Grabowski auf einer Veranstaltung des Museums im September 2014 (Foto: Heiko Rhode)

Die Geschichte ist schon ziemlich lange her, aber manche vergisst man eben nicht, egal, wie alt man wird.

Ich war so um die 14 Jahre alt und wollte lange Haare haben, weil ich auf die Beatles stand. Und außerdem sicher war, dass ich damit voll cool aussehen, und die Mädchen in meiner Schule mich bestimmt toll finden würden. Natürlich konnte ich das meinen Eltern so nicht erklären, also hatte ich ihnen nur gesagt, dass ich mir die Haare wachsen lassen will.

„Auf gar keinen Fall!“ hatte mein Vater damals losgepoltert. „Ich lass doch net zu, dass Du rumläufst wie en Gammler! Oder wie de Keith Richard mit seinem Drogen-Kopp!“ „Okay“, hatte ich geantwortet, „und was ist, wenn ich die Haare so trage wie Jürgen Grabowski?“ Woraufhin er kurz überlegte, um dann zu antworten: „Des geht!“

Wenn ich heute an diesen Moment zurückdenke, komme ich automatisch zu den Helden meiner Jugend. So sehr viele waren es gar nicht. Was auch mit der Übersichtlichkeit meiner Interessensgebiete zu tun hatte: Musik und Fußball. Was den ersten Bereich anging, waren da die Beatles wegen ihrer unendlich vielen großartigen Songs, der norwegische Saxophonist Jan Gabarek, dessen Sound ich für unerreichbar hielt, und Udo Lindenberg, der uns bewies, dass geile Musik auch mit deutschen Texten funktioniert.

Was den zweiten Bereich anging… Jürgen Grabowski!

Als ich ihn das erste Mal hab spielen sehen, hatte das fast schon sowas wie eine sinnesbetäubende Wirkung auf mich! Eigentlich war ich damals wegen dem FC Köln und Wolfgang Overath zu meinem allerersten Bundesligaspiel ins Waldstadion gekommen, die Eintracht als Gegner hatte mich dabei nicht wirklich interessiert. Aber dann zog an diesem Tag plötzlich ein ganz anderer Spieler meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Und das auch noch dummerweise im Trikot von Eintracht Frankfurt. Der nicht nur früh ein Tor schoss, sondern mich mit seiner Technik, seiner Leichtigkeit und seinen zelebrierten Flanken regelrecht hypnotisierte: Jürgen Grabowski!

Was alles veränderte! Unmittelbar nach Spielschluss kündigte ich mein innerliches Fan-Abo beim FC, und verschrieb meine Fußball-Seele der Eintracht. Ein Kontrakt, der bis heute eisern Bestand hat!

In den 90ern habe ich bei Auftritten mit den Rodgau Monotones oder Badesalz eine ganze Reihe von Eintracht-Spielern kennengelernt. Aber den für mich größten aller Eintracht-Kicker hatte ich bis dato nie getroffen. Bis ich eines Tages zu einer Fußball-Sendung des Hessischen Rundfunks eingeladen wurde, in der auch Jürgen Grabowski Gast war. Der zuständige Redakteur wusste um meine Bewunderung für ihn, und hatte den Zeitplan so organisiert, dass wir uns über den Weg laufen mussten. Ich weiß noch, wie ich den Raum betrat, und ihn entdeckte, und wie aufgeregt ich war. Zum Glück wusste er auch, wer ich war, was es etwas einfacher machte. Wir gingen aufeinander zu, schüttelten ziemlich lang die Hände, und fingen sofort an, über Fußball zu reden. Am Ende hatte er meine Telefonnummer, und ich seine!

Jürgen Grabowski, Uwe Bindewald und Henni Nachtsheim

Ein paar Monate später veröffentlichte ich mein zweites musikalisches Soloalbum, auf dem auch der Eintracht-Song „Herz rotschwarz gestreift“ war. Da es zusammen mit dem Hessischen Rundfunk ein großes Release-Kontert im HR-Sendesaal geben sollte, kam ich auf die Idee, speziell zu diesem Song ein paar Eintracht-Spieler zum Mitsingen auf die Bühne zu holen. Uwe Bindewald und Alexander Schur sagten tatsächlich sofort zu. Dann rief ich Grabi an. „Henni, hör uff!“, sagte er mir in freundlichem Ton „Was soll denn so alter Sack wie ich auf ner Bühne bei einer Rockband? Nee, das ist doch peinlich!“

Ich weiß nicht, wie viele Telefonate ich insgesamt gebraucht habe, aber am Ende habe ich ihn doch noch überredet!

