Heribert Bruchhagen war für seine Warnungen vor einer Zementierung der Liga bekannt.
Heribert Bruchhagen war für seine Warnungen vor einer Zementierung der Liga bekannt.

Als Fredi Bobic am 1. Juni dieses Jahres seine Arbeit als Sportvorstand anging, endete in Frankfurt eine Ära. Denn mit seiner Verpflichtung wurde Heribert Bruchhagen abgelöst, der zuvor mehr als 13 Jahre die Geschicke des Traditionsvereins lenkte. Der heute 68-Jährige entwickelte den Klub von der „Diva vom Main“ hin zum strukturierten, seriös geführten Klub. In einem Gespräch mit „flw24.de“ ging der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Eintracht auf seine letzte Saison, die letzten Trainer seiner Zeit in Frankfurt und seinen Nachfolger Fredi Bobic ein.

Gleich zu Beginn des Interviews stellte Bruchhagen klar, dass er seine letzte Saison bei der Eintracht nicht als „Katastrophensaison“ werte, jedoch eingetretenen war, wovor er immer gewarnt hat: dass die SGE ganz schnell in den Abstiegsstrudel geraten könne. „Es ist genau das passiert, wovor ich immer wieder gewarnt habe. Grundsätzlich spielen acht bis zehn Vereine in der ersten Liga gegen den Abstieg. Neben Stuttgart, Hamburg oder dem SC Freiburg ist die Eintracht auch dabei“, so der 68-Jährige. Tatsachen wie die Formschwächen der Stürmer oder die lange Verletzung von Alex Meier hätten ihren Teil zur schwachen Saison beigetragen. Bruchhagen sieht in der vergangenen Spielzeit auch eine Untermauerung seiner These der Dreiklassengesellschaft der Liga. Er betonte, dass er wisse, dass sein direkter Umgang damit nicht jedem gefalle und manche Experten nicht der gleich Meinung seien wie er. Die „drei Klassen“ der Bundesliga teilen sich nach Bruchhagens Meinung wie folgt auf: Der FC Bayern München stelle eine eigene Klasse dar, der gebürtige Nordrhein-Westfale ist sich sicher, dass an den Münchenern auch in den kommenden Jahren im Bezug auf die deutsche Meisterschaft kein Weg vorbei führen wird. Danach kommen finanzstarke Traditionsklubs, wie zum Beispiel Borussia Dortmund, der FC Schalke 04 oder mittlerweile auch Borussia Mönchengladbach, die gemeinsam mit den Werksklubs aus Wolfsburg, Leverkusen und mittlerweile auch Leipzig die zweite Klasse bilden. Die dritte Klasse wird von der restlichen Liga gebildet. Bei diesen Vereinen ist laut Bruchhagen jede Spielzeit sehr viel möglich: „Und dann kommt der Rest der Liga, und hier ist alles möglich, inklusive schöner und schlimmer Überraschungen für die Beteiligten. Sowohl kann sich der SC Freiburg für Europa qualifizieren als auch der VfB Stuttgart absteigen.“ Dies könne man auch an seinem „Herzensverein“, der Eintracht sehen. „Zwei Europapokalteilnahmen stehen zwei Abstiege zwischen 2004 und 2011 entgegen. Man muss mit allem rechnen – aber die Champions League oder gar die Meisterschaft sind realitätsferne Träume“, so Bruchhagen.

Kein Zweifel besteht daran, dass Bruchhagen die Realität stets im Vordergrund hielt. Er wird daher auch nicht müde zu betonen, dass der Klassenerhalt und die Ligazugehörigkeit ein Erfolg für die SGE seien. Dabei müsse man auch die finanziellen Gegebenheiten beachten. Seine Arbeit in Frankfurt habe er daher immer nach zwei Fragen ausgerichtet: „Was ist möglich? Was ist vernünftig?“ Bruchhagen ist sich sicher, dass dieser Weg der richtige war und auch sein Nachfolger Fredi Bobic diesen Leitfragen nachgehen werde.

