Soeben ist die Biografie von Oliver Zils über Alexander Schur erschienen
Mitte Juli ist die Biografie von Oliver Zils über Alexander Schur erschienen (hier online bestellen)

Weitaus interessanter als der Gegenstand einer Biografie ist mitunter die Antwort auf die Frage, warum das Buch gerade jetzt auf den Markt kommt und was die dahinterstehenden Intentionen sein könnten. Die durchaus erfolgreiche Profikarriere von Alexander Schur wurde bereits vor zehn Jahren beendet und seine Trainerlaufbahn hat außerhalb des Juniorenbereichs noch nicht richtig Fahrt aufgenommen. Über die Gründe für den aktuellen Erscheinungstermin können wir nur spekulieren. Möglicherweise ist die Biografie in erster Linie der Sympathie und Bewunderung des Autors für „Schui“ geschuldet; bei der Lektüre des 288 Seiten umfassenden Werkes drängt sich aber zugleich der Verdacht auf, dass es durchaus auch als Katalysator für die künftige Karriereplanung des augenblicklichen U19-Trainers interpretiert werden kann.

Der Autor Oliver Zils, Geschäftsführer einer Kommunikationsagentur in Hofheim, greift zu einem Kunstgriff, der das ganze Projekt spannend, aber zugleich angreifbar macht: Er schreibt aus der Perspektive von Schur selbst und erweckt den Eindruck einer Autobiografie. Auch wenn das methodische Vorgehen offengelegt und erläutert wird, bleiben Irritationen nicht aus: Was ist die Meinung der früheren Nummer 24, was die Interpretation seines Biografen? Um es vorweg zu nehmen: Der gewählte Ansatz ist Stärke und Schwäche des Buches zugleich.

Zils nimmt die Ziffer „24“ wörtlich und gliedert das Buch in 24 Kapitel. Er geht dabei weder chronologisch noch systematisch vor, sondern versucht, für jedes Kapitel ein Leitmotiv zu entwickeln. So setzen sich Schur bzw. sein Biograf mit Themen wie „Heimspiel“, „Tore“ und „Fan sein“ auseinander; in zuweilen verschachtelten Bausteinen erschließen sich nach und nach Herkunft, Karriere und Einstellungen von Schur, der als Bundesligafußballer ein „Spätberufener“ war, aber wie kaum ein Zweiter zwischen 1996 und 2006 dem Spiel der Eintracht seinen Stempel aufdrückte.

Die aktive Laufbahn des gebürtigen Bockenheimers ist in mancherlei Hinsicht äußerst ungewöhnlich: Im Alter von 15 Jahren musste er sich eine Geschwulst im rechten Knöchel operativ entfernen lassen, was bis heute eine Bewegungseinschränkung zur Folge hat und auch seinen etwas eigenartigen Laufspiel erklärt. Nach seinen Anfängen beim VFR Bockenheim wechselte Schur 1988 zu Rot-Weiß Frankfurt, die in der Bezirks-Oberliga spielten. Während er eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolvierte, ging er – bereits 23 Jahre alt – zum FSV Frankfurt, der in die Zweite Liga aufgestiegen war. Nach einem Jahr am Bornheimer Hang und dem unmittelbaren Abstieg wurde er endlich ein Adlerträger und spielte 1995/96 für die Amateure der SGE in der Regionalliga. Am 17. November 1996 lief Schur zum ersten Mal für die Profis der Eintracht auf, die im Sommer zuvor nach 33 Jahren ununterbrochener Bundesligazugehörigkeit abgestiegen waren. Schur setzte sich in den ersten Monaten unter den Trainern Dragoslav Stepanovic und Horst Ehrmanntraut sogleich durch – unglücklicherweise hatte er aber mit dem FSV bereits einen Vorvertrag abgeschlossen, sodass die Eintracht ihn für 100.000 DM aus diesem Vertrag wieder herauslösen musste. „Schui“ war bereits 25 Jahre alt, als er bei der SGE zum Stammspieler heranreifte. Bis zu seinem Karriereende im Jahre 2006 absolvierte er 251 Pflichtspiele und erzielte dabei 23 Tore. Seitdem hat er bei den Hessen die Trainerlaufbahn eingeschlagen, war für die B-Junioren zuständig und ist aktuell Trainer der U19.

Oliver Zils und Alexander Schur
Oliver Zils und Alexander Schur

Schurs reichhaltige Erfahrung bietet ausreichend Stoff für Anekdoten und Insiderinformationen. Das Autorenduo geizt in dieser Biografie nicht mit Geschichten, die auch für Eintracht-Kenner bisher unbekannt waren. Instruktive Schilderungen von „Typen“ wie Ansgar Brinkmann, Thomas Reichenberger und Jens Keller entführen uns immer wieder in längst vergangene Zeiten. Ein Höhepunkt des Buches sind die besonders gelungenen Schilderungen über die zwölf Trainer, die Schur in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt erleben durfte. Nicht überraschend zollt er Ehrmanntraut und Jörg Berger besonderen Respekt, während Felix Magath und Friedhelm Funkel sehr ambivalent skizziert werden. Wer sich noch an die kurze Amtszeit von Martin Andermatt bei der SGE erinnert, bekommt interessante Belege für die Gründe, die zu der schnellen Trennung von dem Schweizer führten.

Im Zentrum des Buches stehen zwei Highlights im Sportlerleben des früheren Mittelfeldspielers: die Aufstiegssaison 2002/03, die mit dem zwischenzeitlichen Lizenzentzug und der Rettung in letzter Minute begonnen hatte und mit Schurs Kopfballtreffer in der Nachspielzeit gegen Reutlingen am 25.5.2003 endete. Viele fast vergessene Spielszenen mit Akteuren wie Dino Toppmöller, David Montero oder dem unvergleichlichen Jean Tsoumou-Madza werden in wunderbaren Erzählungen erneut zum Leben erweckt. Zum anderen lässt Schur die Deutsche Meisterschaft mit den B-Junioren 2009/10 ausführlich Revue passieren, den Triumph mit vielen talentierten Spielern, von denen mit Ausnahme von Sonny Kittel keiner den Durchbruch zu den Profis schaffte.

Eine Stärke entfaltet das Buch immer dann, wenn die frühere Nummer 24 Einblicke in die Spielerperspektive gewährt, sei es in der Kabine, im Verhältnis zu den Fans oder im Umgang mit Schmerzen und Verletzungen. Vor allem aber lernen wir Schurs Persönlichkeit kennen, der – mit technischen und kreativen Fähigkeiten keineswegs üppig ausgestattet – sich seine Karriere als Profispieler mühsam erarbeiten musste, kämpferisch immer an die Grenze der Belastbarkeit gehen und dabei auch Widerstände in den eigenen Reihen überwinden musste: An mehreren Stellen der Biografie wird unmissverständlich ausgeführt, dass Schur von Heribert Bruchhagen wenig Rückendeckung erwarten durfte.

Alex Schur und Oka Nikolov im Jahre 2003
Alex Schur und Oka Nikolov im Jahre 2003

Problematisch an dem Buch ist, dass an der einen oder anderen Stelle der Duktus des Biografen dominiert, der die Geduld des Lesers Leser mit Alltagsweisheiten („Der Kopf ist der prägendste Körperteil“) und sprachlichen Verkürzungen („Charakter entsteht“) strapaziert. Enttäuschend sind auch die Passagen, die sich mit Spielphilosophie und -taktik beschäftigen („Das Geheimnis des Spiels“). Die bemüht anmutenden Beschreibungen, ein Spiel „lesen“ zu können und der 2Unmöglichkeit, das Spiel zu kontrollieren“, erwecken beim Leser den Eindruck, als handele es sich um die spröde Bewerbungsmappe eines arbeitslosen Trainers. Außer einigen Beispielen von Schurs Personal- und Gesprächsführung und der Betonung unerlässlicher Basics wie Kampf, Leidenschaft und Teamfähigkeit erfahren wir wenig von dem „System Schur“, das er seinen Spielern mit auf den Weg geben will. Zum Glück sorgt die Unterteilung in 24 Kapitel dafür, dass schwächere Passagen alsbald von stärkeren abgelöst werden. Grundsätzlich wäre es begrüßenswert gewesen, wenn das Autorenteam dem vorherrschend dokumentarischen und zuweilen lehrbuchartigen Schreibstil eine ironische, den Gegenstand distanziert betrachtende Note hinzugefügt hätte.

1
2
- Werbung -

1 Kommentar

  1. Schui, definitiv eines unserer Urgesteine. Für ihn melde ich mich sehr gerne nochmals zu Wort. Ein Vorbild auf dem Platz, kämpferisch, nie aufgebend, mitreißend, unter den Fans einer von ihnen, offen und auch hier absolut sympathisch. Gegensätzliche Wahrnehmungen, Erlebnisse habe ich nicht. Danke Schui, du hast verkörpert, wie toll die Eintrachtfamilie sein kann.

    Bruchhagen war nie sein größter Fürsprecher, im Gegenteil hatte er ihn mitunter öffentlich brüskiert. Wer erinnert sich noch an die unangebrachten öffentlichen Aussagen Bruchhagens nach einem Platzverweis gegen Alex vor langer, langer Zeit in der 2. Liga in Saarbrücken. Gut für Herry, dass er nicht öfters mit der ihm eigenen Härte und Arroganz angegriffen wurde, da hätte er möglicherweise überzogen empfindlich reagiert. Ob er dann ähnlich souverain wie Schui gewesen wäre…

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -