Relegationsspiele sind nichts für schwache Nerven. In zwei Partien können die beteiligten Vereine alles gewinnen oder alles verlieren. Die Arbeit einer ganzen Saison steht auf dem Spiel. Für den Erstligisten ist die Relegation unter dem Strich aber mehr Chance als Strafe. Trotz eines schwachen Jahres besteht schließlich die Möglichkeit, die Klasse noch zu halten und somit den totalen GAU abzuwenden.
Und noch eine Chance bieten die Überstunden in der Relegation. Mitunter trifft man dort nämlich auf interessante Spieler, die zuvor noch nicht so richtig auf dem Radar der eigenen Scouts aufgetaucht waren. So geschehen in den Relegationsspielen der Saison 1988/89, als die Frankfurter Eintracht auf den 1. FC Saarbrücken und einen gewissen Anthony Yeboah traf.
Als Europacup-Anwärter in die Saison gestartet, herrschte im ersten Jahr nach dem DFB-Pokal-Sieg 1988 am Main das völlige Chaos. Zwei Trainer mussten gehen, auf der Jahreshauptversammlung kam es zu Handgreiflichkeiten, Manager Jürgen Friedrich kündigte seinen Rückstritt an und erst durch ein 1:1-Unentschieden am letzten Spieltag bei Hannover 96 – Charly Körbel erzielte den Treffer – erreichten die Hessen mit Müh und Not überhaupt noch die Relegation.
Dort wartete mit Saarbrücken eine Mannschaft, die in Liga 2 bereits abgeschlagen zu einer Aufholjagd ansetzte und ebenfalls auf den letzten Drücker die Relegation buchte. Das Hinspiel in Frankfurt gewannen die Frankfurter nach überaus hart geführten 90 Minuten mit 2:0. Jörn Andersen und Manfred Binz trafen. Von Yeboah war bis auf eine Kopfballchance nicht viel zu sehen. Verteidiger Dietmar Roth nahm den Ghanaer in Manndeckung und erledigte seinen Job gewohnt zuverlässig.
Anders sah es im Rückspiel aus. Vor eigenem Publikum warfen die Saarbrücker alles in die Waagschale und stellten die Frankfurter in Abschnitt eins vor große Probleme. Vor allem Yeboah war für Roth nie in den Griff zu bekommen. Zudem kassierte der SGE-Verteidger früh im Spiel eine Gelbe Karte und musste fortan mit angezogener Handbremse spielen. Gegen den bulligen Yeboah eine denkbar schlechte Voraussetzung, sodass Trainer Jörg Berger reagierte und Körbel an den Torjäger stellte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Yeboah allerdings schon einmal eingenetzt und die Saarländer in Führung gebracht. Kurz vor der Pause verhinderte Körbel auf der Torlinie das 0:2. Die Eintracht wankte förmlich in die Kabine.
Erst in Durchgang zwei fand der Bundesligist zu seiner Überlegenheit des Hinspiels zurück und traf alsbald nach einem Freistoß von Frank Schulz (51.) zum beruhigenden Ausgleich. Die von Klaus Schlappner trainierten Saarländer waren nun längst nicht mehr so stark wie noch vor der Pause, sorgten in der Schlussphase aber dennoch erneut für Spannung. Wieder war Yeboah durch – Bewacher Körbel war ausgerutscht – und traf zum 1:2 aus Frankfurter Sicht. Ein weiterer Treffer des Zweitligisten hätte ein Wiederholungsspiel bedeutet, doch dazu kam es nicht. Die Eintracht brachte das Ergebnis über die Zeit und entging knapp ihrem ersten Abstieg.
Knapp ein Jahr später erinnerte sich das Management der Eintracht dann an den bulligen Stürmer aus Saarbrücken zurück und verpflichtete Tony Yeboah für die SGE. Er entwickelte sich zum vielleicht besten Torjäger der Vereinsgeschichte, gewann zweimal die Torjägerkanone und erzielte in 123 Spielen 68 Treffer im Trikot der Eintracht. Wer weiß, ob Yeboah ohne die Relegation, je den Weg nach Frankfurt gefunden hätte.
2 Kommentare
"Mitunter trifft man ... auf interessante Spieler, die zuvor noch nicht so richtig auf dem Radar ... waren."
Irgendwann am hellichten Tage im Eingangsbereich des Kaufhofs auf der Zeil. Der erste Gedanke über die dort herumlungernde Gruppe Schwarzafrikaner/innen mit Anhang: Was machen denn die ganzen Neger hier, hoffentlich gehen die auch mal was schaffen. Dann der Blick auf das Plakat zur gerade beendeten Autogrammstunde mit Yeboah und Okocha...
Gott sei Dank steht unter dem Foto, dass der rechte der beiden Yeboah ist. Ich war ganz kurz am Zweifeln :-D
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