Heribert Bruchhagen ist noch bis zum Saisonende der Vorstandsvorsitzende der Eintracht Frankfurt Fußball AG. Bis dahin wird er mit Sicherheit nicht müde werden zu betonen, dass die Schere in der Bundesliga immer weiter auseinander geht. Die reichen Klubs werden reicher, die kleineren Vereine bleiben auf der Strecke. Längst drückt sich diese Entwicklung auch in sportlichen Ergebnissen aus, was ein Blick auf die aktuelle Bundesliga-Tabelle zeigt. Dort thront der FC Bayern München mit 69 Zählern an der Spitze und kann nur von Borussia Dortmund (64) noch halbwegs ernsthaft verfolgt werden. Erst mit einem gehörigen Abstand von 16 Punkten eröffnet die Berliner Hertha als Dritter den längst hoffnungslos abgehängten Rest der Liga. Punktgewinne von Abstiegskandidaten gegen Bayern oder Dortmund, vielleicht sogar noch auswärts, sind nur noch mit bedingungslos destruktivem Defensivfußball möglich. In der Münchener Allianz-Arena gelang der Frankfurter Eintracht dieses Kunststück zuletzt im November 2007. Beim damaligen torlosen Remis, ohne eine echte Torchance der Hessen, schwang sich Torwart Oka Nikolov zur wohl besten Leistung seiner gesamten Karriere auf. Er sicherte den Überraschungspunkt der Gäste fast im Alleingang.
Von seinem Einsatz in der Startelf erfuhr die Säule der Eintracht dabei erst am Spieltag selbst. Die eigentliche Nummer eins, Markus Pröll, meldete sich kurzfristig erkrankt ab und machte den Weg frei für die vielleicht zuverlässigste Nummer zwei der Frankfurter Vereinsgeschichte. Doch nicht nur im Tor war der damalige Trainer Friedhelm Funkel zu einer Umstellung gezwungen. Neben Pröll fielen auch Alexander Meier, Albert Streit sowie Sotirios Kyrgiakos aus. Aus der Not heraus entschied sich Funkel daher für eine ungewöhnliche Taktik. In der Abwehr setzte er auf eine Dreierkette aus Marco Russ, Aaron Galindo und Chris, vor der ein defensives Fünfer-Mittelfeld aufräumte.
Bereits nach wenigen Augenblicken schien dieses taktische Experiment, das die Zentrale stärkte, aber die Flügel öffnete, zum Scheitern verurteilt zu sein. Keine zehn Sekunden waren gespielt, da setzte sich Ze Roberto auf der Außenbahn durch, bediente Luca Toni und der Italiener scheiterte erstmals an diesem Tag an Nikolov. Als innerhalb der nächsten zehn Spielminuten drei weitere Münchener Großchancen folgten, musste den gut 6 000 mitgereisten Eintracht-Fans schon Angst und Bange werden. Ab der 20. Minute fingen sich die Hessen dann aber zumindest in der Defensive. Bayern wusste sich phasenweise nur noch mit Distanzschüssen zu helfen. Entlastungsangriffe der Eintracht gab es allerdings auch nicht.
In der Schlussphase des ersten Durchgangs erhöhten die Münchener dann nochmals den Druck und schafften es endlich, Nikolov zu überwinden. Ein Tor aber gab es weiterhin nicht zu bejubeln. Patrick Ochs klärte einen Lucio-Kopfball ebenso auf der Linie (42.) wie Galindo einen weiteren Versuch von Miroslav Klose (49.) kurz nach Wiederbeginn. In der Folge war Nikolov dann aber nicht mehr auf die Unterstützung seiner Vorderleute angewiesen. Die restliche Arbeit hin zu einem Überraschungszähler erledigte der Pröll-Vertreter im Alleingang. Immer wieder war er bei Distanzschüssen und Flanken zur Stelle.
Die Bayern, die mit Jan Schlaudraff und Lukas Podolski auch noch Stürmer Nummer drei und vier einwechselten, verzweifelten reihenweise und mussten zähneknirschend in eine Punkteteilung einwilligen. Es war das erste torlose Unentschieden überhaupt im unterhaltungsverwöhnten Event-Tempel Allianz-Arena. Am Ende hatten die Statistiker 38 Torschüsse und 34 Flanken der Hausherren notiert, um Nikolov und das Funkelsche 3-5-2-System zu knacken, reichte diese drückende Überlegenheit allein aber nicht aus.
„Vor zwei Jahren haben wir hier schön mitgespielt und 2:5 verloren. Damals wurden wir für unseren Auftritt gelobt. Mir ist es lieber, die schimpfen über uns und wir holen einen Punkt“, reagierte Friedhelm Funkel nach dem Abpfiff gelassen auf die teils beleidigten Kommentare der Münchener, die der Eintracht vorwarfen, keinen Fußball spielen zu wollen. Und auch Nikolov blieb entspannt ob der Münchener Kritik und aufgrund der Schulterklopfer, die nun von allen Seiten auf ihn einprasselten. „Ich fahr´ ja nicht hierhin, um Urlaub zu machen“, war der Gala-Auftritt in München für den Musterprofi das Normalste der Welt.
Achteinhalb Jahre nach diesem letzten Frankfurter Punktgewinn in Fröttmaning, braucht es für die Adlerträger im Rennen um den Klassenerhalt am kommenden Wochenende erneut eine defensive Meisterleistung und einen überragenden Torhüter, um etwas Zählbares von den Über-Bayern mitzunehmen. Mit fußballerischen Mitteln ist für Teams wie die SGE in München nämlich längst nichts mehr zu holen. Das wird auch Heribert Bruchhagen bestätigen können.
FC Bayern München: Kahn – Lell, Lucio, Demichelis, Lahm, Altintop (67. Schweinsteiger), van Bommel, Ze Roberto (85. Podolski), Ribery (77. Schlaudraff), Klose, Toni. Trainer: Hitzfeld.
Eintracht Frankfurt: Nikolov – Russ, Chris, Galindo – Spycher, Inamoto, Preuß, Weissenberger (72. Köhler), Ochs – Takahara (82. Thurk), Amanatidis. Trainer: Funkel.
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