter Rundschau: Gab es bei Ihnen nie einem Moment des Zweifels? Die meisten Neuzugänge kamen aus der zweiten Liga oder bei Erstligisten nicht zum Zug.
Pirmin Schwegler: Wir wussten natürlich nicht genau, wo wir stehen. Deshalb hilft natürlich anfangs so ein Erfolgserlebnis wie gegen Leverkusen.
Frankfurter Rundschau: Die Fans hätten es Ihnen und der Mannschaft aber auch verziehen, wäre die Eintracht mit einer Niederlage in die Saison gestartet. Es ist die Art des Fußballs, die die Leute begeistert.
Pirmin Schwegler: Das spürt man auch als Spieler auf dem Platz. Die Fans haben gemerkt, dass da eine Mannschaft spielt, die sich zerreißt und alles ins Spiel reinpackt.
Frankfurter Rundschau: Wenn wir mal die vergangenen 18 Monate Revue passieren lassen, ist eine ganze Menge passiert: Im Winter 2011 glaubte man, die Europapokalplätze angreifen zu können, dann folgte der Abstieg. Nach dem direkten Wiederaufstieg ist die Eintracht nun wie Phoenix aus der Asche emporgestiegen.
Pirmin Schwegler: Da sieht man, wie schnell es gehen kann. In beide Richtungen. Ich denke, es war uns eine Lehre zu sehen, wie schnell man fallen kann, aber auch, wie schnell es wieder nach oben geht.
Frankfurter Rundschau: Macht einen das demütiger?
Pirmin Schwegler: Ich hätte das persönlich nicht gebraucht. Dennoch ist es ein Genuss, wieder in der Bundesliga zu sein. Es ist ein Stück emotionaler als in der zweiten Liga. Auch für die Fans. Das ist es, was sich alle wünschen.
Frankfurter Rundschau: Ein Jahr zweite Liga war ein sportlicher Rückschritt für die Eintracht, aber auch für Sie persönlich. Haben Sie in dieser Zeit an Wertschätzung verloren, vor allem in Ihrer Heimat? Sie wurden nicht für die WM-Qualifikationsspiele berufen.
Pirmin Schwegler: Kann ich schwer beurteilen. Ich bin diesen Weg bewusst gegangen. Es war meine Entscheidung. Schlussendlich interessiert mich die Wahrnehmung auch nicht.
Frankfurter Rundschau: Wurmt es Sie nicht, in diesen Tagen nicht für die Schweiz auflaufen zu dürfen?
Pirmin Schwegler: Die Mannschaft darf sich ruhig für die WM qualifizieren. Mir reicht es, wenn ich dann die Endrunde 2014 in Brasilien spiele. Das ist mein Plan (lacht).
Frankfurter Rundschau: Gibt es Kontakt zum Nationaltrainer?
Pirmin Schwegler: Ab und zu mal. Nach einem Tor kriege ich schon mal eine SMS.
Frankfurter Rundschau: Das heißt, es hat vergangenen Samstag geklingelt.
Pirmin Schwegler: Ja.
Frankfurter Rundschau: Was hat Ottmar Hitzfeld geschrieben?
Pirmin Schwegler: Es war doch nur eine SMS. Mehr sage ich nicht.
Frankfurter Rundschau: Dann reden wir über Ihre Position bei der Eintracht. Macht es Ihnen mehr Spaß, weiter vorne im Mittelfeld zu spielen?
Pirmin Schwegler: Das ist jetzt ein ganz anderes Spiel.
Frankfurter Rundschau: Leichter oder schwerer?
Pirmin Schwegler: Schöner und reizvoller. In der Bundesliga kannst du dich mit den Besten messen. Ich will nicht sagen, dass mich die zweite Liga nicht gereizt hätte. Im Gegenteil, die Herausforderung habe ich angenommen. Aber die erste Liga ist halt was Besonderes.
Frankfurter Rundschau: Gab es in der zweiten Liga mehr auf die Knochen?
Pirmin Schwegler: Es nimmt sich nicht viel. In der zweiten Liga wird etwas mehr körperlich gespielt, der Fußball ist ein anderer, und auch unsere Ausgangslage war eine andere.
Frankfurter Rundschau: Die Eintracht war der FC Bayern der zweiten Liga, alle haben sich auf Sie gefreut.
Pirmin Schwegler: Heute freut sich keiner mehr auf uns, weil wir alle schlagen (lacht).
Frankfurter Rundschau: Vielleicht wurde die Eintracht zum Auftakt auch ein bisschen unterschätzt.
Pirmin Schwegler: Kann gut sein. Aber das ist mir egal.
Frankfurter Rundschau: Sie kamen von Bayer Leverkusen zur Eintracht. Das ist schon eine ganze Weile her. Ist es noch was Besonderes für Sie, gegen Ihren alten Klub zu spielen?
Pirmin Schwegler: Das spielt keine Rolle mehr. Fast in jedem Spiel kenne ich zwei, drei Spieler persönlich. Aber trotzdem hatte ich in Leverkusen eine gute Zeit.
Frankfurter Rundschau: Ehemalige Leverkusener scheinen in Frankfurt besonders gut zurechtzukommen. Bastian Oczipka spielt auch stark.
Pirmin Schwegler: Ich weiß auch, dass sich in Leverkusen der eine oder andere selbst gebissen hat, mich gehen zu lassen. Jupp Heynckes wollte mich damals behalten. Er hat die ganze Zeit auf eine Rückholklausel gepocht. Vielleicht hatte er im Nachhinein am meisten recht gehabt.
Frankfurter Rundschau: Nächsten Sonntag geht’s gegen den Hamburger SV, oder besser gesagt gegen Rafael van der Vaart.
Pirmin Schwegler: Ja, so kommt es mir mittlerweile auch vor: Eintracht gegen van der Vaart. Das ist ein absoluter Weltklassespieler. Am Ende wird er vier, fünf Plätze ausmachen. Ich hoffe aber, dass das noch nicht so früh fruchtet. Ich schaue nicht auf die Tabelle, wenn man die beiden Klubs vergleicht, ist der HSV im Vorteil. Aber das war in unseren ersten beiden Spiel nicht anders. Leverkusen und Hoffenheim waren favorisiert, aber wir haben gewonnen. Es zählt nur die Leistung. Wenn wir die wieder abrufen, werden wir gegen den HSV konkurrenzfähig sein und wieder ein schönes Spiel erleben.
Frankfurter Rundschau: Und wo landet die Eintracht am Ende?
Pirmin Schwegler: Ihr Journalisten wollt die Floskel nie hören, aber wir denken wirklich nur von Spiel zu Spiel. Damit sind wir bis jetzt auch gut gefahren. Warum sollten wir das jetzt ändern?
Frankfurter Rundschau: Was haben Sie gedacht, als Sie nach dem Sieg in Hoffenheim die humoristische Einlassung ihres Trainers Armin Veh hörten, jetzt auch deutscher Meister werden zu wollen?
Pirmin Schwegler: Ich habe nach dem Spiel davon gesprochen, nun die Champions League-Plätze angreifen zu wollen (lacht). Wir wissen das Ganze schon richtig einzuschätzen. Es sind gerade einmal zwei Spiele gespielt. Die waren beide gut. Aber wir sehen das mehr als Ansporn für die nächsten Wochen. Wir lassen uns jetzt nicht verrückt machen, sondern versuchen, weiter unser Spiel durchzubringen.
Das Gespräch führten Jörg Hanau und Thomas Kilchenstein.
12 Kommentare
Ein Drecksack ist immer gut, der schießt auch Tore und kann die Mannschaft motivieren.
Brave Klosterschüler kommen schneller an ihre Grenzen und haben oft keine Führungsqualitäten.
Typen wie damals Effenberg zum Beispiel, absolute Leitwölfe, die gerade wenn es darauf ankommt die ganze Mannschaft mitziehen können.
Eventuell hätten wir so einen Typen gut gebrauchen können, gerade in der Rückrunde 2010 in welcher wir abgestiegen sind !!
Da war die Mannschaft wie blutleer und keiner weiß bis heute wie wie und warum das passieren konnte, besonders nach der Top-Hinrunde ??
Aber wenn es auch ohne "Drecksack" bei uns läuft, dann ist das auch okay....so lange wir Erfolg haben und nicht absteigen.
Auch wenn er leider dank Herrn Mlappa längere Zeit verletzt fehlte, aber einen größeren Drecksack als Maik Franz kann eine Mannschaft eigentlich nicht haben (konnte man eindrucksvoll letzten Montag in der Schlußphase beim glücklichen Sieg der Hertha gegen Union sehen).
PS: ein Spieler, der Tore schießt und die Mannschaft motviert und KEIN Drecksack ist, ist auch gut (partiell Alex Meier) ;-)
pirmin verkörpert die richtige Einstellung , bin sehr froh das wir ihn haben und das er unsere Mannschaft durch sein denken und handeln bereichert!
Wenn alles läuft braucht man auch kein "Drecksack"- aber was soll negativ sein-wenn man jemand hat-der die Mannschaft noch anstacheln kann und auf dem Platz motivieren kann vor allem wenn man zurück liegt. Schaden würde das niemandem-sorry aber Schwegler ist mir da manchmal einfach zu ruhig....
Sehe aber auch keinen momentan der so etwas übernehmen könnte.... dazu braucht man auch die dementsprechenden Typen- vielleicht am ehesten noch Aigner bei uns....
@Taunus Adler
1. Wir brauchenkeinen Drecksack. Wir brauchen junge und hungrige Spieler mit spielerischen Potential - und die scheinen wir nun zu haben. Gegen wir Ihnen auch die Zeit, sich zu entwickeln, d.h. besonders viel Gedult bei Rückschlägen. Ein Mike Franz hat uns durch seine Verhaltensweise letztendlich geschadet. Auch wenn er manchmal zu Unrecht bestraft wurde.
2. Der Abstieg war 2011!
3. Die Gründe für den Absteig hatten wir hier alle ausgiebigst diskutiert und analysiert. Außerdem war die Hinrunde gar nicht so Top. Wir hatten das Glück, dass Gekas getroffen hat. Aber schon in den letzten Spielen der Hinrunde war die Luft draußen und die gegnerisachen Mannschaften hatten sich auf unsere Spielweise eingestellt.
@Schwegler
Sehr sympatisch und bodenständig rübergekommen. Hoffe, das Interview nach dieser Saison ist genauso erfreulich und wir hatten alle bis dahin viel Spaß an unserer Eintracht.
Wer sollen denn die elf "Aufsteiger" sein, die wir abgegeben haben? Ich komme mit Schildenfeld, Idrissou, Lehmann, Kessler und Tzavellas auf fünf. Daneben haben noch Korkmaz, Schmidt, Bellaid und Titsch-Rivero den Verein verlassen, die aber mit dem Aufstieg nicht viel am Hut hatten. Aber auch so sind das nur neun.
Oleg du hast den guten alten Caio vergessen!
Und auch R. Clark und zack hast du elf "Aufsteiger"
Ah, stimmt, wie konnte ich nur... Danke.
und Abu ;-)
Ich mach gern de Dreggsagg...wenn mer dann deutscher Meister wern 2013 ;-)
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