Als ich ihn dann beim Konzert angekündigt habe, haben sich alle Leute im Saal spontan von ihren Plätzen erhoben, und minutenlang applaudiert!

Das Glücksgefühl, das ich in dem Moment gehabt habe, lässt sich nur schwer beschreiben! Ich zusammen mit meinem Fußball-Idol auf der Bühne! Allein schon dafür werde ich ihm ewig dankbar sein!

Um es etwas abzukürzen: von diesem Tag an hatten wir immer wieder Kontakt. Mal häufiger, mal etwas weniger. Abgerissen ist er aber nie. Seine Frau Helga und er kamen zu Badesalz, oder auch zu Soloauftritten von mir, und es war mir immer eine Ehre, wenn ich wusste, dass sie im Publikum sitzen.

Henni Nachtsheim und Michael Apitz mit Jürgen Grabowski in der Fasanerie (Foto: EFC Kurstadtadler Wiesbaden)

Tja, und dann kam im Sommer 2019 auch noch der Eintracht-Fanclub „Kurstadt-Adler“ auf die Idee, dass Jürgen Grabowski, der Zeichner (und mein guter Freund) Michael Apitz und ich Paten für einen Adler in der Fasanerie Wiesbaden werden sollten. Was wir natürlich gemacht haben! Der Vogel heißt seitdem übrigens Jürgen Henni von Apitz!

Als Grabi und ich nach dem Pressetermin in der Fasanerie gemeinsam zu unseren Autos liefen, habe ich ihm gesagt, wie sehr ich ihn damals bewundert habe, und was es mir bedeutet, dass ich ihn persönlich kenne! Was er nur mit einem leisen „Schön Henni!“ quittiert hat.

Natürlich ist ein bisschen schwierig, einen Menschen zu beurteilen, zu dem man zwar einen guten, freundschaftlichen Kontakt hatte, den man aber nicht dauernd getroffen oder gesprochen hat. Dementsprechend maße ich mir das auch gar nicht an. Aber so viel darf ich trotzdem über Jürgen Grabowski sagen: er war ein freundlicher Mensch, ohne dabei zu freundlich zu sein. Wenn er was blöd oder falsch fand, hat er das nicht für sich behalten, sondern es ausgesprochen. Und dazu gestanden!

Weswegen ich immer das Gefühl hatte, genau zu wissen, woran ich bei ihm bin!

Als ich vom Tod Jürgen Grabowskis erfahren habe, konnte ich das erstmal gar nicht glauben. Noch vor ein paar Wochen haben wir lange telefoniert, und wirklich über Gott und die Welt gesprochen!

Und auch wenn ich wusste, dass er gesundheitliche Probleme hatte, hätte ich nie damit gerechnet, dass sie ihn letztlich doch so schnell das Leben kosten.

Wahrscheinlich schreibe ich das hier alles auch, um irgendwie zu verarbeiten, dass das jetzt so ist. Ich schreibe es aber auch, weil ich wahnsinnig dankbar dafür bin, dass ich einen meiner wenigen großen Helden tatsächlich habe kennenlernen dürfen! Und dass er noch viel netter war, als ich das gehofft hatte!

Da es ja bekanntermaßen einen Fußball-Gott gibt (der offensichtlich großer Bayern München Fan ist) gibt es dementsprechend auch einen Fußball-Himmel, und ich bin sicher, dass er genau dort ist. Zusammen mit all den anderen Fußball-Verrückten, für die dieser Sport zu den wichtigsten Dingen gehörte. Und ich stell mir vor, wie er sie alle reihenweise umdribbelt, um dann diese unfassbar gefühlvollen Flanken zu schlagen… die sein Kumpel Bernd Nickel direkt volley in den Winkel brettert! Genau so wird’s sein.

