18.01.2015, Fussball, Trainingslager Eintracht Frankfurt in Abu Dhabi - Tag 6602! Es ist eine Zahl, die es verdient hat, genauer betrachtet zu werden. Denn heute vor genau 24 Jahren bestritt Charly Körbel sein letztes Spiel für die Eintracht. 602 Bundesligapartien für ein und diesselbe Mannschaft – in heutigen Zeiten erscheint es unmöglich, dass irgendein Profi überhaupt in die Nähe dieser beeindruckenden Zahl kommen kann. Von unten rücken aus den Leitungszentren inzwischen immer wieder so viele hochtalentierte junge Spieler nach, dass sich Akteure um die 30 Jahre herum oftmals schon mit ihrem Karriereende oder einem Abstecher in die Emirate oder USA beschäftigen müssen. Im Optimalfall müsste, damit Körbel wirklich noch einmal angegriffen werden könnte, ein Bundesligaprofi 18 Jahre verletzungsfrei durchspielen – dann käme er auf 612 Partien. Mit 17 anfangen und mit 35 aufhören, ohne sich zu verletzen oder phasenweise auf der Bank zu sitzen? Es ist schwer vorstellbar, dass die Profis von heute diesen Rhythmus durchhalten können. Blickt man auf die Liste der Fußballspieler mit den meisten Einsätzen, gibt es in den Top-10 nur noch einen Bundesligaakteur, der auch in diesem Jahrtausend aktiv war – nämlich Oliver Kahn. 557 Einsätze absolvierte der „Titan“ – bis zum „treuen Charly“ aber fehlten dem bis 2008 aktiven Schlussmann noch 45 Partien.

Ganz weit von dieser Marke ist die aktuelle Generation rund um Bastian Schweinsteiger (342 Einsätze / 30 Jahre), Philipp Lahm (333 / 31), Roman Weidenfeller (345 / 34) oder Claudio Pizarro (383 Einsätze / 36) entfernt. „Sollte ein Spieler meinen Rekord einstellen, hätte ich kein Problem damit. Wenn ich dazu in der Lage bin, werde ich gratulieren und denjenigen über den Platz tragen.“ Dieses Szenario erscheint genauso realistisch, wie aktuell eine deutsche Meisterschaft für die Eintracht (so bitter dies auch klingen mag…). Und doch hatte der 60jährige lange Zeit daran zu knabbern, dass er nicht doch noch eine Partie mehr in der Bilanz stehen hatte. Eigentlich wollte der in Dossenheim geborene Abwehrmann seine Karriere am 34. Spieltag der Saison 1990/91 im heimischen Waldstadion ausklingen lassen. Doch eine Woche zuvor verging dem Uefa-Cup-Sieger aus dem Jahre 1980 ausgerechnet im „Freudenhaus der Liga“ das Lachen. Beim 1:1 gegen den FC St. Pauli holte sich der Libero, der mit der Eintracht noch um die Uefa-Cup-Plätze kämpfte (und letztlich auch erreichte), seine vierte gelbe Karte, die damals schon zur Sperre führte, ab. Schiedsrichter Michael Prengel sah einen völlig aufgebrachten Körbel vor sich stehen. Nach einem harten Einsatz im Duell mit dem gegnerischen Mittelstürmer Dirk Zander hatte der Mann mit der Pfeife aber gar keine andere Wahl. Er musste danach zwar unangenehme Fragen über sich ergehen lassen und Vorwürfe, dass er mangelndes Emphatiegefühl gezeigt habe, einstecken. Doch Prengel sagte damals schon souverän: „Ich habe rein sachlich meinen Job getan. Ich hätte mangelndes Feingefühl gezeigt, wenn ich diese Aktion ungestraft gelassen hätte.“ 2015, so zitiert der Kicker, legte der Schiedsrichter noch nach: „Nach heutigen Maßstäben und Anweisungen hätte ich sogar Rot zeigen müssen. Charly Körbel ist ein toller Sportsmann. In dem Moment, als er Zander von hinten in die Beine fuhr, hatte er sich leider gehen lassen.“

Der „treue Charly“ aber hatte große Probleme damit, diese Entscheidung zu akzeptieren. Zu seinem Abschiedsspiel in Zivil wollte er gar nicht ins heimische Stadion gehen, musste dafür lange von den Kameraden überredet werden. Auch nach dem Karriereende blieb der Schmerz und es dauerte 22 Jahre, bis die große Einsicht kam. Im Juni 2013 hatte die ARD in fünf Folgen „Liga-Fieber“ 50 Jahre Bundesliga aufgearbeitet. Da durfte natürlich auch das Karriereende von Rekordspieler Körbel nicht fehlen. Neben Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus nahm auch Michael Prengel, inzwischen Amtsrat am Amtsgericht in Düsseldorf, auf der Couch neben dem sechsmaligen Nationalspieler Platz. Nachdem das Einspielfilmchen, welches die Szene noch einmal zeigte, ablief, sah man einen verdutzt in die Runde blickenden Körbel. Beckenbauer ließ es sich sogleich nicht nehmen und sagte sofort: „Charly, damals warst du mit einer Verwarnung gut bedient. Das war eigentlich Rot!“ Der „treue Charly“, der in seinen 19 Jahren von Platzverweisen und Verletzungen weitestgehend verschont blieb, ruderte, sichtlich betroffen, zurück und gestand gegenüber Prengel ehrlich ein: „Im Nachhinein muss ich sagen: Das war Knallrot!“ Aber auch dieser Ausrutscher – und da sind sich wohl alle einig – ändert nichts an der tollen Karriere des Karl-Heinz Körbels.

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2 Kommentare

  1. … von Verletzungen verschont blieb …

    Er hatte mal einen Schienbeinbruch, „zum Glück“ kurz vor der Sommerpause.

    Hattet ihr den vergessen oder gilt das in der heutigen Zeit der Kreuzbandrisse und
    Knorpelschäden nicht mehr als „richtige“ Verletzung 😉

    Ansonsten schöner Bericht und dann steht ja nächstes Jahr ein großes Jubiläum an !!!

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  2. @Schelm: Sowas gilt in heutigen Zeiten nicht mehr als Verletzung ;-). Das Wörtchen weitestgehend wird noch hinzugefügt – der ist leider wirklich durchgerutscht, weil Körbel gefühlt immer auf dem Platz stand ;-).

    Ja – ein Viertel Jahrhundert ist dann her…. Unser treuer Charly 🙂

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