Etwas emotionaler wurde Bruchhagen dagegen bei den Fragen nach zwei Trainern,die das Ende seiner Amtszeit prägten: Thomas Schaaf und Armin Veh. Vor allem die – am Ende sportlich gescheiterte – Rückholaktion von Veh verteidigte er vehement und stellte klar, dass es nicht nur seine Idee war: „Von der Idee, Armin Veh zurückholen, waren alle im AG-Vorstand und im Verein überzeugt! Alle wollten ihn zurück.“ Veh, der zurzeit hauptsächlich im „Sport1-Doppelpass“ als Experte zu sehen ist, habe es nicht mehr geschafft ein Team zu bilden, wie er es in seiner ersten Amtszeit in Frankfurt von 2011-2014 gemeistert habe. Vor allem gegen Ende der Trainerzeit von Veh wurde dem 55-Jährigen Arroganz und lasche Trainings vorgeworfen. Bruchhagen widersprach diesen Vorwürfen energisch. Außerdem gab er selbstkritisch zu, dass nicht nur Veh, sondern auch eher und viele andere kollektiv versagt hätten und ratlos waren. Trotz des sportlichen Misserfolges lobte Bruchhagen auch das Verhalten Vehs bei der Trennung der Parteien. Hierbei war Veh wohl die treibende Kraft: „Und dann kam Armin im März auf uns zu und hat angeboten, seinen Posten zur Verfügung zu stellen – im Sinne der Eintracht.“ Bruchhagen nennt dies einen „großen Zug“ des gebürtigen Augsburgers, der damit sein Verantwortungsbewusstsein bewiesen habe. „Er ist mir und der Eintracht ein Freund geworden und geblieben – und ein sehr guter Trainer“, so der 68-Jährige.

Kritischer wird Bruchhagen allerdings bei dessen Vorgänger Thomas Schaaf. Hier betonte er, dass auch dessen Abschied nicht von der SGE ausging: „Thomas Schaaf, und das betone ich, hat seinen Vertrag Ende Mai 2015 nach Abschluss der Serie bei uns aufgelöst! Das hat uns alle, Mannschaft, Vorstand und Verein, kalt erwischt und vollkommen unvorbereitet getroffen und sehr überrascht!“ Bruchhagen gab zwar zu, dass die Berichterstattung einiger Medien gegenüber Schaaf zu kritisch gewesen sei, er habe jedoch erwartet, dass der Trainer damit hätte umgehen können. Trotz dieser für alle überraschenden Entwicklung habe sich aber gezeigt, dass „das Gefüge Eintracht Frankfurt“ sehr stabil ist.

Mit dem nach Armin Veh zur SGE gekommenen Trainergespann um Niko und Robert Kovac gelang den Hessen in der Relegation der Klassenerhalt und ein starker Start in die aktuelle Spielzeit. Bruchhagen erklärte, dass bei der Verpflichtung der beiden Kroaten Bruno Hübner maßgeblichen Anteil hatte: „Dem Manager Bruno Hübner kam wie immer das erste Vorschlagsrecht zu. Und er hat Niko Kovac und seinen Bruder Robert ins Spiel gebracht.“ Am Brüderpaar schätzt der in Düsseldorf geborene Bruchhagen vor allem, dass die Kenner des Fußballs und offene, aber direkte Menschen sind: „Integrität war uns bei Eintracht Frankfurt immer sehr wichtig.“ 

Diese Eigenschaft sei auch bei seinem Nachfolger Fredi Bobic wichtig gewesen. Diesen bezeichnet der ehemalige Vorstandsvorsitzende der SGE als „das neue Gesicht der Eintracht“. Dass die SGE ein solches Gesicht besitze, ist für Bruchhagen wichtig, da sich sonst zu viele Menschen in die Vereinspolitik einmischen würden. Auch die eher von Misserfolg geprägte Arbeit Bobics könne er genau einschätzen, so Bruchhagen: „Er sollte den VfB zurück in die Spitze und nach Europa führen. Dazu wurde ihm vieles versprochen. In den Jahren seines Wirkens musste er dann aber unter ständig neuen Präsidenten arbeiten. Der Lizenzspieleretat wurde ihm entgegen anderer Vorhersagen von 65 auf 40 Millionen Euro gekürzt. Und er hatte irgendwann keine Rückendeckung mehr im personell veränderteten Aufsichtsrat.“  Dies sei für einen Mann in einer solch wichtigen Position keine gute Grundlage.

