40 Jahre beim SV Werder Bremen, davon 5119 Tage als Trainer der Grün-Weißen. Und jetzt kommt es am Sonntag zu diesem emotionalen Duell für Thomas Schaaf, der seit diesem Sommer das Zepter bei der Frankfurter Eintracht schwingt. “Es ist insofern besonders, weil ich zum ersten Mal mit meiner neuen Mannschaft gegen den Verein spiele, für den ich sehr lange gearbeitet habe“, gibt der Übungsleiter im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zu. Aber auch wenn er viele alte Gesichter wiedertreffe, bereite er sich auch auf diese Aufgabe, wie auf jede andere, vor. Nein – ein Lautsprecher war der gebürtige Mannheimer noch nie – und er wird es auch nicht mehr werden. Ruhig, sachlich und immer realistisch – das zeichnet ihn aus. Deshalb habe er auch keine Probleme mit dem Wechsel an den Main gehabt. “Also, für mich war es keine Umstellung, weil man ja seine Art und Weise hat zu arbeiten. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es mit 100 Prozent, mit bedingungsloser Hingabe.” Eine Einschätzung, die sicherlich viele Beobachter teilen können. Schaaf kam schneller und besser in Frankfurt an, als man es erwartet hätte. Statt knorrig und kauzig, wie man ihn meist in den Interviews bei seinem alten Arbeitgeber wahrnahm, trat er nun offen, kommunikativ und höchst verbindlich auf. Er nahm Fans und Journalisten bei jedem Schritt, den er mit der Mannschaft ging, mit und blieb auch in den harten Wochen, als fünfmal am Stück verloren wurde, wohlwollend ruhig.
Immer wieder betont der erfahrene Cheftrainer, wie wichtig es für ihn sei, analytisch vorzugehen und die Emotionen aus dem Spiel zu lassen. Für diese sei das Umfeld da. “Das ist gut so, davon leben wir, es ist ganz wichtig, mit der Eintracht zu leben“, will der 53-Jährige diese Tatsache überhaupt nicht missen. Aber das es auch mal schlecht laufen und die Emotionen umschlagen könnten hat der Coach vor dieser Spielzeit in seine Überlegungen realistischerweise einfließen lassen. “Für mich war klar, dass es unterschiedliche Phasen geben wird in dieser Saison, wo mal etwas besser läuft, es aber auch mal schwieriger ist, wo man Geduld haben muss, nicht unruhig werden darf. Mit Emotionen ist das schwierig.” Äußerungen, mit denen sich Schaaf klar von seinem Vorgänger Armin Veh abhebt. Während der ehemalige Trainer der Hessen immer wieder via Medien Druck aufbaute oder laut polterte, nutzt der neue Übungsleiter andere Methoden. Auch Mitte Juli, als sich noch nicht erahnen ließ, mit welcher Mannschaft die Eintracht überhaupt an den Start gehen wird, hörte man vom Familienvater keinerlei Unmutsäußerungen. Daher spielte es für Schaaf bei seiner Jobsuche keine Rolle, wie emotional er noch an Bremen hängen könnte. “Ich bin ganz im Reinen damit, was Werder Bremen und meine Person angeht. Da ist nichts hängengeblieben.” Trotzdem habe er sich einfach mal Zeit nehmen und sondieren müssen, welcher Schritt der nächste sein könnte. “Da gab es Gedanken in alle Richtungen. Ich hatte in der Situation Angebote von überall. Angefangen von meiner Frau, die gesagt hat, du kannst auch hier bleiben …” Ein Karriereende war aber wohl eher keine Alternative für den Trainer.
Am Sonntag trifft Schaaf deshalb jetzt auf seinen ehemaligen langjährigen Arbeitgeber. Und damit auf seinen “Klon” – Viktor Skripnik. Vor fünf Wochen übernahm der Ukrainer das Ruder und ersetzte Robin Dutt, der im Mai 2011 seinerseits Schaaf ersetzte, meistens aber glücklos an der Weser agierte. Zwar gelang letzte Saison der Klassenerhalt, die Defensive konnte aber nie stabilisiert werden. Unter Skripnik hat sich dies geändert. Der 44-Jährige brachte neuen Schwung ins leblose Spiel der Hanseaten, die unter seiner Ägide drei von vier Partien siegreich gestalten konnten – zufällig erwischte Schaaf, der ihn fünf Jahre lang trainierte, im Mai 1999 genau dieselbe Startpunktzahl wie sein ehemaliger Spieler heute. Der Frankfurter Coach traut dem Ukrainer, der ebenso wie Schaaf in der Defensive agierte, durchaus zu, ein guter und erfolgreicher Übungsleiter werden zu können. Die Frage, wie viel Schaaf denn nun in Skripnik stecke, will der erfahrene Trainer aber nicht beantworten: “Das weiß ich nicht. Es gibt einen Thomas Schaaf, und es gibt einen Viktor Skripnik. Und das ist auch gut so.”
Der Fokus richtet sich jetzt auch nicht mehr auf das Drumherum, sondern ganz gezielt auf die Partie am Sonntag. Nach zwei tollen Siegen gegen die beiden Borussenmannschaften aus Gladbach und Dortmund, kann nun mit einem Dreier gegen die Werderaner ein ganz großer Schritt in Richtung gesichertes Mittelfeld getätigt werden. Die zarte Euphorie, die nach unerwarteten 6 Punkten wieder geweckt wurde, könnte die Hessen wohl danach noch einige Zeit weiter tragen. Das Horrorszenario, welches vor drei Wochen noch so realistisch erschien, wurde abgewendet – Bruno Hübner befürchtete damals, dass die Eintracht möglicherweise als Tabellenletzter in dieses wegweisende Duell stolpern könnte. Fünf Treffer und zwei Siege haben jetzt erstmal für viel Ruhe im Umfeld der Frankfurter gesorgt. Die Mannschaft und der Trainer haben die Kurve bekommen, sind näher zusammengerückt, haben miteinander gesprochen und sich so ganz schnell der größten Probleme entledigt. Die Bühne ist also frei für das Duell gegen Schaafs Ex-Verein – und den Lieblingsgegner der Frankfurter Neuzeit! Man muss schon einige Jahre in der Geschichte zurückblicken, um ein Duell zu finden, in welchem die Eintracht die unterlegene Mannschaft war. In der Saison 2008/09 gewann Werder Bremen beide Partien mit 5:0 gegen die damals noch von Friedhelm Funkel trainierte Truppe. In den letzten acht Begegnungen holten die Hessen dann bei vier Siegen und eben so vielen Unentschieden jedoch starke 16 Punkte! Ein weiterer Dreier und die Emotionen werden wohl wieder überschwappen im Umfeld der Hessen.
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