3 Spiele – 9 Punkte – 9:3 Tore. Der Aufsteiger Eintracht Frankfurt hat einen tollen Start in die neue Bundesligasaison 2012/13 hingelegt und sich bislang sehr selbstbewusst und spielstark präsentiert.
Auch am letzten Sonntag zeigten die Hessen für einen Aufsteiger eine sehr mutige und konsequent agierende Vorstellung! Von Beginn an setzte man den schwächelnden Traditionsverein von der Elbe unter Druck und bestimmte mit seinem offensiv ausgerichteten System auch dieses Spiel. Aber wie schaffen es die Frankfurt, dieses System so konsequent durchzudrücken? Und was ist der „Geheimnis des Erfolgs“ zu Beginn dieser neuen Bundesligasaison?
1.) Die hochstehende Viererkette: Viele Aufsteiger (außer Hoffenheim im Jahre 2008) wollen erst einmal „sicher“ stehen und „mauern“ sich vor ihrem eigenen Tor ein. Die Viererkette, das Mittelfeld und der erste Stürmer attackieren somit erst in der eigenen Hälfte, damit alle Spieler permanent hinter dem Ball stehen und dafür sorgen, dass es in der eigenen Hälfte mit 21 Spielern (also alle, außer dem gegnerischen Torwart) sehr eng wird. Dies vermeidet die Eintracht mit der „hochstehenden“ Viererkette, die den Gegner dazu zwingt, tief stehen zu müssen. Da Bamba Anderson, Carlos Zambrano, Sebastian Jung, Bastian Oczipka und die Doppelsechs Schwegler und Rode allesamt etwas mit dem Ball anfangen können, kann die Eintracht, im Gegensatz zu früheren Jahren mit Russ, Franz oder Tzavellas, flach von hinten heraus spielen und das Spiel schnell nach vorne treiben. Im Gegenzug sind die Lücken, die bei Ballverlust entstehen, sehr klein, weil das Team ganz kompakt verteidigt und das Spielfeld auf 60 m Kampf- und Spielzone einschränkt!
2.) Der Spielaufbau:
1. Stufe: Lange Bälle sieht man bei den Hessen bislang nur, wenn sie auch für nötig erachtet werden. Wenn Trapp den Ball hat, kommt einer der beiden Sechser, Schwegler oder Rode, entgegen und agieren kurze Zeit als Libero. Unter Druck lassen sie die Bälle auf die Außen prallen, die von Zambrano und Anderson besetzt sind und die dann gleich auf Oczipka oder Jung weiterleiten können, die sich auf Höhe der Mittellinie befinden. Sollten die Sechser nicht unter Druck stehen, dann können sie problemlos auch selbst das Spiel aufbauen. Dadurch übernehmen die Adler von Beginn an die Initiative und haben viel Ballbesitz.
2. Stufe: Die Eintracht formiert sich also, sobald sie beginnt das Spiel aufzubauen, in einem komplexen 3-3-2-1-1 System. Die Flügel, die zu Beginn noch von Aigner und Inui besetzt sind, werden nun komplett alleine von den Außenverteidigern beackert. Jung und Oczipka haben in diesem System viele Wege zu gehen und sind permanent im Offensivspiel eingebunden. Durch die Stärke dieser beiden Spieler kann Inui in die Mitte einrücken und mit Meier das Spiel gestalten und das Zentrum eng machen! Ein Paradebeispiel war hier das 1-0 gegen den Hamburger SV als Meier die beiden strauchelnden Verteidiger unter Druck setzte, der Ball zum Japaner kam und dieser unbekümmert Richtung 1. Saisontor losstürmte! Dazu kommt noch Aigner, der, im Stile von Thomas Müller, immer wieder von rechts in die Schnittstellen stößt und dadurch eine weitere Bedrohung für den Gegner darstellt.
3. Stufe: Diese bildet Occean, der sich in den ersten Spielen wendig, ballsicher und zweikampfstark präsentiert. Mit seinem wuchtigen Körper bereitete er allen Abwehrreihen bisher Probleme und gegen den Hamburger SV belohnte er sich nun mit seinem 1. Saisontor selber. Der Kanadier ist im Zentrum der gegnerischen Hälfte überall zu finden und verteilt, wenn er im Vollbesitz seiner Kräfte agiert, die Bälle auf die Außen, um dann mit nach vorne zu gehen. Dort bindet er dann meistens wieder 2 Innenverteidiger auf sich, was die Chancen für die nachrückenden Meier und Aigner erhöht an den Ball zu kommen.
4. Stufe: Durch die Verengung des Feldes und konsequentem Zweikampfverhalten bleibt die Eintracht auch nach Ballverlusten oft dann noch im Ballbesitz. Die Befreiungsschläge der Gegner werden zumeist abgefangen und somit das Spiel wieder über die Sechser und Meier, der vor allem am Sonntag als Ballverteiler in auffiel, in die gegnerische Hälfte verlagert. Die Hanseaten, aber auch die Hoffenheimer oder Leverkusener hatten in diesen Spielen viele Phasen, wo sie regelrecht eingeschnürt und permanent beackert wurden!
Das große Risiko und damit das Problem: Diese Art des Spielens kostet, vor allem die beiden Außenverteidiger, die dies nicht mehr im klassischen Sinne sind, viel Kraft. Auch wenn die Hessen eine gute konditionelle Basis gelegt haben, wurde vor allem im zweiten Durchgang gegen den Hamburger SV deutlich, dass dem ein oder anderen, je länger es 3:2 stand, die Puste ausging. Trotzdem hatten die Gäste aus der Hansestadt, außer einer großen Möglichkeit nach dem Anschlusstreffer, keine weiteren mehr. Die offensive Verteidigung sorgte dafür, dass es nicht zu einer meist üblichen Abwehrschlacht kam, sondern im Gegenteil dazu, dass die Hessen noch auf 3:2 hätten erhöhen können.
Trotzdem: Nachlässigkeiten und leichte Ballverluste sind eine große Gefahr, die jederzeit zu Gegentoren führen können. Bislang hält Kevin Trapp sehr gut, aber auch er wird nicht immer dieses Glück haben, bei 1:1 Situationen zu glänzen. Schon ein Ballverlust von Occean kann dafür sorgen, dass es hinten lichterloh brennt, wenn der zweite Ball nicht gewonnen wird! Dann kann ein gezieltes 2-3 Stationenspiel des Gegners kaum noch unterbunden werden. Hier hatte man z.B. gegen die TSG Hoffenheim großes Glück, dass die erste Chance nach wenigen Minuten nicht gleich zum Torerfolg führte. Wenn die Adler dann aber führen, sind sie sehr schwer zu besiegen, weil die Laufwege abgestimmt sind und die Mannschaft sehr kompakt und zweikampfstark agiert.
Fazit: Es wird sicherlich das Spiel kommen, wo es auf die Mütze gibt, prognostizieren viele. Wieso eigentlich? Die Mannschaft zeigte jetzt schon zweimal, dass sie mit schwierigen Situationen klar kommt (Gegen Leverkusen der nicht gegebene Elfmeter + Halbzeitrückstand! Gegen den Hamburger SV zweimal den Anschlusstreffer kassiert!). Gegen Nürnberg muss das Team nun aber zeigen, wie reif es wirklich schon ist. Aber der Weg der Hessen scheint, glaubt man den ersten Spielen und inzwischen auch den Meinungen der Experten, der richtige zu sein!
Wo seht ihr die Vor- und Nachteile dieser Taktik? Habt ihr vielleicht noch andere Besonderheiten erkannt?
9 Kommentare
super Analyse.
Wichtig ist vor allem die Kilometer die runter gespult werden
zuletzt Occean der als Stoßstürmer 12 km läuft.
WAHNSINN !!!
das Geheimnis ist folgendes: Ein paar Spieler haben einen knopf im Ohr. Ich selber sitze als Frau Rauscherverkleidet (oder manchmal als Attilla verwandelt) im Stadion und gebe die richtigen Anweisungen. Dies war leider die letzten Jahre aufgrund einer unüberbrückbaren Funkinterferenz nicht machbar.
Seitdem die neue Startbahn am Flughafen in Betrieb ist, funktioniert diese Technik jedoch einwandfrei. (Dinge gibts...)
Die anderen Argumente die im Artikel aufgezählt werden sind nur das Ergebnis meines Zutuns.
immer locker bleiben. es kommen noch ganz andere gegner und das spiel gegen nürnberg ist meiner meinung nach der erste richtige prüfstein da die nürnberger offensichtlich in form sind.
die hoffenheimer z.b haben ja von freiburg auch eine klatsche bekommen....
wir haben 9 punkte und das ist super und das nimmt uns den druck!
@Ostwestfalen: Dieser Artikel ist eine Bestandsaufnahme ist frei von jeglicher Euphorie, sondern eine Analyse der jetzigen Spielform. Erst war Leverkusen der erste Prüfstein, dann Hoffenheim, dann Hamburg, jetzt Nürnberg....
Jedes Spiel ist schwierig in der Bundesliga, es gibt keine leichten Gegner. Aber diese Analyse der Spielweise kein "unlockerer" Beitrag werden ;-).
LG
@Ostwestfalen-Adler
Wenn ich sowas höre: "Es kommen noch ganz andere Gegner"!
Alle drei Teams die wir geschlagen haben sind seit Jahren fester Bestandteil der Bundesliga und gegen alle drei Teams hatten wir in der Vergangenheit so gut wie nichts bestellen können. Ich höre noch die meisten Stimmen hier, die von einen schweren Auftaktprogramm sprachen. Zurecht! Die Bundesliga ist immer schwer und für einen Aufsteiger wie wir es nun mal sind sowieso.
@Christopher
Gute Analyse! Die Spielweise finde ich auch Klasse, darauf haben wir ja Jahrelang gewartet, das endlich mal die Post abgeht. Nur sollte man sich nicht immer auf Trapp verlassen, sondern das ein oder andere Mal, gerade bei einer zwei Tore Führung etwas vorsichtiger agieren.
@Christopher
das nächste Spiel ist immer das schwerst :-)
Ich fand sie nach dem 2:0 zu offensiv. Man hätte einen Gang rausnehmen sollen und das 2:0 in die Pause bringen müssen. Ansonsten bin ich total begeistert.
Hoffe nur das Trapp immer so gute Tage hat oder das die Abwehr noch konzentrierter ans Werk geht. Denn gegen Dortmund sind solche Dinger drin.
Auf die nächsten drei Punkte gegen die Bratwürstchen.
Adler-Gruß
Fakt ist das ich seit meiner Jugend in den Anfangsneunzigern nicht mehr so einer Mannschaft aus Frankfurt gesehen habe. Und der Erfolg spricht für diese offensive Ausrichtung.
Ich meine, Hoffenheim hat schon 11 Gegentore während wir erst bei 3en sind.
Auch wenn wir die restlichen 31 Spiele verlieren. Es war jetzt schon ne geile Saison :D
auf facebook würde ich sagen: "gefällt mir!"
klasse artikel, echt super, wenn auch mal solche spieltaktischen dinge analysiert werden. in diesem fall sogar noch mit niveau! :)
einzig das fazit gefällt mir nicht - es wird definitiv irgendwann einer auf die mütze kommen. das prognostizieren alle und damit haben sie auch recht. ganz einfach weil die spielweise wirklich risikoreich ist. ein gegner wird irgendwann mal was mit dem platz anzufangen wissen wenn der erste oder zweite ball nicht gewonnen werden kann. und dann geht auch irgendwann auch mal die erste chance des gegners rein geht und dann vielleicht auch mal die zweite.
aber ganz ehrlich!?
ist doch latte!
das ist der richtige weg und richtig starker fußball!
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