Eintracht Frankfurt hat die ersten neun Pflichtspiele der neuen Saison hinter sich. Der DFB-Pokal wurde souverän überstanden, in der Bundesliga stehen nach sechs Spielen solide, aber nicht begeisternde Resultate und in der Champions League wechselten sich Euphorie und Ernüchterung in kürzester Zeit ab. Zeit für eine erste Bilanz: Wo steht die Eintracht wirklich? SGE4EVER.de hat den bisherigen Saisonstart noch einmal für euch analysiert:
Offensiv endlich wieder mit Ideen – die jungen Wilden zünden
Was in der vergangenen Saison teilweise noch Mangelware war, scheint nun zumindest teilweise zurück: Mut, Tempo und Kreativität im letzten Drittel. Besonders die Entwicklung von Can Uzun und Farès Chaïbi, aber auch Jean-Matteo Bahoya sorgt für frischen Wind im Offensivspiel. Uzun wirkt, als hätte er die Champions-League-Bühne seit Jahren gebucht, technisch stark, mutig, mit klaren Entscheidungen und einer erstaunlichen Reife. Zudem unfassbar stark im Abschluss und auch fleißig beim Sammeln von Assists. Auch Bahoya bringt endlich jene Unberechenbarkeit, die dem Frankfurter Spiel so lange fehlte. Burkardt, zu Beginn noch nur ein Hoffnungsträger, kommt langsam an. Er läuft viel, öffnet Räume, arbeitet gegen den Ball und wird zunehmend in die Abläufe eingebunden. Noch fehlt die Selbstverständlichkeit vor dem Tor, aber die Dynamik stimmt. Zudem erarbeitet er sich allmählich auch das nötige Spielglück und ist endlich auch an Toren beteiligt. Die Eintracht hat in der Offensive wieder Spieler, die Unterschiedsmomente erzeugen können, aber diese Offensivpower birgt auch Gefahren.
Die Kehrseite: zu offen, zu wild, zu leicht zu knacken
So ansprechend die Offensive phasenweise agiert, so offen präsentiert sich die Defensive. Die SGE stellt nach den ersten sechs Ligaspielen die schwächste Abwehr der Bundesliga und auch international war das 1:5 in Madrid ein schmerzhafter Fingerzeig. Noch gravierender: Das 3:4 gegen Union Berlin, ein Spiel, das symptomatisch für die Saison steht. Immer wieder verliert die Mannschaft die Kontrolle über Rhythmus und Raum. Toppmöllers mutiger Ansatz hoch stehen, früh pressen, aktiv agieren, verlangt nach Präzision und Balance, die aktuell schlicht fehlt. Das Team wirkt phasenweise überfordert, wenn es den Ball verliert. Die Abstände zwischen Mittelfeld und Abwehr sind zu groß, die Rückwärtsbewegung zu zögerlich. Gegner kommen zu leicht in gefährliche Zonen. Der Wille, dominant aufzutreten, ist da, die defensive Reife dafür noch nicht.
Kaderplanung mit Lücken – fehlende Alternativen rächen sich
Die Probleme sind nicht nur taktischer Natur, sondern auch strukturell. Der Ausfall von Rasmus Kristensen hat ein Vakuum hinterlassen, das weder personell noch systematisch geschlossen wurde. Es fehlt ein verlässlicher Ersatz in der Innenverteidigung, jemand, der Arthur Theate und Robin Koch auch intern Druck macht. Beide stehen aktuell sinnbildlich für das defensive Wanken, formschwach, oft fehlerhaft im Stellungsspiel, selten mit echter Präsenz. Ebenso deutlich wird das Fehlen eines echten Sechsers. Ellyes Skhiri ist ein laufstarker Arbeiter, aber kein klassischer Abräumer, der dem Team in Phasen des Drucks Stabilität gibt. Diese Rolle kann auch Hugo Larsson nicht einnehmen. Toppmöllers 4-2-3-1-System gerät dadurch leicht aus der Balance, wenn der Gegner Tempo aufnimmt oder die Eintracht selbst zu hoch steht. Und vorne? Burkardt kämpft, doch hinter ihm klafft eine Lücke. Elye Wahi bleibt ein Dauerthema, viel Potenzial, aber wenig Verlässlichkeit und Michy Batshuayi ist keine echte Konkurrenz. Ein zweiter, robuster Stürmer, der sowohl im Pressing als auch als Zielspieler funktioniert, fehlt weiterhin.
Zwischen Lernprozess und Anspruch – wohin führt der Weg?
Das Spannungsfeld zwischen Entwicklung und Ergebnis wird für Toppmöller zur größten Herausforderung. Er hat die Mannschaft spielerisch verbessert, keine Frage, doch der Preis dafür ist hoch. Wer mutig nach vorne spielen will, muss defensiv abgesichert sein. Das ist die Eintracht derzeit nicht. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob der Trainer in der Lage ist, die Balance zu finden, die seinem Ansatz Stabilität verleiht. Fest steht: Die Qualität im Kader ist vorhanden, das Talent im Offensivbereich beeindruckend, doch ohne Struktur im Rückraum droht aus dem Aufbruch schnell ein Rückschritt zu werden. Die Eintracht steht an einem Scheideweg zwischen Entwicklung und Ergebniskrise.
Ein persönliches Wort zum Abschied
Viele von euch werden sich vielleicht gefragt haben, warum es in letzter Zeit keine Analysen von mir auf SGE4EVER.de gab. Der Grund ist einfach und fällt mir doch schwer zu schreiben: Nach über neun Jahren werde ich die Redaktion schweren Herzens verlassen. Beruflich kann ich die Zeit und die Intensität, die jede Analyse verdient, nicht mehr so aufbringen, wie ich es mir selbst immer als Anspruch gesetzt habe. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei euch bedanken, für die vielen spannenden, leidenschaftlichen und manchmal auch kontroversen Diskussionen unter meinen Texten, für das Feedback, das Lob, aber auch die Kritik, die mich oft weitergebracht hat. Es war eine großartige Zeit, die ich nicht missen möchte. Ganz verschwinden werde ich aber sicher nicht, vielleicht melde ich mich irgendwann mit einer Gastanalyse zurück.
Bis dahin bleibt mir nur zu sagen: Danke euch allen und natürlich: Nur die SGE!
4 Kommentare
Laura geht, das ist absolut schade.
Laura's Kommentare waren kompetent, objektiv, punktgenau, analytisch und erfrischend offen. Sie wird sehr vermisst werden. Es bleibt leider nur noch, ganz lieben Dank zu sagen. Alles Gute für ihren weiteren Weg, beruflich und darüber hinaus.
Kann ich mich nur anschließen. Danke Laura für deine tollen Analysen und dir alles gute, lass was hören und bleib immer unserer Eintracht treu.
Danke Laura...einmal Adler...immer Adler! 🦅
Auf wiederkäuen Laura, eine der besten geht…mach’s gut!
Du musst eingeloggt sein, um einen Kommentar zu schreiben.