André Schürrle im Zweikampf mit Marco Fabián
André Schürrle im Zweikampf mit Marco Fabián

Die Euphorie über den 3:2-Sieg gegen den VfL Wolfsburg ist auch am Tag danach nicht aus den Köpfen der Eintracht-Fans gewichen. Da mit Ausnahme von Hannover alle Konkurrenten im Tabellenkeller punkten konnten, waren die drei Zähler ungemein wichtig, um mit der nötigen Sicherheit und ausreichend Selbstvertrauen in die Rückrunde zu starten. Doch bei aller Freude über den Last-Minute-Sieg müssen die Probleme v.a. in der ersten Halbzeit aufgearbeitet werden. Denn die Überlegenheit der Wolfsburger, die schon fast ein Klassenunterschied war, hätte bis zum Wechsel bereits zu einem uneinholbaren Rückstand führen können. Unternehmen wir also den Versuch zu untersuchen, welche Lehren aus dem Auftritt gegen Wolfsburg zu ziehen sind.

1. Wenn der Kopf nicht richtig funktioniert, helfen auch zwei Beine nichts“
Beginnen wir mit der Frage, die uns seit gestern Nachmittag alle beschäftigt: Wie ist ein solcher Auftritt wie in der ersten Halbzeit zu erklären? Nach zehn Minuten des gegenseitigen Abtastens erstarrten unsere Jungs voller Ehrfurcht vor dem souveränen Auftreten der Wölfe, entwickelten eine Angststarre und bekamen schwere Beine. Nichts wollte mehr gelingen: Kaum ein Pass kam an, kaum ein Zweikampf wurde gewonnen und die für den Spielaufbau verantwortlichen Spieler prügelten den Ball hilflos nach vorne – in der Hoffnung, dass er nicht so schnell zurückkommen werde. Die Frage provoziert eine einfache Antwort: „Entweder sie können es nicht oder sie wollen nicht.“ Als langjährige Eintracht-Fans wissen wir, dass es nicht so einfach ist. Unsere sensiblen Jungs konnten einfach nicht das umsetzen, was sie sich vorgenommen hatten. Sie waren regelrecht blockiert und hatten nicht zum ersten Mal mit einem Kopf-Problem zu kämpfen. Die häufig bemühte Phrase „Angst essen Seele auf“ kam uns da ebenso in den Sinn wie der Spruch unseres ehemaligen Trainers Christoph Daum: „Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein.“ Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Unsicherheit und Nervosität alle guten Vorsätze zunichte macht.

2. Bei einer Blockade im Kopf gewinnt man auch im besten System kein Spiel
Kommen wir zu der taktischen Marschrichtung des Trainerteams. Allen Nebelkerzen zum Trotz hielt Armin Veh an der Grundausrichtung im 4-2-3-1 fest. Huszti agierte auf dem linken, Aigner auf dem rechten Flügel. Die defensive Zentrale wurde von Marco Russ und Marc Stendera gebildet, und Makoto Hasebe durfte einmal mehr die ungeliebte Rechtsverteidigerposition bekleiden. Er bekam den Vorzug vor Ignjovski und Timothy Chandler, der noch nicht einmal einen Platz auf der Bank ergattern konnte.

Dante erzielte den Führungstreffer der Wolfsburger mit freundlicher Hilfe durch Abraham
Dante erzielte den Führungstreffer der Wolfsburger mit freundlicher Hilfe durch Abraham

Es fällt schwer, über die Sinnhaftigkeit dieser Ausrichtung zu urteilen, denn im ersten Durchgang war alles schlecht. Fast alle Angriffe der Wolfsburger liefen über die Seite von Hasebe, der seinen Gegenspieler Draxler überhaupt nicht in den Griff bekam. Russ sollte im Mittelfeld über 90 Minuten seine Nervosität nicht ablegen können und Stendera machte viele gute Ansätze durch überhastete und ungenaue Aktionen wieder zunichte. Oczipka reihte ebenfalls Fehlpass auf Fehlpass, Meier war nicht zu sehen und Seferovic verlor den Ball oder den Zweikampf – und häufig beides. Die Innenverteidigung wirkte gehemmt (Zambrano) oder nachlässig (Abraham). Deshalb kann einzig Torhüter Lukas Hradecky von der Kritik ausgenommen werden.

