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Bruchhagen

TV-Gelder-Verteilung: Heribert Bruchhagen gibt den Kampf auf

Heribert Bruchhagen, der sein Amt als Vorsitzender Ligaverbandes zum 1. Juli 2015 niederlegt, hat bei einer Diskussionsrunde mit Carsten Carmer (Direktor Marketing bei Borussia Dortmund) und Peter Rettig (Geschäftsführer bei der TSG Hoffenheim) auf dem SPONSORS Sports Media Summit in Köln erneut vor einer “weiteren Spreizung” bei der Verteilung der TV-Gelder gewarnt. Sollte sich die Entwicklung der vergangenen Jahre forsetzen, werde die “Bundesliga einen Gesamtschaden nehmen“, wie der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt laut Kicker prophezeit. Es ist ein heikles Thema, dass den 66jährigen permanent antreibt. Aktuell steckt die Deutsche Fußball Liga schon in der Vorbereitung für die Ausschreibung der Bundesliga-Medienrechte ab 2017/18. Die Profivereine hoffen darauf, dass die Einnahmen signifikant gesteigert werden können. Im aktuellen Vierjahreszyklus kassieren die Clubs pro Saison im Schnitt 628 Millionen Euro, 2016/17 gibt es 673 Millionen Euro.

Doch Bruchhagen ist mit dem aktuellen Verteilungsschlüssel nicht zufrieden und plädiert für eine Neu-Definition der Kriterien. “Ich möchte darauf hinweisen“, so der Ostwestfale, “dass wir in eine gefährliche Situation laufen, wenn das sportliche Ranking im Grunde vorgegeben ist.” Aber geht es überhaupt gerechter? Welche Faktoren, außer den sportlichen, können überhaupt Berücksichtigung finden? Dürfen Einschaltquoten, Fanaufkommen oder Relevanz der Vereine eine Rolle spielen? Der Vorstandschef der Hessen würde diese Fragen allesamt mit “Ja” beantworten. “Ganz sicher ist eins: Die vollen Stadien spielen auch eine Rolle. Eintracht Frankfurt schöpft in jedem Auswärtsspiel das Kartenkontingent aus, das dem Verein zusteht“, erklärt Bruchhagen. “Es fahren 7.000 Anhänger nach Berlin, 5.000 nach Schalke und 8.000 nach Dortmund. Diese Dinge müssen gewürdigt werden. Es gibt Parameter, die neben der sportlichen Leistung berücksichtigt werden müssen.” Eine Spitze in Richtung Niedersachsen konnte sich der “Robin Hood” der Bundesliga nicht verkneifen: “Der VfL Wolfsburg hat 156 Karten bei uns geordert. Die gewinnen gegen Bayern München und kommen samstags drauf dann mit 156 Fans zu uns.” Auch wenn man Bruchhagen korrigieren muss, da der Verein aus der Autostadt dienstags kam, stimmt es im Kern. Partien gegen die Werksklubs aus Leverkusen oder Wolfsburg sind nur selten ausverkauft, die Gästeblöcke meist nur zur Hälfte (oder nicht mal das) gefüllt.

BruchhagenFür die meisten Vereine sind die nationalen TV-Gelder, auch in Zeiten von Investoren, strategischen Partnerschaften und internationalen Geldern, noch immer die wichtigste Einnahmesäule. Aktuell liegt das Verhältnis der ausgeschütteten Prämien zwischen dem Erst- und Letztplatzierten bei 2:1. Konkret: Während der FC Bayern München 37,236 Millionen Euro erhält, bekommt der SC Paderborn 18,618 Millionen Euro. Carmer und Rettig gehen diese Frage deutlich unaufgeregter an. Der Marketingdirektor der Dortmunder erklärte, dass sein Verein “relativ unaufgeregt und ergebnisoffen” diskutiere. “Wir sind in einem Prozess, in dem wir sagen: Es gibt sicherlich ein paar Stellschrauben, über die man reden sollte.” Als Beispiel nennt Cramer das Mitbewerten von qualitativen Merkmalen zursätzlich zur sportlichen Performance. Somit könnte die Bedeutung und Relevanz eines Klubs noch stärker betont werden. Der Hoffenheimer Geschäftsführer Rettig hingegen spricht sich deutlich für das “Leistungsprinzip” aus und möchte das jetzige Modell Beibehalten. Es sei “sehr sinnvoll und zielführend. Wenn wir erreichen wollen, dass die Bundesliga im nationalen Wettbewerb attraktiv und international wettbewerbsfähig bleibt, dann hat sich das aktuelle Verteilungssystem bewährt. Ich wäre sogar eher bereit, das sportliche Prinzip noch stärker ins Zentrum zu nehmen.” Die “Leistungsdichte” in der Liga sei sehr hoch, auch deswegen, weil die Bundesliga diesen Verteilungsschlüssel habe.