Die Kritik, wie sie etwa von Rudi Bommer kam, der sagte, dass die SGE keine gute Vertragspolitik führe und Spieler zu günstig verkaufe, kann Bruchhagen nicht nachvollziehen und versucht das Handeln der SGE am Beispiel von Sebastian Rode zu erklären. Hier sei der FC Bayern München zwei Jahre vor Vertragende auf den Spieler und die Eintracht zugekommen und habe signalisiert, dass der Verein den Spieler nach Vertragsende unter Vertrag nehmen möchte. Daher sei eine Vertragsverlängerung Rodes wie sie zum Beispiel Bommer fordern würde nicht machbar gewesen. Das „Heft des Handelns“ sei in dieser Zeit bei Rode gewesen und der SGE seien die Hände gebunden gewesen. Daher sei das oberste Ziel gewesen, dass der Spieler so lange, wie möglich bei den Hessen spielt und die Details geheim gehalten werden.

Die Anspannung vor den Relegationsspielen, gab Bruchhagen zu, war auch wegen seines bevorstehenden Abschiedes immens groß. An seiner Reaktion nach dem entscheidenden Spiel in Nürnberg war dies besonders gut zu sehen. Der sonst eher kühle Vorstandsvorsitzende ging aus sich raus und jubelte, als habe er gerade das entscheidende Tor geschossen. „Die Anspannung vor den beiden Relegationsspielen in Nürnberg war immens. Für den Verein wäre der Abstieg finanziell ein herber Rückschlag gewesen. Und ich wollte nicht als Absteiger gehen. Dass wir es geschafft haben, war wie eine Befreiung für den Club und mich“, gab er zu. Damit blieb der Bundesliga mit der Eintracht ein weiterer Traditionsklub erhalten. Bruchhagen bekannte seine Liebe zu diesen, warnte aber vor zu viel Hass den „neuen“ Klubs gegenüber: „Wir brauchen die Tradition in der Liga! Ich freue mich auch in Zukunft über jeden Sieg der Eintracht. Das hat im Übrigen nichts damit zu tun, dass ich zu denen gehören würde, die RB Leipzig oder die TSG Hoffenheim ablehnen. Was da mittlerweile an Boykottaufrufen und Anfeindungen kommt, ist unverhältnismäßig. Die sportliche Entwicklung dieser neuen Vereine muss man erst abwarten. Aber wir, die Traditionsvereine, müssen die neue Konkurrenz aushalten und uns mit Augenmaß wappnen. Das wünsche ich mir für die Zukunft.“

Obwohl er sich nicht zur aktuellen Vereinspolitik der Hessen äußern möchte, machte Bruchhagen klar, dass Eintracht Frankfurt noch immer der Verein in seinem Herzen ist. „Es ist doch klar, dass mir der Verein und die Menschen in der Stadt nach fast vierzehn Jahren ans Herz gewachsen sind“, so der 68-Jährige.

- Werbung -

5 Kommentare

  1. Es wird deutlich wie wichtig der hier viel gescholtene Bruno Hübner für uns ist. Ohne Ihn hätten wir Kovac nicht. Und Hrady und Fabian u.a. sind auch wertvoll für unser derzeitiges Hoch. (Ich meine nicht den Geldwert. Der interessiert mich überhaupt nicht. Sondern die fußballerischen Fertigkeiten).

    0
    0
  2. Bei aller Wertschätzung für Heribert, hat er dennoch die Eintracht in einem nicht sehr gutem Zustand übergeben. Sei es die hohe Stadionmiete, die (wie wir nun wissen) marode Infrastruktur oder 0 Euro für Transfers in diesem Sommer. Sein credo war dann doch eher Stillstand statt Fortschritt.
    Wir können froh sein dass Fredi und Niko den Verein nun endlich umkrempeln werden! Hoffentlich werden Ihnen dafür alle nötigen Mittel zur Verfügung gestellt ! Uns erwartet eine spannende Zukunft ! Forza

    0
    0
  3. Wenn Heri nicht gewesen wäre, spielten wir heute in der Regionalliga. Diesem Menschen werde ich immer dankbar sein…….

    0
    0
  4. Wahre Worte. Seh ich genau so wie sgeler. Bruchhagen war die Rettung für die Eintracht. Wir müssen ihm einfach dankbar sein das er unsere Eintracht in die Seriosität geführt hat. Also nix gegen Heri

    0
    0
  5. Bruchhagen hat uns auf 0 gebracht. Was wir nun damit anfangen, liegt an dem jetzigen Vorstand.

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -