Ein so herzliches Verhältnis wie zu Ex-Trainer Armin Veh pflegt Vorstand Axel Hellmann zu dem hessischen Innenminister nicht.
Ein so herzliches Verhältnis wie zu Ex-Trainer Armin Veh pflegt Vorstand Axel Hellmann zu dem hessischen Innenminister nicht.

Sollte die Problemlösungskompetenz als ein entscheidender Parameter für den Stand unserer Kulturentwicklung herangezogen werden, dürften wir uns ernsthafte Gedanken machen, ob spätere Generationen uns noch mit dem Etikett „Zivilisation“ versehen werden. Wir müssen uns gar nicht um Brandherde des Föderalismus wie Bildungspolitik, Reformen im Sozialbereich oder Länderfinanzausgleich kümmern, die allesamt in einem ewigen Streit um Zuständigkeiten und Kostenerstattungsfragen auf die nächste oder übernächste Legislaturperiode verschoben werden. Nein, es genügt ein Blick auf den Umgang der politischen, verbandlichen und sportlichen Verantwortungsträger mit der Frage, wie der Fußball den Ausschreitungen in Bundesligastadien Herr werden kann, um sich die Frage zu stellen, ob irgend jemand ernsthaft an einer Lösung des Problems interessiert ist.

Die jüngste Meinungsäußerung hierzu kam von Eintracht-Vorstand Axel Hellmann, der seine Anwesenheit in der von Bernd Reisig moderierten Sendung „Bembel und Gebabbel“ dazu nutzte, zu der Schuldfrage für die mangelhafte Aufklärung Stellung zu nehmen und den in diesen Kreisen so beliebten „Schwarzen Peter“ weiterzugeben. Unter heftigem Kopfnicken der früheren Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth sagte Hellmann: „Alle verlangen von Eintracht, Fans zu bestrafen. Vor allem die Politik. Aber so lange wir nicht die Datenbank der Polizei anzapfen können, sind uns die Hände gebunden. Dagegen steht der Datenschutz.“ Die Eintracht sei bereit und willens, Foto- und Bildmaterial an die zuständigen Stellen weiterzugeben, schränkte zugleich ein: „Wir sind aber keine Ermittlungsbehörde.“

Jeder juristische Laie, der mit Fragen des Rechtstaates und der Gewaltenteilung irgendwann einmal in Berührung gekommen ist, wird bei den Thesen von Hellmann zusammenzucken. Was schwebt unserem Vorstand vor? Soll die Eintracht die Aufgaben der Strafverfolgungsbehörde übernehmen, auf der Grundlage angezapfter Datenbanken in einer Nacht- und Nebelaktion die vermeintlichen Täter stellen und – um die Gewaltenteilung endgültig zur Farce werden zu lassen – einer eigenen Gerichtsbarkeit unterziehen? Natürlich will Hellmann das nicht. Er ist nicht nur ein kluger Mann, sondern darüber hinaus auch Jurist und Rechtsanwalt, der genau weiß, wie seine Aussagen einzuordnen sind: als Polemik.

Der eigentliche Adressat von Hellmanns Thesen saß nämlich nicht an dem Tisch der apfelweinseligen Talkrunde: Hessens Innenminister Peter Beuth. Der bisher nicht durch seinen Fußballsachverstand aufgefallene, aber auch für den Sport auf Landesebene zuständige CDU-Politiker hatte die SGE nach den Vorfällen von Magdeburg in ungewohnt scharfer Form kritisiert: „Ich fordere vom Verein, sich dieser Problematik intensiver anzunehmen. Für solche Hooligans gibt es null Toleranz. Da wünsche ich mir vom Verein eine klare Distanzierung und harte Sanktionen bis hin zu einem Stadionverbot.“ Schon damals hatte Hellmann der Presse eine kühle Entgegnung zukommen lassen: „Es ist immer einfach, aus Sicht der Politik, simple Rezepte einzufordern. Aber die Welt in einem Fußballverein, gerade in Fan-Dingen, ist sehr komplex.“ Was er damit eigentlich sagen wollte: Beuth hat keine Ahnung von den Dingen, über die er redet. „Eine Schlüsselmaßnahme ist, dass eine Täterermittlung und -identifikation vorgenommen wird. Aber das hat der Apparat von Herrn Beuth in der Hand. Wir können Bilder liefern und haben Zeugenaussagen. Wir sind aber keine Ermittlungsbehörde.“ Wir sehen: Der „Schwarze Peter“ wird bei jeder sich bietenden Gelegenheit hin- und hergeschoben.

