Der "Fußballgott" schwebt zwar häufig über allen anderen...
Der „Fußballgott“ schwebt zwar häufig über allen anderen…

Seit zwei Wochen schallt und hallt es wieder durch das weite Rund im Waldstadion. Wenn Alex Meier aufläuft, die gegnerischen Verteidiger narrt und seine Treffer erzielt wird es wieder laut und es ertönt aus mehr als 45.000 enthusiastischen Kehlen das Wörtchen „Fußballgott“! Es ist eine Anerkennung für die vielen tollen Leistungen, die der inzwischen 32jährige in seiner langen Zeit bei der Frankfurter Eintracht vollbracht hat. Doch den Theologen – zu denen auch ich gehöre – fällt es dann doch ab und an schwer, diesen Begriff in den Mund zu nehmen. Auch Stadion-Pfarrer Eugen Eckert kann damit wenig anfangen, wie er im Interview mit der FAZ klarstellt: „Es gibt keinen Fußball-Gott – nicht mal Alex Meier!“

Wer oder was ist eigentlich dieser „Fußballgott“ – und warum findet er im Sprachgebrauch so vieler Menschen in unserer säkularen Gesellschaft Verwendung? Weshalb klammern sich Menschen auf einmal an eine Instanz, die sie doch in ihrem normalen Leben ablehnen oder die sie gar nicht interessiert? Es ist doch immer wieder überraschend, wie oft man zusammengefaltete, betende Hände sieht, wenn der eigene Verein kurz vor einem Abstieg oder – noch viel schöner – vor einem Gewinn der Meisterschaft steht. Zunächst einmal muss festgestellt werden, dass es bei der Betitelung „Fußballgott“ zwei Instanzen gibt.

1.) Die personenbezogene Verwendung bezieht sich zum größten Teil auf Spieler, kann aber natürlich auch auf andere Personen, die etwas mit dem Verein zu tun haben, gerichtet werden. Dies sind Akteure, die den, wie es Ansgar Kreutzer in seinem Werk „Arbeit und Muße“ beschreibt, „Göttern gleich Fußball spielen.“ Ja, man muss schon sagen, dass es bei Meier phasenweise schon überirdisch wirkt, wenn er den Ball doch wieder einnetzt, obwohl man dachte, ihn aus dem Spiel genommen zu haben. Wobei man gegen den Hamburger SV und den FC Schalke 04 auch einmal sehen konnte, dass auch dem Frankfurter „Fußballgott“ nicht immer alles gelingt, was er anpackt. „Alex Meier würde für sich nie den Anspruch formulieren, Gott zu sein. Ich sehe fast täglich, wie hart er auch nach den Trainings noch arbeitet, um das dann zeigen zu können, was wir samstags sehen. Er ist ein begnadeter Fußballer. Aber er erarbeitet sich auch vieles„, sagt Pfarrer Eckert dazu ganz lapidar.

2.) Die zweite Ebene verlässt den personenbezogenen Status und wird meist in Ohnmachtssituationen oder ironisch verwendet. Hier ist, so beschreibt es Christian Schütte in seinem BuchMatchwinner und Pechvögel der „Fußballgott eine höhere Fußballinstanz auf metaphysischer Ebene […], die insbesondere für ausgleichende Gerechtigkeit sorgt.“ Jeder erinnert sich an den Mai 2001, als der „4-Minuten-Meister“ FC Schalke 04 doch noch aus allen Wolken fiel, weil der Münchener Verteidiger Patrick Andersson in letzter Sekunde zum 1:1 traf. Die Folge: Der deutsche Rekordmeister hatte (mal wieder) die Schale in der Hand, während die Königsblauen das Mitgefühl und die Tränen auf ihrer Seite hatten – und bis heute weiterhin auf ihre erste Schale seit 1958 warten müssen. „Ich glaube nicht an den Fußball-Gott, denn er ist ungerecht„, sagte damals Rudi Assauer emotional aufgelöst. Beschwört wurde er trotzdem bis zur letzten Sekunde. Weshalb klammern sich Fans und öfter auch Verantwortlich an diesem Strohhalm?

...aber nicht jeder Schuss führt auch automatisch zum Treffer.
…aber nicht jeder Schuss führt auch automatisch zum Treffer.

Aus der Bibel wissen wir: Gott befreite aus der Sklaverei! Also hat man wohl die Hoffnung, dass er auch aus der Leidenszeit herausführen könnte. Eine Niederlage bedeutet viel Schmerz für einen Fan – was er bei einem Abstieg fühlt, muss man hier wohl nicht wiedergeben. Doch der Begriff Gott ist mit Wundern verbunden – Menschen, die blind waren, konnten sehen. Kranke wurden geheilt – warum also kann nicht auch der „Patient“ eigene Mannschaft vom „Fußballgott“ erfolgreich behandelt werden? Nein, der „Fußballgott“ – sei es in Person von Meier oder einer übergeordneten Instanz – wird es – wie auch der christliche Gott – nicht jedem klar machen können.