Aber ist sie enn wirklich so hoch? Der letzte deutsche Meister, der erst am 34. Spieltag gekürt wurde, war der VfL Wolfsburg nach der Spielzeit 2008/09. Seitdem teilten sich der FC Bayern München und Borussia Dortmund die letzten sechs Titel und durften immer frühzeitig feiern. Rettig aber rückt den Blick weg vom Titelkampf und blickt vor allem darauf, “dass Vereine wie der FC Augsburg vorne mitspielen” könnten, “und dass es einen Großen erwischen kann, der gegen den Abstieg spielt.” Doch ist das die Spannung, die Millionen von Menschen an die TV-Geräte lockt? Interessiert es die Fans in Asien, Süd- oder Nordamerika wirklich, wenn Dortmund und der SV Werder Bremen am letzten Spieltag um den 7. Rang kämpfen? Wie hat es die Anhänger damals elektrisiert, als München und Leverkusen 2000 oder die Bayern und Schalke 2001 bis zuletzt ein spannendes Titelrennen austrugen? Es sind Relikte aus längst vergessenen Zeiten, als es noch möglich war, dass Oliver Kahn, Lothar Matthäus und Co. auch einmal 5:1 bei den Königsblauen verlieren konnten. Oder die Eintracht im Olympiastadion einen 2:1 Sieg mitnehmen konnte.

Inzwischen kann die Tabelle vor dem 1. Spieltag schon ungefähr zusammengesetzt werden. Mit wenigen Ausnahmen landen alle Clubs dort, wo man sie auch ungefähr angesiedelt hat. Allerdings legt Cramer den Finger in die Wunde: “Wir werden die Bundesligatabelle durch eine etwas andere Justierung nicht großartig beeinflussen können.” Das sieht auch Bruchhagen ein. Dennoch bereitet es dem Vorstandschef große Sorgen, wenn er sieht, dass der deutsche Rekordmeister scheinbar mühelos Mario Götze und Robert Lewandowski von Borussia Dortmund verpflichten kann: “Dass der Branchenführer dem Branchenzweiten beliebig die Spieler wegnehmen kann, ist ein Ergebnis der internationalen Gelder – aber auch der Spreizung der nationalen Gelder.” Doch mit dieser Meinung stand Bruchhagen im DFL-Germium ziemlich alleine dar – und zog, wie oben bereits erwähnt, mit seinem Rücktritt die Konsequenzen.

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3 Kommentare

Fallback Avatar 1. Adlerherb 18. Mai 15, 14:17 Uhr

unser Robin Hood vom Sherwood Stadtwald :-) ... der den Reichen nimmt und den Armen gibt

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Fallback Avatar 2. dieter 18. Mai 15, 14:26 Uhr

HB war immer ein offener Kämpfer für seine Überzeugungen. Warum sollte sich das im 66.Lebensjahr jetzt plötzlich ändern und er so einfach die Flinte ins Korn werfen ? Kann ich mir nicht vorstellen. Da sind wieder Dinge hinter den Kulissen, von denen wir erst später etwas erfahren werden.

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Fallback Avatar 3. Christopher 18. Mai 15, 14:41 Uhr

@dieter: Wenn man seit Jahrzehnten kämpft und immer wieder merkt, dass man keinen Schritt weiter kommt, dann zieht man eben irgendwann die Konsequenzen. Auch ein Heribert wird nicht jünger und sich vielleicht jetzt auch überlegen, ob das alles noch Sinn macht. Wenn ihm offen signalisiert wurde, dass sich auch bei den nächsten Verhandlungen am Verteilungsschlüssel nichts ändern wird, kann ich diesen Rücktritt voll und ganz nachvollziehen.

Aber ich bin mir auch sicher, dass da noch einige Sache im nachhinein angeschnitten werden, die jetzt noch unter Verschluss bleiben.

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