Uli Stein (re.) bei seiner zweiten Leidenschaft, dem Golfen, 2015 in Bad Homburg mit Rainer Falkenhain. (Bild: Heiko Rhode)

Der 16. Mai 1992 hat sich ins kollektive Gedächtnis der Eintracht-Fans eingebrannt. Große Teile der Saison und bis zum letzten Spieltag standen die Adlerträger auf dem ersten Tabellenplatz. Und ausgerechnet gegen Absteiger Hansa Rostock verspielte die Mannschaft die zweite deutsche Meisterschaft des Klubs – auch aufgrund eines strittigen, nicht gegebenen „klaren Elfmeters“, wie selbst der Schiedsrichter nach Abpfiff zugab. Uli Stein, der damals das Tor der SGE hütete, glaubt allerdings, dass sich die Eintracht nicht erst am 38. Spieltag um die Meisterschaft brachte, wie er im Vereins-Podcast „Eintracht vom Main“ erzählt: „Wir haben die Meisterschaft im Heimspiel davor, gegen Werder Bremen, verloren. Die Bremer kamen donnerstags vom Europa-Pokal der Pokalsieger [einer der Vorläufer der heutigen Europa League, d. Red.], hatten den Titel geholt, waren noch beschwipst – wenn man so will. Die hatten uns eigentlich gar nicht mehr auf dem Zettel und wollten einfach nur nachhause, feiern. So im Vorbeigehen haben die bei uns gespielt und führten auf einmal zur Pause mit 2:0. Und wussten gar nicht, warum. Bei uns hat man gemerkt: Der Druck war zu groß.“ Mit einem Sieg gegen Bremen hätte der SGE in Rostock ein Unentschieden gereicht – „und das hätten wir auch geholt“, ist sich Stein sicher.

Wir waren uns nicht einig

Die damalige Frankfurter Mannschaft gilt noch heute als eine der besten, vielleicht sogar als die beste Mannschaft, die es jemals im Trikot der Adler gab. Doch trotz der individuellen Klasse ist Uli Stein davon überzeugt, dass der Zusammenhalt im Team und damit die letzten Prozente zum Erfolg gefehlt haben: „Wir waren uns nicht einig. Es gab zu viele Baustellen innerhalb der Mannschaft. Vielleicht auch der Neid: Der eine war auf den anderen neidisch. Wir haben es nicht geschafft, aus so vielen tollen Fußballern eine Mannschaft zu formen. Und das ist der Unterschied zu der Mannschaft heute: Heute hast du das Gefühl, dass man es geschafft hat, aus vielen guten Fußballern eine Top-Mannschaft zu formen. Da rennt einer für den anderen. Das merkt und sieht man. Da geht einem das Herz auf! (…) Zu unserer Zeit war das leider nicht so.

Team spielte gegen Trainer Jörg Berger

Mit der Eintracht holte Uli Stein nur einen einzigen Titel – den DFB-Pokal 1988. Stein schaffte damit das Kunststück, den Pokal zwei Jahre hintereinander mit zwei unterschiedlichen Vereinen zu holen: Im Vorjahr gewann er mit dem Hamburger SV den deutschen Vereinspokal. Der HSV sollte ihn auch während seiner Karriere im Eintracht-Trikot noch verfolgen: In der Saison 1990/1991 verlor die SGE mit einem bitteren 0:6 im eigenen Stadion gegen den HSV. Fans und Öffentlichkeit sagten, die Mannschaft hätte gegen den Trainer gespielt. Stein: „Jetzt das zu behaupten, das ist schwierig. Aber ich hatte auch das Gefühl! Jörg Berger wurde nach dem Spiel entlassen. Weil ich beim 0:6 so schlecht aussah, dachten alle, ich hätte gegen den Trainer gespielt und absichtlich das Spiel verloren. Dann habe ich gesagt: ‚Bei 0:5 kannst du das Spiel nicht mehr absichtlich verlieren, wenn du das 0:6 durchlässt.‘ Jörg Berger rief mich eine Woche, nachdem er entlassen wurde, an. Er hatte auch die Vermutung, dass ich das gewesen wäre. Er sagte: ‚Uli, ich wollte mich nur bei dir entschuldigen. Ich weiß inzwischen, dass du es nicht warst.’“ Stein habe eigene Vermutungen, welche Spieler Berger loswerden wollten, doch das sei „Schnee von gestern“.

Stein half, den Fußball 2000 in Frankfurt zu etablieren

Alles in allem verbrachte Steine seine schönste Zeit in Hessen, auch wenn er in Hamburg mehr Titel holte – darunter die Meisterschalen 1982 und 1983: „Trotz aller Widerstände, die wir in der Mannschaft hatten, Spieler gegen mich waren, trotzdem hat mir die Zeit in Frankfurt so viel Spaß gemacht. Wir haben etwas aufgebaut, von der Zeit ab 1987 bis 1994.“ Und tatsächlich: Stars wie Uwe Bein, Maurizio Gaudino, Jay-Jay Okocha und Anthony Yeboah kamen alle Anfang der 1990er Jahre in das Team, deren Spielweise als „Fußball 2000“ bekannt wurde. Stein: „Weil ich weiß, dass ich ‚mitgeholfen‘ habe, das mit einzuleiten, deswegen hängt mein Herz immer noch an der Eintracht. Ich weiß: Wir haben nur einen Titel geholt und nicht so die Erfolge erzielt, die wir hätten erzielen können. Aber es war für mich persönlich meine schönste Zeit im Fußball!

Auf Gehalt verzichtet, um nach Hessen wechseln zu können

Auch er selbst hat Tribut gezollt, um überhaupt nach Frankfurt kommen und damit Teil der Mannschaft werden zu können. Stein galt als aktiver Profi stets als jemand, der geradeaus sagte, was er dachte, der unbequem war. Nicht jeder Trainer kam mit so einem Spieler zurecht. Nach einem Faustschlag wurde Stein vom HSV suspendiert. „Das war im Endeffekt das I-Tüpfelchen, dass das Fass zum Überlaufen brachte. Ich stand dort schon länger auf der Abschussliste“, erinnert sich Stein, der jedoch auch festhält, dass nicht alleine sein offenes Wort der Grund war, weshalb man ihn nicht mehr wollte. Vielmehr hatte der neue HSV-Trainer eine andere Philosophie, wen er gerne im Tor sehen wollte. Der HSV versuchte allerdings nicht, Stein schnell zu verkaufen, sondern man legte ihm stattdessen Steine in den Weg, wie der 67-Jährige im Podcast erzählt. Der Vertrag zwischen Eintracht Frankfurt und dem HSV war bereits unterschriftsreif, bis am „Deadline Day“ die Hanseaten extra die verlangte Ablösesumme erhöhten, um die Vereinbarung auf den letzten Metern zu torpedieren, glaubt Stein. Er berichtet: „Ich habe zu Scheppe Kraus gesagt: ‚Das ist mir jetzt egal. Wir machen das! Die Ablöse, die der HSV jetzt erhöht, das verrechnen wir mit meinem Gehalt.’ Mit anderen Worten: Ich habe auf Gehalt verzichtet, um zur Eintracht zu kommen. Im Endeffekt habe ich mich mit am Transfer beteiligt.

Stein: Kevin Trapp ist die klare Nummer 2 beim DFB!

Uli Stein schwärmt von den Leistungen und der Präsenz, die Kevin Trapp im Tor zeigt. (Bild: Heiko Rhode)

Einer von Steins Nachfolger im Frankfurter Tor ist Kevin Trapp. Auf die aktuelle Nummer eins hält Stein große Stücke: „Seit dem Spiel in München [am 3. Oktober 2021, d. Red.] spielt er wieder das, was man von ihm kennt, was ihn so stark und groß gemacht hat. Bis dahin war die Saison auch sehr durchwachsen. Aber in diesem Spiel hat sich bei ihm irgendwie der Schalter umgelegt. Er hat in München sensationelle Dinger gehalten! Inzwischen ist er wieder in der Form, weshalb er Nationalspieler geworden ist. In der momentanen Form ist er gar nicht wegzudenken! Du musst ihn mitnehmen. Er ist nach Neuer mit Sicherheit der beste Torwart in der Bundesliga.“ Trapp zeige auf der Linie „sensationelle Reaktionen“ und „strahlt eine unheimliche Ruhe auf die Vorderleute aus“. „Die Mannschaft ist erst in den letzten Wochen wieder so ein bisschen stabiler geworden, hatte anfangs noch Probleme unter Glasner gehabt, sich zu finden. Im Moment sind sie wieder auf dem richtigen Weg. Daran hat Kevin, glaube ich, einen großen Anteil. Weil er diese Ruhe ausstrahlt und die Mannschaft wieder das Gefühl hat: ‚Da hinten ist jemand, der hält alles!‘

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18 Kommentare

  1. Jetzt bin ich aber erleichtert.
    Ich war damals im Stadion und fand Uli „nicht übermotiviert“ Bälle zu halten an dem Tag.
    Bin mir auch nicht so….sicher ob es nicht tatsächlich so war (:-)

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  2. Gude Uuuuliiiiiiii!
    Der beste Torwart zu seiner Zeit. Punkt. Unvergleichlich, wenn mal wieder wieder ein Fernschuß kam, Uli sah, dass er drüber oder vorbei ging und er seinen Vorderleuten das ganz locker signalisierte. Und die ganze Kurve Kurve seinen Namen schrie.
    Danke an dieser Stelle nochmal.
    Forza SGE

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  3. Der Uli ist beim 0:6 gefallen, wie eine Bahnschranke. Auch die Erinnerung an Rostock tut trotzdem sehr weh, zumal der Fußball der damals gespielt wurde, wirklich überragend war…..

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  4. Weghorst wäre auch möglich.
    ruffkick: Bei Augenthaler hat es leider nicht geklappt. Einer der geilsten Typen im Eintracht Dress der Uli. U.a. der Platzverweis 1988 in München als er sich beim Elfmeter an den Torpfosten gelehnt hat.

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  5. Off Topic: Leverkusen hat soeben einen Mittelstürmer (MW 25 Mio) verpflichtet. Damit dürfte die Personalie Alario wieder heiß sein.

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  6. Man hört nichts von Transfers zur Eintracht. Es wird sich wahrscheinlich nichts mehr tun.

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  7. @10. altfan, ich glaube, dass da morgen noch was passiert.
    Da Costa, Hrustic, Barkok (sofort, anstatterst im Sommer) …
    Oder eben auch auf der Habenseite.
    Wäre eher verwundert, wenn gar nichts mehr passieren würde.

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  8. Die Meisterschaft wurde beim letzten Heimspiel gegen Werder verpfiffen, als der Schiri sich kurz vor Schluss nicht traute das Titeltennen zu entscheiden. Das geht nur immer wegen des Rostocker Traumas unter.

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  9. Die Meisterschaft hat ein gewisser Alfons Berg aus Konz auf dem Gewissen.Sonst keiner Kult Uli .

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  10. Ich kann mich noch genau an die verpasste Meisterschaft in Rostock erinnern, den Pfostenschuss von Edgar Schmitt und das Foul an Ralf Weber. Mit VAR damals waeren wir wohl Deutscher Meister geworden. Ich war damals so sauer auf Alfons Berg und habe noch lange damit gehadert. Aber umso größer war die Freude als Felix Zwayer im Pokalfinale eben meiner Ansicht nach richtig entschieden und nicht auf Elfer für Bayern entschieden hat. Der Fuss des Bayernspielers hat wegen des „Streichlers“ von Boateng nicht einmal die Richtung verändert, den Fuss dann aufgesetzt und sich fallen lassen. Ein Felix Brych hätte den sicher gegeben, weil der wie die meisten Schiris immer umschwenkt wenn der VAR sich meldet. Jedenfalls hat dieses Pokalfinale mit Feier auf dem Römer für 1992 mehr als entschädigt. Wir kommen die letzten Jahre auch mehr über den Teamgeist, was mir ohnehin viel besser gefällt als mehr über Einzelkoenner wie 1992.

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  11. Ja, die Feier auf dem Römer hat entschädigt. Was man aber nicht unbeachtet lassen sollte sind die Konsequenzen der verpassten Teilnahme am damaligen Pokal der Landesmeister und das damit fehlende Geld welches ja eigentlich schon ausgegeben war.
    Ich denke die Schieflage in die unsere SGE in den Jahren danach geraten ist hängt damit klar zusammen.
    Sicherlich nicht der einzige Grund aber bestimmt ein großer Anteil.

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  12. … auf der andere Seite hätte bei unserer damaligen Vereinsführung die große Gefahr bestanden, komplett abzuheben und in einen „fatalen“ Größenwahn zu verfallen, und wir müssten uns jetzt bestenfalls mit 1860 messen.
    Ein solche Gefahr sehe ich bei den aktuellen Protagonisten nicht, wenn wir dann nächstes Jahr den Titel im Sack haben!

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  13. Meisterschaft in Rostock wäre schon toll gewesen 😀 Aber ich glaube auch, das wäre danach nicht weiter gut gegangen. Der VFB hat danach die Champ league Quali gegen Leeds versaut, ob wir uns da besser geschlagen hätten? Und der Kader wäre teurer geworden.. meine Theorie: Wir würden heute genauso dastehen oder eben wie 1860 oder FCK.

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