Und doch sind im Fußball – auch wenn es jetzt Widersprüche geben könnte – religiöse Momente vorhanden. Die Verehrung der „Götter“, die Glorifizierung des „heiligen Rasens“, die Masse, die zusammen singt und einem Ziel nacheifert. Wie viel Kirche steckt denn nun wirklich im Fußballspiel, Pfarrer Eckert? „Enorm viel. Es gibt eine Liturgie des Fußballspiels. Die fängt mit den Responsorien im Stadion an. In der Kirche haben wir den Pfarrer, der etwas sagt, auf das die Gemeinde antwortet. Bei Psalmen zum Beispiel. Im Stadion nimmt der Stadionsprecher die Rolle des Pfarrers ein. Er liest bei der Aufstellung den Vornamen vor und die Gemeinde antwortet mit dem Nachnamen. Beim Einlaufen der Spieler sind Kinder dabei, ähnlich wie den Messdienern in katholischen Gottesdiensten. Es gibt Fangesänge. Sie können im Stadion Kantoren finden, die Lieder anstimmen und ihren Chor leiten oder dirigieren. Und die Melodien der Gesänge stammen oft aus christlichen Liedern.“ Kantor Martin Stein und sein Eintrachtchor? – Einen gewissen Charme hat diese Ansicht durchaus.

Gibt es nun also den einen „Fußballgott“? Und ist es legitim, dass die Fangemeinde Alex Meier diesen Titel zugesprochen hat und ihn auch häufig – gar als Synonym – verwendet? Sogar Bilder mit Meier in Gottesgewändern, über dem Himmel schwebend, im „world wide web“ umherschicken? „Der Begriff „Gott“ ist das höchste, was wir in unserer Sprache haben. Es gibt nichts Höheres als Gott“, erklärt Eckert. Anselm von Canterbury, ein Theologe des Mittelalters, stützte seinen Gottesbeweis darauf, dass „Gott das sei, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann.“ Und so geht es aktuell den Fans der Frankfurter Eintracht. Ihre Nummer 14, die nun schon seit 11 Jahren das Trikot mit dem Adler auf der Brust trägt, ist derzeit alles das, was man sich selbst wohl zu sein wünscht: Publikumsliebling, Torschützenkönig, Topverdiener und trotzdem bescheiden, demütig und dazu noch über die Grenzen hinaus anerkannt. Und auch wenn sich bei mir manchmal die Nackenhaare sträuben und ich gegen die Regeln meiner Religion handele – werde ich wohl auch morgen, wenn unser #AM14FG wieder einmal einnetzt, laut mitgröhlen, wenn es dann heißt: „Tooooooor für unsere Eintracht!! Und es war – wie gewohnt – mit der Nummer 14!! Alex – Meier „Fußballgott“!

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14 Kommentare

  1. Ich möchte dem wunderbaren Beitrag des geschätzten Kollegen keine weitere theologische, aber eine eintrachthistorische Fußnote hinzufügen: Und zwar wurde die Bezeichnung „Fußballgott“ lange Zeit eher ironisch verwandt, und zwar für Spieler, die nicht unbedingt als ballfertig bezeichnet werden konnten. Der erste „Fußballgott“, an den ich mich erinnern kann, war Thomas Zampach, dessen Kampfgeist stets beeindruckend, dessen technische Fähigkeiten aber allenfalls limitiert waren. Sein Nachfolger als „Fußballgott“ war – wenn ich mich recht erinnere – Uwe Bindewald – auch ein Meister der Ballbehandlung.

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  2. du erinnerst dich nicht richtig, Uwe Bindewald hat schon Anfang der 90er bei uns gespielt, Thomas Zampach erst nach dem Abstieg, als Fußballgott wurde Uwe nicht bezeichnet bzw es wurde auch nicht im Stadion gerufen, eine Legende ist er trotzdem

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  3. Wenn wir wirklich „oben“ mitspielen möchte ist ein Sieg ,aufgrund der Ergebnisse am WE, Pflicht !

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  4. Alpi, wieder vollste Zustimmung! Diesen Sonntag muss die Mannschaft den Berlinern auf den Füßen stehen, absolutes Pflichtprogramm und vor allem Abgewichst vor dem Tor sein. Tippe ja drauf das die Berliner hinten dicht machen damit wir uns totspielen, hoffe das unsere Jungs sich net verarschen lassen, und sich und uns mit einem 3er belohnen.

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  5. @1,2
    Mal zur Aufklärung.Uwe Bindewalds Spitzename war Zico, gemünzt auf seine ,,Technik“.

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  6. Mainz Bremen HSV Köln hätten normalerweise 3 Punkte weniger .
    .wegen Gladbach
    .
    Köln Frankfurt HSV Hertha hätten normalerweise 2 Punkte weniger wegen Stuttgart
    .
    Hertha 8 Punkte
    Köln 6 Punkte
    Frankfurt 6 Punkte
    Mainz 6 Punkte
    HSV 5 Punkte
    .

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  7. Jedenfalls sollte man nicht verlieren gegen die Hertha.
    .
    Es ist schon ein 6 Punkte Spiel.
    .
    Sehe Berlin als direkten Konkurrenten an.
    .

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  8. Schöner Artikel Christopher mal über den Tellerrand geschaut. Ich denke jedoch der Bezug zur Christlichen Religion ist eher nicht zu sehen sondern zur grieschischen Helden und Götter Mythologie.

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  9. Oje, meistens wenn die Eintracht lt. Fans gewinnen MUSS klappt’s nicht…..vor allem zu Hause.
    Habe deswegen ein ganz mieses Gefühl. Alle haben sich über die unnötige Niederlage in Schalke geärgert und erwarten heute eine Trotzreaktion, um diese miese Wut loszuwerden. Wird sauschwer heute, die Abwehr sollte erstmal aufpassen, dann geduldig sein….vielleicht gelingt heute Meier oder der Kastanie etwas. Aigner hat heute die Chance was zu beweisen. Da erwarte ich wirklich 120%. Auf geht’s Eintracht!!!

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