Typische "Eintracht-Regeln"? Kovac hat keine Lust sich daran zu halten.
Typische „Eintracht-Regeln“? Kovac hat keine Lust sich daran zu halten.

Die Temperaturen waren noch leicht sommerlich und wanderten langsam in Richtung herbstliche Stimmung, als die Dienstreise zum FC Ingolstadt am 4. Spieltag auf dem Programm stand. Die Frankfurter Eintracht war mit zwei Heimsiegen und sechs Zählern überraschend gut in die Saison gestartet und so konnte sich ein Reporter bei der Pressekonferenz folgende Frage nicht verkneifen: „Wir kennen die Eintracht ja jetzt schon ein bisschen länger. So ein Spiel wie gegen Ingolstadt – das ist so ein klassisches Spiel, bei dem wir hier alle im Saal auf ein klassisches 0:2 tippen würden. Was würden Sie dem denn entgegenbringen?“

Niko Kovac konnte und wollte natürlich nichts unmögliches versprechen, doch schon damals Mitte September war schon zu spüren, dass er keine Lust mehr auf die normalen „Eintracht-Regeln“ hatte. Die lauteten unter anderem:
1.) Verlieren nach Siegen gegen Topteams!
2.) Genau dann nachlassen, wenn der nächste Schritt nach oben folgen könnte!
3.) Die Gegner, die am Bogen liegen, stark werden lassen!
4.) Im Herbst einbrechen!
Die Liste könnte wohl noch mit vielen weiteren Beispielen bereichert werden. Der Kroate jedoch hat genau darauf keine Lust mehr und ist das, was wohl gemeinhin als „Regel-Brecher“ bezeichnet wird. Der 45-Jährige mag es nicht, Sachen einfach hinzunehmen und bohrt permanent nach, ob und wie etwas verändert werden kann. Die oberste Maxime des Kroaten, die selbst erst Vorstandsmitglied Axel Hellmann inhalieren musste, lautet: „Niemals zufrieden sein!“

Die Überraschung war groß im Umfeld der Hessen, als Kovac nach dem 0:0 bei Borussia Mönchengladbach am 9. Spieltag vor die Mikrofone trat und selbstbewusst verkündete: „Wir wollen noch zehn bis zwölf Punkte bis zur Winterpause holen.“ Der geneigte Frankfurter, noch geschädigt von der schlimmen Vorsaison, die erst durch einen Sieg in der Relegation gegen den 1. FC Nürnberg gerettete wurde, traute seinen Ohren nicht. Mit 25 bis 27 Zählern ins neue Jahr? Der rechte Glaube daran mochte, bei aller Euphorie die derzeit aufblüht, noch nicht aufkommen. Zu frisch liegen die letzte Spielzeit oder die „Rückrunde der Schande 2011“ im Gedächtnis, als nach einer famosen Hinserie ein Einbruch folgte, der bis in die 2. Liga führte.

Allerdings gibt es zu viele Gründe, die gegen einen solchen Absturz sprechen. Da ist…

… die neue Unabhängigkeit: Alles Alex Meier, oder was? Diese Maxime galt jahrelang bei den Hessen. „Geht es Meier gut, dann geht es der Eintracht gut“, war die Formel, die von Ex-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen immer wieder gepredigt wurde. Ein Ausfall des Torjägers war für die Mannschaft zumeist gleichbedeutend mit einem Nackenschlag, von dem eine Erholung kaum möglich war. In dieser Saison traf er dreimal und erzielte somit „nur“ 21 Prozent aller Tore. Kovac ist es gelungen, die Verantwortung auf mehrere Schultern zu verteilen. So trafen aus der Offensivabteilung bereits Marco Fabián (dreimal), Shani Tarashaj, Haris Seferovic, Szabolcs Huszti, Mijat Gacinovic und aus der Defensivabteilung David Abraham, Michael Hector und Bastian Oczipka. Mitsamt eines Eigentores von Lewis Holtby kommen die Frankfurter auf ordentlich 14 Treffer – verteilt auf neun verschiedene Schützen.