Auch wenn unser Plädoyer an die Redundanz von Gebetsmühlen erinnert: Ich vertrete nach wie vor die Meinung, dass Hasebe – der sich nach dem Wechsel steigerte – im defensiven Mittelfeld besser aufgehoben wäre. Bereits in der Vorrunde ist m.E. deutlich geworden, dass die Hauptschwachstelle im Spiel der SGE das zentrale Mittelfeld ist. Stendera sucht immer wieder den Weg nach vorne und benötigt einen strategischen Kopf an seiner Seite, der in der Lage ist, das Spiel zu lenken. Dazu waren weder Reinartz noch Russ und schon gar nicht Medojevic oder Ignjovski in der Lage. Deshalb stelle ich die These in den Raum: Hasebe muss im Mittelfeld platziert werden.

3. Wie viele Stürmer braucht die Eintracht?
Nach dem Wechsel lief alles besser. Marco Fabián kam für Haris Seferovic und plötzlich war eine ganz andere Eintracht auf dem Platz. Haben wir damit die Ursache für die Leistungssteigerung identifiziert? Natürlich nicht. Tatsache ist aber, dass das Zusammenspiel zwischen Meier und Seferovic seit geraumer Zeit nicht funktioniert. Unser „Fußballgott“ ist hinter den Spitzen verschenkt, da er nicht der klassische Spielmacher ist und zu wenig am Spiel teilnimmt. Seferovic rotiert häufig, kommt dabei aber gerne einem Mitspieler – nicht selten Aigner – in den Weg und blockiert dessen Laufwege. Nach der Halbzeit war mit Fabián eine weitere Anspielstation im Mittelfeld da und Meier konnte sich auf das konzentrieren, was er am besten kann: den Torabschluss suchen und einnetzen.

Marco Russ, Marco Fabián, Alex Meier und Szabolcs Huszti feiern den 3:2-Sieg über Wolfsburg
Marco Russ, Marco Fabián, Alex Meier und Szabolcs Huszti feiern den 3:2-Sieg über Wolfsburg

Nicht nur vor dem Hintergrund des gestrigen Eklats um den Schweizer Nationalspieler wird sich Trainer Veh deshalb die Frage stellen müssen, ob es nicht heißen muss: Meier oder Seferovic? Mit Huszti und Fabián hat der Coach nun zwei spielstarke Angreifer, die in der Lage sind, für Unruhe zu sorgen und die entscheidenden Zweikämpfe zu gewinnen. Fabián ist wohl hinter der Spitze am besten aufgehoben und kann mit Huszti und Aigner rotieren. Möglicherweise hat die Verpflichtung von Fabián – auch vor dem Hintergrund, dass Luc Castaignos bald zurückkehrt – das Ende der Zeit von Seferovic bei der SGE eingeläutet.

4. Nehmerqualitäten und Ende der Wohlfühloase?
Bei aller Kritik am Auftreten vor der Pause: Wie die Mannschaft die mehrfachen Rückschläge gegen einen vermeintlich übermächtigen Gegner weggesteckt hat, zeugt von Qualität und der richtigen Einstellung. Die Mannschaft zeigt immer wieder – leider nur phasenweise -, welches Potenzial in ihr steckt. Ohne Zweifel besitzt das Team die spielerische und kämpferische Qualität, die Klasse zu halten. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sie sich als Team verstehen und als Team auftreten – womit wir bei Haris Seferovic wären.

