“Man sollte die Erwartungen niedrig halten, er muss ja erst mal die Bundesliga kennenlernen. Wir wollen ihn entwickeln, ihn auf Strecke aufbauen. Es wäre toll, wenn er uns gleich helfen könnte. Aber das muss nicht sein. Man muss Geduld haben. Man sollte nicht den hohen Aufwand gleich in Leistung umsetzen wollen”, kommentierte Bruno Hübner im Spätsommer 2013 einen Transfer, der sich wie ein zäher Kaugummi über mehrere Monate gezogen hatte. Die Eintracht hatte mit Vaclav Kadlec endlich ihren Wunschstürmer verpflichtet. 3,2 Millionen ließ sich die SGE das tschechische Sturmtalent von Sparta Prag kosten und stattete ihn mit einem Vierjahresvertrag aus. Die Hoffnung des Vereins: Der 21-Jährige soll der in Tor, Abwehr und Mittelfeld gut aufgestellten Eintracht nun auch endlich Qualität im Sturm verpassen.
Und Kadlec startet dann auch – in der Manier seines Landsmanns und Vorgängers Martin Fenin – furios. Zwar gelang dem Hoffnungsträger kein Dreierpack im ersten Spiel, doch auch Kadlec brauchte nicht lange für seine ersten drei Bundesligatreffer. Schon im Heimspiel gegen Borussia Dortmund (1:2) traf der Neuzugang zum zwischenzeitlichen Ausgleich. Ein erstes dickes Ausrufezeichen setzte der 21-Jährige dann einen Spieltag später in Bremen.
Die Eintracht war nach drei Pleiten in vier Spielen zum Siegen verdammt und wollte sich an der Weser den nötigen Rückenwind holen, um kurz darauf die Englischen Wochen im Europapokal mit einer guten Grundstimmung einläuten zu können. Das Ziel wurde erreicht. Auf beeindruckende Art und Weise und dank Kadlec.
Die Elf von Armin Veh trat vor knapp 40 000 Zuschauern im Weserstadion wie eine Heimmannschaft auf und dominierte die Gastgeber speziell in der Anfangsphase nach Belieben. Verantwortlich dafür war neben Kadlec mit Tranquillo Barnetta ein weiterer Neuzugang, der an diesem Tag sein Debüt gab. Schon in der 14. Minute belohnten sich die Frankfurter und gingen in Führung. Bastian Oczipka und Takashi Inui spielten sich auf links durch, der Ball landete bei Kadlec, der aus kurzer Distanz nur noch einschieben musste – 1:0.
Auf Bremer Seite gab mit Franco Di Santo ebenfalls ein vielversprechendes Sturmtalent sein Debüt. Im Gegensatz zu Kadlec gelang ihm aber nur ein Pfostentreffer (23.). Nur drei Minuten später kam es für Di Santo noch schlimmer. Er erwischte Oczipka mit einem gestreckten Bein im Gesicht und flog mit Rot vom Platz. Debüt missglückt! Der Eintracht spielte die Überzahl natürlich in die Karten. Gut zehn Minuten vor der Pause war Kadlec nach einer Flanke von Sebastian Jung erneut zur Stelle und köpfte wuchtig zum 2:0 ein (34.). Sein drittes Tor im dritten Spiel!
Im zweiten Durchgang nahmen die Gäste im Angesicht der kommenden Mehrfachbelastung dann spürbar das Tempo aus ihrem Spiel. Werder, damals trainiert von Robin Dutt, versuchte sich zu wehren, scheiterte aber mit seiner besten Chance vom Elfmeterpunkt. Kevin Trapp parierte gegen Aaron Hunt (58.). In der Schlussphase zogen die Hessen dann noch einmal kurz an und erzwangen ein Eigentor von Sebastian Prödl zum 3:0-Endstand (77.). Die Frankfurter zogen mit diesem Erfolg mit Werder gleich und kletterten auf Platz 13 der Tabelle.
Die Euphorie um den scheinbaren Top-Transfer Kadlec versuchte Trainer Veh im Anschluss sofort zu bremsen – zurecht, wie sich später herausstellen sollte. “Er ist ein außergewöhnliches Talent, aber noch kein außergewöhnlicher Spieler. Er hat noch viel zu lernen und muss den Ball besser fest machen”, so Veh. In den folgenden Wochen und Monaten baute Kadlec kontinuierlich ab und wurde 2015 zurück an seinen Heimatverein verliehen. Im Januar 2016 endete das Missverständnis endgültig. Die Eintracht transferierte Kadlec mit einer Bilanz von sechs Toren aus 30 Spielen zum FC Midtjylland.
Kadlec war am Ende wieder einmal ein gutes Beispiel dafür, wie wenig aussagekräftig gute Auftaktspiele für einen neuen Verein sind. Di Santo, der sein erstes Spiel an diesem Tag in Bremen komplett in den Sand setzte, steht inzwischen bei 19 Bundesliga-Toren und ist einer der Schwerverdiener beim FC Schalke 04. Eine kuriose Parallele, die Kadlec zu seinem Vorgänger Fenin vorweisen kann. Auch der startete seinerzeit phänomenal und stellte in seinem ersten Eintracht-Spiel in Berlin einen Debütanten namens Raffael komplett in den Schatten. Während Fenin inzwischen auf Vereinssuche ist, kommt der Brasilianer auf 76 Bundesliga-Tore und spielt mit Borussia Mönchengladbach Champions League.
Tore: 0:1, 0:2 Vaclav Kadlec (14., 34.), 0:3 Sebastian Prödl (77./ET).
Bes. Vorkommnis: Rote Karte für Franco Di Santo (26./Bremen).
Werder Bremen: Mielitz – Fritz, Prödl, Lukimya, Caldirola, Ekici (46. Ignjovski), Makiadi, F. Kroos (46. Gebre Selassie), Di Santo, Elia, Hunt (78. Petersen). Trainer: Dutt.
Eintracht Frankfurt: Trapp – Jung, Zambrano, Anderson, Oczipka (85. Djakpa), Rode, Russ, Aigner, Barnetta, Inui (61. Flum), Kadlec (81. Lakic). Trainer: Veh.
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