… der unermüdliche Kampfgeist: Egal, ob der Gegner nun Borussia Mönchengladbach, FC Bayern München, 1. FC Köln oder FC Schalke 04 hieß – sie alle bekamen zu spüren, wie schwer es inzwischen geworden ist, einen Sieg gegen die Eintracht zu erreichen. Es scheint so, als müssten die gegnerischen Trainer zunächst überhaupt die Marschrichtung ausgeben, irgendwie einen Treffer gegen die Frankfurter zu erzielen. Unabhängig davon, wer zu Beginn auf dem Feld steht oder im Laufe der Partie reinkommt – jeder gibt alles dafür, dass die Null steht und der Kontrahent kaum Torchancen erspielt. Die Kölner beispielsweise kamen drei- bis viermal zum Abschluss – eine glasklare Möglichkeit, sprich: ein „Hundertprozenter“, konnte allerdings nicht herauskombiniert werden. Und wenn es dann doch einmal gelingt, wie in der Woche zuvor der Fohlenelf, hat Torhüter Lukas Hradecky seine Hände dazwischen.

Bastian Oczipka zeigt sich gut erholt von seiner Katastrophensaison.
Bastian Oczipka zeigt sich gut erholt von seiner Katastrophensaison.

… die hohe taktische Flexibilität: Still und heimlich wurde bei der Eintracht die klassische Viererkette umgebaut. Die Spieler formieren sich im Umschaltspiel nach vorne in letzter Linie zu einer Dreier- und im Umschaltspiel nach hinten zu einer Fünferkette. Angeführt von Makoto Hasebe, der in seiner Heimat den Spitznamen der „Beckenbauer Japans“ trägt, können Jesús Vallejo und David Abraham noch höher verteidigen. Der 32-Jährige sichert die beiden Innenverteidiger wirkungsvoll ab und ist mit seiner Technik und Passstärke eine unerlässliche Größe im Spielaufbau – und ein Beweis für die hohe taktische Flexibilität der einzelnen Spieler. Von elementarer Bedeutung sind dafür ferner die Namen Bastian Oczipka und Timothy Chandler, die permanent die Offensiv ankurbeln und dank ihrer Fitness auch Defensiv scheinbar mühelos ihren Mann stehen.

Doch nicht nur in der Defensive zeigt sich die Handschrift von Trainer Kovac. Auch im offensiven Bereich gibt es sehr viel Bewegung ein hohes Maß an Variabilität. Die Spieler wechseln immer wieder ihre Positionen, die Laufwege wurden optimiert, das Tempo in einzelnen Situationen gezielt erhöht. Ein wesentlicher Faktor dafür ist Fabián, ein weiterer Gacinovic. Sie befinden sich überall auf dem Feld und vernachlässigen nicht die Rückwärtsbewegung. Der Gegner hat somit kaum Möglichkeiten, sich auf ein Schema einzustellen.

… der Konkurrenzkampf: Keiner darf sich seines Platzes sicher sein. Kovac lädt seine Spieler dazu ein, sich im Training für höhere Aufgaben anzubieten – und lässt den Worten dann auch Taten folgen. So bekamen in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen die Ingolstädter auch Taleb Tawatha und Yanni Regäsel, die bislang völlig außen vor waren, eine Bewährungschance. Freilich ist der Weg in den Kader für den einen oder anderen ein weiter – dem Trainer kann dafür jedoch der geringste Vorwurf gemacht werden.

Zusammen mit Kovac und Bruno Hübner sorgt Fredi Bobic für eine klare Linie bei der Eintracht.
Zusammen mit Kovac und Bruno Hübner sorgt Fredi Bobic für eine klare Linie bei der Eintracht.