Der Eintracht-Fanblock in Darmstadt hat sich beim Hessen-Derby ganz auf die Stimmung konzentriert.
Der Eintracht-Fanblock in Darmstadt hat sich beim Hessen-Derby ganz auf die Stimmung konzentriert.

Dabei kommt es in unserer Gesellschaft nicht selten vor, dass sich zwei scheinbar unvereinbare Positionen gegenüberstehen. Wenn ein verbohrter Innenminister mit einem überforderten Polizeiapparat und ein Bundesligaverein mit einem chronischen Problem mit Teilen der Fanszene auf ihren Positionen beharren, bedarf es einer intermediären Instanz, die in der Lage ist, gedankliche und ideologische Blockaden bei allen Beteiligten zu lösen. Als unabhängiger Redakteur und Fußballfan stelle ich mir die Frage, was eigentlich die Fußballverbände in dieser Situation machen. Ist es nicht die Aufgabe von DFB und DFL, zusammen mit Vereinen und Sicherheitsbehörden nach gemeinsamen Wegen zu suchen, die eine weitere Eskalation verhindern? Wäre es nicht im Sinne des Fußballs und der Zivilgesellschaft, innovative Lösungen zu finden, die den Interessen der friedlichen Fans, der Vereine und der Polizei entsprechen? Ist es bei den Milliardenbeträgen, die im modernen Fußball umgesetzt werden, ernsthaft zu vertreten, dass sich die Strafverfolgungsbehörden mangels Ressourcen um wichtigere Dinge kümmern müssen? Will der DFB weiter an seiner umstrittenen Sanktionierungspraxis festhalten, die nur die Vereine und die friedlichen Anhänger trifft, aber nicht die Straftäter?

In der Vergangenheit haben Runde Tische, Mediationsverfahren oder Schlichtungen in vermeintlich verfahrenen Situationen durchaus Früchte getragen. Warum dies in der Frage der Gewalt in Stadien nicht möglich sein soll, entzieht sich der Vorstellungskraft aller, die an einem friedlichen Miteinander interessiert sind. Sicherlich, es gibt unterschiedliche Kompetenzen, unterschiedliche Zuständigkeiten und unterschiedliche Interessen. Aber wenn der „Schwarze Peter“ immer weiter von Frankfurt nach Wiesbaden und zurück geschoben wird und der DFB weiter in wirkungslosen, aber altvertrauten Bahnen agiert, drängt sich der Eindruck auf, dass keine Seite an einer Lösung interessiert ist.

Autor Ralf

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7 Kommentare

  1. Es gab diesen Runden Tisch bis vor einigen Jahren, an dem DFB, Vereinsvertreter und Fanclubverbände saßen. Diese Diskussion wurde jedoch irgendwann von Seiten des DFB einfach so abgebrochen. Dazu ein sehr interessanter Artikel von 2011…

    http://www.spiegel.de/sport/fussball/ende-der-pyro-debatte-die-verbaende-haben-uns-verarscht-a-795533.html

    Ein Auszug:

    „Seit Oktober des vergangenen Jahres haben sich 160 Ultra-Gruppierungen der Initiative „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ angeschlossen. Über Monate haben sie – unterstützt von Anwälten, Sachverständigen und im Dialog mit Ordnungsdiensten und der Polizei – Modelle entwickelt, wie man aus ihrer Sicht Pyrotechnik sicher und ohne Gefahr für die Mitmenschen einsetzen kann.

    Die Initiative schaffte es sogar, in einen Dialog mit dem DFB und der DFL zu treten. Monatelang debattierten die Verbände mit den Fans über mögliche Pilotprojekte, über Wege, den Wünschen der Ultra-Szene mit Respekt zu begegnen.

