Jay-Jay Okocha verzauberte in den 90ern die Bundesliga. (Foto: imago images / Kicker/Liedel)

Jay-Jay Okocha und sein Jahrhunderttor gegen Oli Kahn, der „weiße Brasilianer“ Ansgar Brinkmann oder Axel Kruse – die 90er waren gespickt mit verrückten Typen und großartigen Kickern, wie sie heutzutage selten geworden sind. Die Jungs von FUMS („Fußball macht Spaß“) haben sich das wildeste Fußball-Jahrzehnt vorgeknöpft – und ihre Helden näher beleuchtet. In „Raucher und Raubeine“ stellen die drei FUMS-Macher Thomas Poppe, Lars Kranenkamp und Cord Sauer 55 Kult-Kicker aus den 90ern vor – inklusive jede Menge Adler-Legenden. Wir haben mit Autor Thomas Poppe gesprochen.

Thomas, man sagt gerne, früher war alles besser, auch im Fußball. Was war denn nun wirklich besser als heute?
„Besser auf keinen Fall. Da waren noch echt viele Rumpelkicker am Werk. Gerade als Verteidiger waren da Jungs dabei, die haben nur Bundesliga gespielt, weil sie den besten Stürmer umknüppeln konnten. Die hatten teilweise mehr Bein- als Ballkontakte pro Spiel. Besser im Sinne von fußballerischer Qualität? Auf keine Fall – heute sind auch Abwehrspieler extrem gute Techniker. Besser im Sinne von geilen Typen – aber hallo!“

Wie ist bei euch die Idee eines Buchs über Kultkicker der 90er bei euch gereift?
„Die 90er sind wohl das verrückteste, aber auch das geilste Jahrzehnte der Bundesliga-Geschichte. So viele Typen, so viele Geschichten und eine Liga, die davor und danach nicht mehr so abwechslungsreich war und gleich fünf verschiedene Meister krönte. Als der riva-Verlag sich ein FUMS-Buch vorstellen konnte, war schnell klar, dass das eigentlich nur davon handeln kann.“

Was macht einen Kult-Kicker aus?

„Raucher und Raubeine“ heißt das erste Buch von FUMS.

„Alle Kult-Kicker haben eine Gemeinsamkeit: Sie haben in keine Schablone gepasst, wie es heute leider bei fast allen Profis der Fall ist. „Raucher und Raubeine“, das sagt schon auch viel über die Art, wie man sich dann so ein Image aneignen konnte. Ansgar Brinkmann hatte dieses Image des Kneipengängers, Edgar Schmitt wurde mit einem Viererpack gegen den spanischen Tabellenführer zur Legende und dann gab es natürlich noch diese krasse Fehleinkäufe, weil plötzlich Jungs aus aller Welt in die Bundesliga geholt wurden, aber professionelle Scouting-Strukturen noch nicht vorhanden waren. Da wurde viel auf Verdacht verpflichtet und es gibt legendäre Storys – natürlich auch im Buch.“

Heute sind die meisten Spieler in der Bundesliga glattgebügelt, hauen auswendig gelernte PR-Phrasen in Interviews raus. Sterben Kult-Kicker aus? Wen ihr ein Buch über Kult-Kicker der heutigen Zeit machen würdet, wer bliebe da noch?
„Die Zeit verzerrt da auch viel. Ich glaube Jungs wie Sandro Wagner wird man in 20 Jahren auch als Kult-Kicker abfeiern, während man sie heute für ihre offene Art eher belächelt oder beschimpft. Das Internet ist natürlich da auch kein Vorteil und dass dann noch Agenten und Berater hinter den Jungs stehen und ihnen Sätze hinlegen, die sie bei jedem Interview sorglos sagen können, killt dann den Rest. Heute werden die Spieler aus anderen Gründen Kult. Das ist auch ok so. Wie damals Ansgar Brinkman einen Clown mieten, der auf dem Rücksitz vom Auto Seifenblasen macht und damit durch die Stadt düsen, das geht heute einfach auch nicht mehr. Brinkmann hat das ja erst viel später erzählt – heute wären nach einer Stunden 40 verschiedene Videos davon online und er für den kommenden Samstag nicht im Kader.“

Jay-Jay Okocha war der Inbegriff von Fußball2000. Unvergessen sein Tor gegen Oli Kahn. Was machte ihn so besonders?
„Okochas Geschichte insgesamt ist besonders. Der wollte mit 17 eigentlich nur ein paar Monate Urlaub in Deutschland machen und schoss dann als Gastkicker die Oberliga kaputt. Am Ende stand der Trainer von Eintracht Trier im Trenchcoat und mit Zigarillo da und verpflichtete ihn. Es war Stepi und er nahm ihn direkt mit zur großen Eintracht. Auf dem Platz war Jay-Jay einfach eine Attraktion, aber eben nicht nur so ein One-Trick-Pony, der nur Show machte, sondern ein kluger Kicker mit einer Technik, die es damals eigentlich noch gar nicht gab. Hätte es den Beef mit Yeboah, Gaudino und Heynckes nicht gegeben, wäre da vielleicht ein erfolgreiche Ära über viele Jahre entstanden.“

Auch Ansgar Brinkmann spielt – zurecht – eine Rolle in eurem Buch. Er gilt als einer der letzten Typen der Bundesliga, reich an Skandalen und Geschichten. Gibt es eine Lieblingsgeschichte über den „weißen Brasilianer“, die in eurem Buch vorkommt?

Ex-Adler Ansgar Brinkmann (Mitte) – hier im Trikot von Dynamo Dresden – war einer der kultigsten Kicker der 90er.

„Als ich Ansgar mal im Interview hatte, fragte ich ihn, ob er mit Disziplin vielleicht noch mehr hätte erreichen können. Da sagte er „Einer von uns hat gegen Bayern gewonnen und du warst es nicht“ und dann wusste ich auch nicht mehr, was ich noch kontern soll. Das beschreibt ihn schon ganz gut. Geschichten gibt es ohne Ende, aber ich mag die aus seiner Bielefeld-Zeit gern, wo er sich in der Halbzeit nicht auswechseln lässt, der Trainer dann nachgibt und Ansgar drin bleibt. Und dann ein paar Minuten später mit Rot fliegt.“

Auf welche Ex-Adler und ihre Geschichten können sich die Leser eures Buchs sonst noch freuen?
„Jungs wie Ansgar Brinkmann und Edgar Schmitt hatten anderswo ihre größten Glanzzeit, aber waren auch Teil der Adler-Geschichte. Die Karriere von Rainer Rauffmann ist extrem geil, Axel Kruse kann auch was erzählen und Bachirou Salou darf sowieso nicht fehlen. Die Eintracht kommt natürlich aber auch immer wieder über Bande vor, weil die Geschichte anderer Kicker zwangsläufig auch Spiele gegen die SGE erlebt. Ein paar Jungs wollte wir uns auch noch aufsparen – vielleicht gibt es ja irgendwann Teil 2.“

 

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