Der gestrige Ausbruch von Trainer Veh kam für viele sicherlich überraschend. Es ist ungewöhnlich, einen Spieler in dieser Form öffentlich zu kritisieren. Der emotionale Ausbruch des Coaches nach einem so wichtigen Spiel kann nur so gedeutet werden, dass sich einiges aufgestaut haben muss. Wir können nicht beurteilen, was sich im Trainingslager, in der Kabine oder in der Halbzeitpause zugetragen hat. Im Raum steht der Vorwurf des Egoismus, des mannschaftsschädlichen Verhaltens. Es war auch augenfällig, wie oft Spieler und Verantwortliche gestern im Anschluss an das Spiel das Wort „Charakter“ in den Mund genommen haben – im positiven (bezogen auf Meier, Fabián und die Mannschaft) und negativen Sinne (bezogen auf Seferovic). Ohne die Hintergründe zu kennen, ist es wichtig, dass Veh in der gegenwärtigen Situation die mannschaftliche Geschlossenheit, die Solidarität untereinander und das Gemeinschaftsgefüge über alles stellt.

Damit soll die knappe Analyse des gestigen Spieles erst einmal beendet und die Diskussion eröffnet werden. Wir sind alle gespannt, welche Lehren das Team und die Spieler aus der gestrigen Begegnung gezogen haben – am kommenden Samstag in Augsburg wissen wir mehr.

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15 Kommentare

  1. sehr gute Analyse !
    für mich stellen sich zwei Fragen :
    1. was soll das mit Hasebe als rechter Verteidiger, völliger Fehlgriff ! Was denkt sich AV dabei, ich kann es nicht im Ansatz verstehen.
    Wir müssen uns bei VW bedanken, dass diese eklatanten Schwächen nicht bestraft wurden.
    2. Warum gelingt es AV nicht die Mannschaft nach einem „sehr guten“ Trainingslager und drei guten Verstärkungen so zu motivieren und einzustellen, dass Kampf und Leidenschaft sowie etwas Spielkultur auf den Platz gebracht wird ?
    Gut , die 2. HZ war besser und AMFG überragend, aber ….. , das hätte ins Auge gehen können !
    Wie gesagt , Was macht der Trainer da ?
    Noch eins , Huszti und Fabian können uns noch viel Freude bereiten. Da habe ich vieles gesehen was uns weiter bringen kann und vor allem können sie mit dem Ball was anfangen. Gut so !
    Forza SGE

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  2. Warum Hasebe auf RV ist so ziemlich das größte Rätsel!
    Aber vielleicht müssen wir es mal anders sehen, sind Chandler und Iggy eventuell
    noch schlechter das somit Veh fast genötigt ist Hasebe spielen zu lassen?

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  3. Danke Ralf,
    es ist immer wieder angenehm, Eure Analysen zu lesen.
    Ruhig, sachlich mit deutlicher, aber nie greller Kritik.
    Gerade dieses Spiel hat so klare Hinweise auf die richtigen
    Positionen für Hasebe und Meier geliefert, da müsste es doch
    auch bei Herrn Veh klick machen. Aber, wie gehabt……
    Im übrigen finde ich es sehr interessant, dass der Sonntag sowohl
    den Veh-Gegnern, wie auch den Befürwortern genügend Argumente
    für ihre Position gegeben hat, dass am Ende beide Recht haben.
    (Aber wehe Wolfsburg hätte das 2. und 3. Tor vor der Pause gemacht.)
    Ich freue mich schon auf unsere Diskussionen und bin ganz gespannt auf
    Augsburg.

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  4. Bezüglich der vakanten RV Position.
    Ich meine mich zz erinnern, dass Hübner über Chandler sagte, dass man auf ihn setze.
    Er könne die volle Vorbereitung mitmachen, dass konnte er zu Beginn der Runde nicht.
    So oder so ähnlich hat er es formuliert.
    Damit war die Diskussion über die Position eigentlich vom Tisch.
    Und nun stand Chandler nicht einmal im Kader?
    Da passt die Aussage aber nicht mehr.

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  5. Zu dieser ganzen Diskussion rund ums Spiel mal ein Zitat aus „From Dusk till Dawn“:

    “Bist du wirklich so ein Verlierer, dass du nicht einmal merkst, wenn du gewonnen hast?”

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  6. Sorry, bin leider im falschen Fred gelandet.
    Diese dauernden Abstürze machen einen ja ganz wuschig.
    Sorry!
    Zur obigen Analyse:
    Sehe das alles ziemlich genauso.
    Bei Hasebe bin ich mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht deswegen als RV gespielt hat, weil er da immernoch der beste Spieler ist den wir haben.
    Das wäre dann natürlich eine Bankrotterklärung für Chandler.
    Bin gespannt wie das ganze nächste Woche aussieht.
    Augsburg wird nicht leichter, eher im Gegenteil.

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  7. Es ist wirklich ein Armutszeugnis keinen vernünftigen RV zu finden oder finden zu wollen.Gibt es nur Jung Hr.Veh/Hübner?

    Man schwächt sich nur selber den Russ kann keine 6 und Hasebe ist dort zu Hause.

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  8. Was mich viel mehr interessiert ist, warum Wolfsburg in der 2ten Hz aufgehört hat, unsere ballführenden Spieler aggresiv anzugehen?! Damit sind wir gar nicht klar gekommen – was man auch nach dem 2:1 wieder gesehen hat. Das war natürlich sehr nett von den Wölfen – bleibt mir aber ein Rätsel.

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  9. Danke für die Analyse.
    Ich freu mich jetzt erst mal über den unerwsrteten Sieg, über die starke Moral in der 2. Hälfte das Spiel zu drehen, und besonders über die 2 Matchwinner Hradecky und Meier!
    Ich hoffe das Problem RV wird noch in Winterpause gelöst.

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  10. @ allgemein: ich freue mich über drei Punkte, wie die zustande gekommen sind, sind wir uns offensichtlich einig. Mehr Glück als Verstand in in der ersten Hälfte und dann unser Fussballgott.
    @redaktion: tut, verdammt nochmal, was für eure server-kpazitäten. vorschlag: spende für mehr bandbreite, ich bin sofort mit 100 EUR dabei! bitte konto nennen!
    @denkanstoss (werde als neuling wahrscheilich wie immer ignoriert): wie kann es sein, dass wir in einer wirtschaftlich am stärsten region der bundesrebublik sitzen und niemdan von hier maßgeblich mit uns in verbindung gebracht werden will. da stimmt was bei den personen nicht. wir sind nicht professionell und nicht verlässlich genug. ich schlage (prügel, wenn überhaupt rückmeldung, horst heldt als HB nacholger vor). Veh ist ohnehin keine Lösung. Alte Generation, die nachfolgende hat Kloppo geprägt, aber die läuft auch schon aus….wir brauch sowas wie Andre Schubert, Breitenreiter, Dirk Schucster (ich weiss, Lilien etc.), dass passt alles nicht zur Zeit. Der ZEIT. Ich habe Angst, wenn wir nicht bald die Weichen umstellen, dass wir so enden wie andere Traditionsvereine: Im Stolz gestorben und keine Rolle mehr gespielt. Also: Aufstehen!

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  11. @9 Atoron: Unfassbar aber wir sind einer Meinung. Hasebe hat seine stärken im DMF und da würde ich ihn gerne sehen. Er spielt ungern und deutlich schwächer als RV aber trotz dieser Tatsachen und obwohl Hasebe ja jetzt nicht gerade zu den besten BL-Spielern ever gehört, ist er derzeit wohl der beste RV bei uns. Es ist aber auch fakt, dass dies seit mindestens 1,5 Jahren eigentlich kein Geheimnis ist und nun mindestens die dritte Wechselperiode ansteht wo man das korrigieren könnte. 7 Tage Zeit bleiben noch!

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