    Erst vor wenigen Wochen zeigten die Verbände jedoch, dass diese Debatte niemals einen wirklich ernsthaften Hintergrund hatte: „Es gibt da eine Geisterdebatte, dass DFB und Liga die Pyros doch ‚legalisieren‘ könnten. Schon die Gesetzeslage verhindert das“, sagt Liga-Präsident Reinhard Rauball vergangene Woche in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. Warum die DFL in Person des Fanbeauftragten Thomas Schneider dann trotzdem an den Gesprächen mit den Ultras teilgenommen hat, bleibt schleierhaft.“

    Und noch ein sehr interessanter Artikel aus der TAZ…

    http://www.taz.de/!5105389/

    Jetzt kann man vieloleicht auch nachvollziehen warum viele aktive Fans (Vereinsübergreifend) so schlecht auf den DFB zu sprechen sind…

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  2. Das die auf den DFB schlecht zu sprechen sind kann ja sein. Aber Pyro im Stadion geh halt einfach net. Das haben die Deppen am Samstag bewiesen. Und auch unter Auflagen ist das nicht machbar. Wenn es erstmal im Block ist und ein Depp das in die FInger kriegt, wer haftet dann für den Schaden?

    Solange mir keiner ein Konzept zeigen kann das Vorfälle wie am Samstag glaubhaft unmöglich macht, will ich das net. Es laufen in jedem Stadion genug Idioen rum, denen ich net mal nen Flaschenöffner geben würde. Und schon gar keine Stoffe , die so eine Hitze entwicklen und Menschen ernsthaft verletzen können

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  3. Sag mal Joe, hast du den Beitrag von Kai und/oder die beiden von mir verlinkten Artikel nicht gelesen? Das ist doch genau der Punkt um den es geht: Dass von Verbänden, Vereinen und Politik anscheinend niemand wirklich daran interessiert ist diese verfahrene Situation zu lösen. Es geht genau darum, ein sinn- und wirkungsvolles Konzept zu erarbeiten – net nur bezüglichs Pyrotechnik, sondern generell gegen Fan-Gewalt u.ä – und dass dies bisher nicht geschehen ist…

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  4. Mir geht es darum, das es realistisch beim Thema Pyro keine Lösung geben kann. Und das da ja auch ( wenn der DFB, die DFL und die Fangruppen was machen wollen ) der Gesetzgeber noch davorsteht.

    Das Interesse besteht nicht wirklich, das habe ich schon verstanden. Weil beide Seiten auf Punkten beharren, die nicht funktionieren.

    Und bei der Fangewalt glaube ich halt, das für einige die Gewalt dazugehört. jeder von uns kennt doch Jungs die das gutheißen und sagen, das gehört zum Fußball. Dann sollten wir so ehrlich sein, das auch zu sagen. Hab schon oft genug gehört “ die sind sleber schuld, wenn es Randale gibt“. Und das ist genauso ein falscher Ansatz wie der der Offiziellen.

    Egal. Hab alles gesagt. Bei dem Thema bin ich raus. Ich unterhalte mich lieber über Fußball und das nächste Spiel.

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  5. Der Herr Innenminister, immerhin verantwortlich für die Verfolgung von Straftaten wie Körperverletzung, macht es sich in meinen Augen auf unredliche Weise zu einfach, wenn er sagt, er wünsche sich vom Verein harte Sanktionen bis hin zu einem Stadionverbot. Als erstes sollte wohl die Staatsanwaltschaft mit Anklageerhebungen reagieren.

    Noch mehr hätten es aber die jeweiligen Fangruppierungen in der Hand, gewaltbereite Gestalten zu isolieren. So wie es in den allermeisten Fanclubs undenkbar wäre, Schlägertypen mehr als einmal mit auf Tour zu nehmen, muss solches auch von den „härteren Jungs“ erwartet werden dürfen. Aber da bin ich ziemlich pessimistisch. Wer dazu aufruft, auf der Straße Lilienschweine zu jagen und sich mit Motiven aus Clockwork Orange auf Magdeburg vorbereitet, wird sich kaum aktiv von körperlicher Gewalt distanzieren. Wenigstens hier könnte der Verein allerdings klare Linien ziehen und z.B. den Verlust von Privilegien in Aussicht stellen.

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  6. Auch ich sehe im Stadion ständig (eigentlich immer) von Hass erfüllte und sich selbstdarstellende Deppen, bei denen der Fußball nur Nebensache ist. Denen möchte ich garnichts in die Hände geben was nur ihrgendwie als Waffe oder Wurfgeschoss verwendet werden kann. Zudem wenn Pyro legalisiert wird, werden diese (so glaube ich) sich was neues suchen, mit dem sie auffallen können und die Aufmeksamkeit der Medien erheischen.

    Was der hessische Innenminister an Nichtstun und Aussitzen demonstriert ist beschämend für die Region. Gut dass dies hier mal berichtet wurde.

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