Martin Hinteregger, Europapokal-Sieger 2022. (Bild: IMAGO / Jan Huebner)

Die Bande zwischen Martin Hinteregger und den Fans der Frankfurter Eintracht – sie war etwas ganz Besonderes. In Frankfurt liebt man es, wenn Spieler alles für den Verein geben, auf dem Platz, aber auch neben dem Platz. Mit Martin Hinteregger kam 2019 ein „echter Typ“ an den Main. Jemand, der um jeden Ball kämpft und auch nicht das Risiko scheut, sich dabei eine blutige Nase zu holen. Und der im Anschluss vor der Fernsehkamera geradeaus sagt, was er denkt. Martin Hinteregger war „einer von uns“.

Der 2019er Wechsel nach Frankfurt war jedoch, von Anfang an, nicht ohne Risiko. Schon meine Kollegin Nadine Peter erinnerte im Juli 2019 in einem lesenswerten Kommentar daran, dass die positive emotionale Seite von Martin Hinteregger auch eine negative Kehrseite hat. Seinerzeit streikte sich „Hinti“ – mehr oder weniger – mit einem unprofessionellen Verhalten von Augsburg nach Frankfurt. Viele Eintracht-Fans honorierten das zwar mit einer Aktion unter dem Hashtag #FreeHinti. Doch spätestens damit muss den Eintracht-Verantwortlichen bewusst gewesen sein, dass sie es mit einem schwierigen Charakter zu tun haben.

Hinteregger zahlte das Vertrauen auf dem Platz oftmals zurück. Gelegentlichen Formtiefs, wie im Herbst 2021, stehen entscheidende Spiele wie in diesem Frühjahr gegenüber, in denen Hinteregger alles gab und eine wichtige Stütze auf dem Weg zum Europa-League-Titel war. Rein nach sportlichen Aspekten wäre jeder Bundesliga-Klub froh, jemanden wie „Hinti“ im Kader zu haben.

Fehlende Professionalität

Die letzten Wochen zeigten, dass Hinteregger zwar ein begnadeter Fußballer ist, aber in der Öffentlichkeit oftmals etwas unglücklich wirkte. Es gehört sich nicht, auch nicht im Siegesrausch, die Verabschiedungsfeier für drei beliebte Mitspieler zu verpassen, weil eine exzessive Nacht in der Disco dazwischen steht. Es zeugt auch nicht von Professionalität, im Siegesrausch ein Interview zu geben, in dem man von verloren gegangenem Vertrauen spricht, weil die Eintracht im Frühjahr gegenüber Hinteregger signalisierte, sie würde ihm keine Steine in den Weg legen, wenn er einen neuen Arbeitgeber findet.

Was dachte sich Hinteregger dabei? Ich glaube: Er dachte sich nichts dabei, sondern redete sich von der Leber, was er fühlte – so wie er eben immer war. In Interviews und Instagram-Postings liest man den „wahren“ Martin Hinteregger. Das sind keine von Presseabteilungen geschliffene Worte, sondern sie kommen aus dem Herzen. Das entscheidende Problem: Martin Hinteregger spricht vor einem Millionenpublikum. Und entsprechend werden seine Worte auch unterschiedlich interpretiert. Das muss einem Profi – oder zumindest dem Team um den Sportler herum – bewusst sein. Das war es ihm offensichtlich nicht.

Dazu passt das ganze Schlamassel rund um den „Hinti-Cup“. Ich bin fest davon überzeugt, dass Martin Hinteregger tatsächlich den Fans ein tolles Wochenende bieten wollte – ein wahres Fußballfest für die Fans aus Hessen und seine Freunde in Sirnitz. Und weil man sich vor Ort in Kärnten nunmal kennt und stets hilft, waren schnell viele helfende Hände an Hintereggers Seite, um den „Hinti-Cup“ zu organisieren. Das macht die gesamte Geschichte sympathisch.

Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser

Hintereggers erster Fehler war jedoch, anderen Menschen blind zu vertrauen. Nicht umsonst heißt ein Sprichwort: Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser. Tatsächlich ist es in Österreich zwar normal, mit FPÖ-Politikern zusammenzuarbeiten – so sehr man das auch aus deutscher Perspektive bedauern kann. Doch hätte ihm, mit ein wenig Recherche, bekannt sein müssen, dass seinem Geschäftspartner zudem enge Drähte zur „Identitären Bewegung“ unterstellt werden – und das ist auch in Österreich ein großes Problem! Doch noch schlimmer als diese Verbindungen ist das Verhalten von Hinteregger, wie er mit der Berichterstattung rund um den Artikel des Journalisten und Bloggers Michael Bonvalot umging. Sein zweiter Fehler.

Eine gemeinsame Stellungnahme mit der Eintracht – und die Geschichte wäre vermutlich schnell im Keim erstickt worden. Stattdessen schrieb Hinteregger ein emotionales, wohl aus dem Bauch heraus formuliertes Statement auf Instagram, in dem er Bonvalot schlecht aussehen ließ, kaum Einsicht zeigte und sich obendrein von rechtsradikalem Gedankengut distanzierte – etwas, das ihm niemand, auch Bonvalot nicht, unterstellte. Hinteregger blieb laut Medienberichten tagelang für seinen Verein nicht erreichbar. Gleichzeitig gab er österreichischen Medien Interviews, die die Situation nur noch schlimmer machten.

Martin Hinteregger ist ein großartiger Fußballer, dem ich gerne zugesehen habe. Und den ich gerne weiterhin in der Frankfurter Defensive gesehen hätte – einerseits. Andererseits ist „Hinti“ an seiner eigenen Offenheit, ich will sogar sagen: an seiner Naivität gescheitert. Oder wie es meine Kollegin Nadine Peter 2019 bereits treffend formulierte: „Die Fußball-Bundesliga ist kein Kindergarten.“ Von Fußball-Profis kann zurecht erwartet werden, dass sie mehr sind als gute Kicker. Erstens sollten sie ihre Aussagen immer vom Ende her denken. Und wenn sie das nicht können, sollten sie Journalisten besser aus dem Weg gehen, oder sich zumindest guten Rat suchen. All das beherzigte Hinteregger (wohl leider) nicht.

Wir „Hinti“-Fans – dazu zähle auch ich mich – haben uns zu lange an den Gedanken geklammert, dass wir mit Hinteregger einen genialen Fußballer bekommen und damit ist alles gut. Dabei haben wir vergessen, dass sein sympathischer Charakter auch eine negative Kehrseite hat. Es war einfach zu schön, um wahr zu sein.

Autor Frederic Schneider

Frederic Schneider schreibt seit Herbst 2021 für SGE4EVER.de. Bereits als Kind besuchte er das Stadion und schwärmt noch heute vom legendären 5:1 gegen Kaiserslautern. Er kümmert sich schwerpunktmäßig vor allem (mit anderen) um das Format „SGE kompakt" und die tagesaktuelle Berichterstattung, außerdem hat er einen Blick auf die Nachwuchsteams. Wenn es sich ergibt, ist er zudem für SGE4EVER.de als Fotograf unterwegs.

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56 Kommentare

  1. @42: da war mein Kommentar wohl der Tropfen auf dem heißen Stein. Dein Rundumschlag zielt zwar nicht wirklich auf mich ab, weil ich weder gesagt habe lösche diesen oder zensiert jenen Post. Auch habe ich nicht gefordert (wie mir einige User unterstellen) dass sich das Moderatorteam entschuldigen soll. Wofür denn auch? Lediglich eine Stellungnahme habe ich mir gewünscht, zugegeben war meine Formulierung hier vielleicht etwas fordernd. Eine erste Stellungnahme habe ich bekommen, dafür ein ehrliches Danke. Ist zwar nicht ganz das was ich erwartet habe, ist aber wohl den aktuellen Emotionen geschuldet, daher auch mein Wunsch diese Emotionen ein paar Tage abkühlen zu lassen. Einen Daumen hoch habe ich dir trotzdem gegeben auch wenn ich inhaltlich nicht mit allem d’accord bin.