… die „neue“ Eintracht: David Abraham verlängert still und heimlich seinen Vertrag bis 2019, ohne dass es zuvor auch nur ansatzweise durch den Blätterwald rauschte. Die meisten Transfers im Sommer liefen geräuschlos ab, genauso die bisherigen Kontraktverhandlungen mit Kovac. Wurden Deals und Gerüchte zuvor wochenlang von den verschiedenen Medienhäusern ausgeschlachtet, dringen sie heute erst in die Öffentlichkeit, wenn die Tinte auf dem Papier getrocknet ist. Ob bei einer Erweiterung des Papiers von Chandler eine ähnliche Geheimhaltung aufrecht erhalten werden kann?

Es werden sich mit Sicherheit noch weitere spannende Aspekte finden lassen, die dafür sprechen, dass Kovac in Zukunft mit seiner Mannschaft weitere Regeln brechen wird. Etwa die, verstärkt Eigengewächse in die Profimannschaft einzubauen. Oder die, sich keine „Eintracht-typischen“ Niederlagen, wie etwa beim SV Darmstadt 98 und den SC Freiburg (jeweils 0:1) geschehen, einzufangen. Die Entwicklung ist noch nicht vorbei – und das jetzt angesammelte Punktepolster hilft dabei, eine Krise ohne Unruhe zu überstehen. Falls es eine gibt? „Eintracht-Typisch“ wäre es ja – doch was ist unter Kovac noch normal?

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9 Kommentare

  1. Niko Kovac sagt : noch 7-9 Punkte bis zur Winterpause
    Fredi Bobic sagt : ich zähle noch 22 Punkte runter
    ReinhodFanz sagt : noch 32 Punkte
    Eintrachtherz was willst du mehr ?
    wobei zu verschenken haben wir auch nichts , aber da bin ich in der Zwischenzeit etwas beruhigter.
    Forza SGE !

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  2. Kovac ist nicht Skibbe. Und deshalb habe ich Bedenkenträger keine Angst vor der Rückrunde.

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  3. Eine Regel wird wohl die nächsten Jahre bestehen bleiben:
    – Verpflichte keinen Stürmer der Tore schießt, solange Alex noch spielt 😉

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  4. Also ich bin ja kein Freund davon alles auf den Trainer zu schieben (HSV). Aber hier zeigt sich GANZ deutlich das ein Trainer einen riesen Einfluss auf die Mannschaft hat. Kombiniert mit einem neuen Sportvorstand und einem Sportdirektor (von BH hört man irgendwie immer weniger) ist eine Ruhe in das Umfeld und die Mannschaft eingekehrt welche ich in den letzten 23 Jahren nicht erlebt habe bzw. mich nicht daran erinnern könnte.
    Noch 6 Punkte halte ich für nicht ganz unmöglich aber sehr ambitioniert. Mir würden 23 Punkte zur Winterpause auch reichen.
    Und solange NK merkt das hier etwas bewegt werden will bleibt der auch.

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  5. Da ja immer wieder mal über Hübner geredet wird: Hübner war ja für die Einkäufe verantwortlich, ist die oft zitierte Aussage zur Vergangenheit. Hradetzky, Gacinovic, Abraham, Fabian, Kovac. Kamen vor oder in der letzten Saison. Der Junge ist nicht so schlecht wie er oft geredet wird. Gerade Fabian ( oder zu meiner Überraschung auch Chandler ) ist ein Beispiel, wie viel ein anderer Trainer aus einem Spieler rausholen kann.

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  6. Nicht vergessen das wir die „großen Siege“ alle zu Hause geholt haben. Die Rückrunde wird schwerer als die Hinrunde …… !

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  7. Dass wir die großen Siege alle zu Hause geholt haben liegt daran, dass wir die großen Mannschaften alle zu Hause hatten. In der Rückrunde ändert sich das, korrekt. Dann werden wir die großen Siege auswärts feiern 🙂

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  8. die Rückrunde der Schande hieß es damals ….wie heißt die Hinrunde denn beim HSV?

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