Lucas Piazon (links) war vor zwei Jahren der Matchwinner in Hamburg.
Lucas Piazon (links) war vor zwei Jahren der Matchwinner in Hamburg.

Ob Alster, Elbe, die Speicherstadt, der Hafen oder das sündige St. Pauli bei Nacht. Die Hansestadt Hamburg ist für Touristen seit je her eine Reise wert und auch die Anhänger der Frankfurter Eintracht fühlten sich in der jüngeren Vergangenheit im hohen Norden besonders wohl. Seit dem Wiederaufstieg vor etwas mehr als vier Jahren ist die SGE gegen den HSV ungeschlagen und hat in dieser Zeit auch im Volksparkstadion regelmäßig ihre Punkte geholt. Ein souveräner 2:0-Erfolg in der Europapokaleinzugs-Saison, ein 2:1-Sieg unter Thomas Schaaf, ein 1:1-Unentschieden sowie ein torloses Remis in der Vorsaison stehen zu Buche.

Ich selbst hatte das Glück, beiden Siegen im jetzigen Volksparkstadion beizuwohnen und sie waren mir beide Male gleich eine doppelte Freude. Denn es ist inzwischen zu einer guten Tradition geworden, dass mein bester Freund Sören – seines Zeichens glühender Anhänger des Hamburger SV – und ich als Frankfurter gemeinsam zu den Duellen unserer beide Klubs reisen. Nun hat es sich in der Vergangenheit so entwickelt, dass diese Fahrten nach dem Abpfiff für mich regelmäßig zu einer guten Party avancierten, während Sören sich deprimiert Sorgen um den Klassenerhalt seines Bundesliga-Dinos machen musste.

Ein unvergesslicher Höhepunkt unserer gemeinsamen Trips – zumindest aus meiner Sicht – war der 2:1-Sieg der Eintracht im Herbst 2014. Die Hamburger hatten vor dem Duell mit der SGE am 6. Spieltag noch immer keinen eigenen Treffer erzielt, dafür aber bereits Trainer Mirko Slomka durch Josef Zinnbauer ersetzt. Dessen kurzes Hoch nach einem torlosen Remis gegen die Über-Bayern war vor dem Duell mit der Eintracht schon wieder verflogen. Die SGE hingegen kam unter dem neuen Coach Thomas Schaaf ordentlich in die Spielzeit und reiste ohne großen Druck in den Norden.

Den Druck hatte dafür ich, denn ich wollte mir nicht die Blöße geben, in Sörens Beisein Fan der ersten Mannschaft zu sein, die gegen den überaus harmlosen HSV verliert. Das Spiel entwickelte sich letztlich auf einem eher mäßigen Bundesliga-Niveau. Vieles ging über den Kampf. Hamburg versuchte einiges, die Eintracht stand kompakt, vertändelte aber ihre Konter. Erst mit dem Pausenpfiff war Neuzugang Haris Seferovic zur Stelle und netzte zum 1:0 ein. „Glück gehabt, es läuft“, dachte ich.

Leider war dieser Treffer des Schweizers noch längst nicht der Genickbruch für die zutiefst verunsicherten Hamburger. Sie kamen zurück und glichen in Person von Nicolai Müller aus (58.). Der erste Treffer der blinden Hamburger. „Natürlich ausgerechnet gegen uns“, war meine erste Reaktion. In der Folge war die Erleichterung der Hanseaten spürbar. Sie entfachten Druck, waren aber zum Glück spielerisch beschränkt. Ich erwischte mich dabei, wie ich immer wieder auf die Stadionuhr schaute und die Minuten runterzählte, während Sören berechtigte Hoffnungen auf den ersten HSV-Dreier der Saison hegte.

Kurz vor dem Ende wechselte Schaaf dann Lucas Piazon ein. Einen Spieler, den ich nach seinen ersten schwachen Auftritten im Adlerdress längst als Fehleinkauf abgestempelt hatte. „Nicht der auch noch“, fluchte ich zur Erheiterung der HSV-Anhänger um mich herum. In der 90. Minute gab es schließlich nochmal einen Freistoß aus knapp 30 Metern. Sören zuckte zusammen: „Oh nein, jetzt fällt es.“ Guter Freud wie ich bin, versuchte ich ihn zu beruhigen, denn ich sah, wer sich den Ball zurecht legte. „Bleib ruhig! Eh Piazon ein Tor schießt, friert die Hölle ein“, tröstete ich.

Wenige Augenblicke später sah ich den Ball von meinem Platz leicht erhöht hinter dem Tor direkt in den Winkel krachen. Wie in Trance fing ich an durchzudrehen. Die Zeit Sören zu trösten hatte ich jetzt natürlich nicht mehr. Stattdessen rannte ich die Treppe im Block wie ein Irrer hoch bis unter das Dach und ließ mich feiern, als ob ich selbst mit über 100 km/h eingenetzt hätte. Die Hamburger um mich herum brachen regelrecht zusammen und verließen alsbald das Stadion.

Sören ließ sich immerhin von meiner mitreißenden Art zu Feiern anstecken und hatte die späte Pleite zumindest äußerlich bald verdaut. Vor dem Stadion trafen wir dann noch einen alten Freund von mir, kippten ein paar kleine Schnaps und stürzten uns danach in das Nachtleben von St. Pauli. Was dann passierte, wird euch vielleicht eines Tages mal ein Reiseführer auf der Reeperbahn berichten. Dieses Spiel blieb auf jeden Fall bis heute eines meiner besten Eintracht-Erlebnisse. Und auch Sören erzählt die Geschichten dieses Tages noch immer mit Begeisterung. Schließlich hat ja der HSV trotzdem die Klasse gehalten.

Tore: 0:1 Haris Seferovic (44.), 1:1 Nicolai Müller (58.), 1:2 Lucas Piazon (90.).

Hamburger SV: Drobny – Westermann, Djourou, Cleber (90. Diekmeier), Ostrzolek, Behrami, Arslan (86. Jiracek), Müller, Holtby (86. Rudnevs), Stieber, Lasogga.

Eintracht Frankfurt: Wiedwald – Chandler, Russ, Anderson, Oczipka, Medojevic, Aigner (85. Piazon), Hasebe, Ignjovski (71. Inui), Meier, Seferovic (90. Madlung).

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1 Kommentar

  1. Der Moment, wenn Madlung beim Stand von 1:1 in der 90. Minute für einen Stürmer eingewechselt wird um noch den Siegtreffer zu erzielen 😉

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