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  2. @42: und nochmal ihr macht hier in Summe einen super Job und ich besuche die Seite wirklich gerne. Dein „Wutausbruch“ hat mir auch ein bisschen einen Einblick gegeben, dass diese Tätigkeit bei so emotionalen Themen eine besondere Herausforderung ist.

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  3. Bin etwas fassungslos, dass im Kommentar für mich auf das Interview nicht eingegangen wird oder ich hab es übersehen.

    Kommentare sind Meinungen. Ok, ich akzeptiere das.
    Aber nicht zu erkennen, dass zum naiven Hinti ein angeknakster, gar depressiver Hinti kommt, der mit dem Druck nicht mehr klar kommt, ist in meinen Augen hart und bestätigt für mich das Problem, dass für viele Depressionen eigentlich nur eine Ausrede sind statt einer Krankheit, welche die Freude am Leben erstickt.
    Er sagt ganz klar, Siege fühlen sich nicht mehr so an, Niederlagen um so schlimmer. Nach dem größten Erfolg gegen Barca denkt er nur ans Aufhören. Als er nicht im Kader war freut er sich ohne Druck den Tag vollbringen zu können…

    Meine Meinung, bzw. Empfindung ist, dass ich es traurig finde, dass viele das Problem nicht (er- und/oder an-)kennen, was es für die Betroffenen noch schlimmer macht…

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  4. @53/blackforest:

    Der Kommentar war schon fertig geschrieben als das Interview von der Eintracht veröffentlicht wurde, es hatte sich überschnitten.

    Offen gestanden hätte das an den Aussagen meines Kommentars aber nichts geändert. Ich hätte lediglich noch weitere Aspekte ergänzt und wäre zusätzlich auf einzelne Punkte in Hintis Interview eingegangen.

    Ich möchte auch nicht als „kalt“ oder ähnliches rüberkommen. Mir tut Hinti als Mensch sehr leid und ich finde es traurig, dass ein Sportler, der mit viel Herzblut an die Sache herangegangen ist, mit 29 Jahren bereits zum Ergebnis kommt, seine Profi-Karriere zu beenden, weil es ihm zu viel geworden ist. Trotzdem bleibe ich dabei, dass er Fehler gemacht hat, die vermeidbar gewesen wären – und wenn er selbst die Kraft dazu nicht gehabt hat, dann hätte ihn sein Umfeld (besser?) unterstützen müssen, zumindest was auch die Außendarstellung anbelangt. Man muss jedenfalls ORF, Kurier, Sky & Co. keine Interviews geben, die für ihn die Situation nur noch schlimmer machen.

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  5. @ 54. Frederic Schneider: Danke für die Rückmeldung, dass dein Kommentar schon fertig war vor dem Interview erklärt ihn etwas.
    Teil der Depression ist halt auch, dass man sich um sich selbst dreht, keine oder nur ungern Hilfe will und eine Weltansicht hat (alle sind gegen mich).
    Ich will das nicht alles schönreden, ohne Frage war vieles naiv, dappig und vlt auch selbstüberschätzend. Möchte aber auch aufzeigen, dass vieles Teil, bzw. Sympthone der Krankheit sind. Wer Menschen kennt mit dieser Krankheit, weiß wovon ich Rede.

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  6. @41 – so fühlt es sich an wenn der eigene Mob sich plötzlich dafür entscheidet dass du jetzt auch nicht mehr solidarisch/woke/gutmensch/tolerant genug bist. Vielleicht justiert das die Eindeutigkeit anderer Paradigmen denen du bisher gefolgt bist ein bisschen 😉

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