Henni Nachtsheim


Am heutigen 19. März 2022 findet um 12 Uhr im Deutsche Bank Park eine öffentliche Trauerfeier statt, zu der Eintracht Frankfurt im Namen der Familie, des Präsidiums und des Vorstands einlädt. Die gemeinsame Gedenkstunde ist öffentlich und richtet sich an alle Fans.

Das Stadiongelände wird ab 11 Uhr zugänglich sein. Die Parkplätze rund ums Stadion werden geöffnet sein. Es wird Getränke im freien Verkauf geben.

Gemäß der Hessischen Corona-Schutzverordnung können nur Besucher mit 2G-Plus-Nachweis an der Veranstaltung teilnehmen. Der Nachweis ist am Einlass vorzuzeigen. Zudem besteht auf dem gesamten Stadiongelände, im Inneren des Adler Business Club sowie auf dem Außenplatz die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske oder FFP2-Maske.

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8 Kommentare

  1. Mach mich gerade fertig um ins W A L D S T A D I O N zu fahren.
    Mission Tschüss G R A B I

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  2. Henni, herzlichen Dank für deine Erlebnisse mit und über Grabi !

    Und jetzt ab ins Waldstadion !

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  3. Danke Henni für die schönen Worte.
    Ich träume und drücke die Daume , dass wir für Grabi den Euroleague Titel holen.

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  4. Danke Henni, für diese persönlichen Einblicke in Deiner Beziehung zu unserem Jürgen. Viele von uns haben ihn kennenlernen dürfen. Manche flüchtig, manche intensiver. Jeder bezeugt aber, dass Jürgen ein außergewöhnlicher Mensch war. In jeder Beziehung. Ich habe ihm oft nach dem Spiel am Ausgang „aufgelauert“, mit meiner kleinen selbstgebastelten Eintracht-Fahne, meinem Trikot mit der Nummer 10 und meinen leuchtenden Augen. Ich war 14. Und Jürgen hatte immer die Zeit kurz stehen zu bleiben, uns zu begrüssen, sich zu bedanken für unseren Support, auch mal eine Autogrammkarte zu unterschreiben, um dann in seinem grünen Mercedes SEC zu entschwinden. Dieser SEC wurde vor ein paar Monaten bei mobile.de angeboten – als Auto mit Promi-Vorbesitz! Als ich das Auto sah, rief ich sofort an, um es zu kaufen. Was wäre das für ein Hammer gewesen. Aber es war schon weg. Irgendein Eintracht Fan wird heute sein Glück kaum fassen können. Jürgen´s Tod reisst eine Lücke in meinem Leben. Eine Lücke aus einer Zeit, wo alles in Ordnung war. Wo ich jung und unbeschwert war. Wo jeder Samstag im Waldstadion einen Höhepunkt in meinem Leben darstellte. Jürgen – Du wirst uns Adler für immer fehlen. Danke für die wunderbare Zeit mit Dir. Wir können uns glücklich schätzen, Dich kennengelernt zu haben, Dich live auf dem Spielfeld gesehen zu haben. Gute letzte Reise, Kapitän!

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  5. Er war ein SGE Mann.
    Für ihn gab es nur die Eintracht.

    Danke.

    Wie wir. Wir lieben diesen Verein .
    Seine Frau und Familie sagen sagen wir Danke.

    Weil seine Frau war immer da für die SGE. Sie hat alles erlebt.
    Ein Mann ist nur so stark wie seine Frau . Danke auch an DICH.

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  6. Mal einfach so warum sind die ersten immer ganz hinten bei euch. Die letzten Kommentare sind immer ganz hinten. Würde mich freuen die letzten sind vorne. Viel interessanter..

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  7. ich war ja gestern im Waldstadion.Wetter wenn auch sehr schattig im Schatten. Die Haupttribüne lag ja im Sonnenschein. Wolfgang Overath fand sehr passende Worte (mit Seitenhieb auf den DfB)
    Wurde auch der Clip von Grabí´s Karriere aus eingespielt. Da wurde mir bewusst das ich gestern auf der gleichen Höhe wie damals gesessen habe .
    PS: Waren fast nur Leute anwesend die Grabi LIVE erlebt hatten.
    Mal 2 oder 3 Mann Abordnungen von den Fanclubs aus der Region wäre schon gewesen.

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