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Auch den zweiten Kreuzbandriss hat Tanja Pawollek erfolgreich überstanden. Foto: Imago / Lobeca

Tanja Pawollek: „Bekomme negative Gänsehaut, wenn ich daran denke“

Seit 2016 schnürt Tanja Pawollek ihre Schuhe für die Frankfurter Eintracht bzw. vor der Fusion den FFC Frankfurt und ist damit die Dienstälteste Adlerträgerin im aktuellen Kader. Auf ihrem erfolgreichen Weg mit den Hessinnen wurde die polnische Nationalspielerin Anfang des Jahres von einem Kreuzbandriss ausgebremst. Es war bereits ihr zweiter in ihrer noch jungen Karriere. Im Interview mit „hessenschau“ sprach die 25-Jährige über diese schwere Zeit.

„Es war Horror“

Zeitlich liegen die beiden Verletzungen nicht weit auseinander, denn in den letzten vier Jahren musste Pawollek zwei bittere Kreuzbandrisse erleiden. Auch den jüngsten hat die Deutsch-Polin erfolgreich auskuriert und kam zuletzt wieder regelmäßig zum Einsatz. „Mir geht es gut. Ich bin froh, dass ich wieder auf meinem Niveau bin und ganze Spiele spielen kann. Bis jetzt ist zum Glück alles im Lot und meine Knie funktionieren ganz gut. Ich bin einfach froh, meinem Alltag wieder nachgehen und Fußball spielen zu können. Wenn man so eine Verletzung hat, ändert sich das Leben natürlich von heute auf morgen“, erklärte sie. Der letzte Kreuzbandriss ereignete sich im Januar dieses Jahres im Champions-League-Spiel gegen den FC Barcelona. Pawollek erinnert sich gut daran: „Es war Horror. Ich wusste direkt, dass es etwas Schlimmes ist. Es hat sich genauso angefühlt wie beim ersten Mal, deswegen war ich sehr emotional und musste erst einmal beruhigt werden“, gab sie tiefe Einblicke in ihre damalige Gefühlswelt. „Ich weiß noch, wie ich vom Platz gegangen bin und dachte: ‚Scheiße, jetzt kommen wieder ganz viele Reha-Tage auf mich zu.‘ Ich bin dann in die Kabine und musste mich erstmal sammeln und meine Familie anrufen. Wenn ich daran denke, bekomme ich immer noch negative Gänsehaut. Ich hatte nicht gedacht, dass mir das noch einmal passieren würde. Deswegen hat mir das den Boden unter den Füßen weggezogen. Viele haben mich gefragt, ob es etwas Gutes war, dass ich die Verletzung schon kannte. Aber für mich war es eher etwas Schlechtes. Ich kannte jeden Schritt, der auf mich zukam, und wusste, wie lange sich das in meinem Kopf auch ziehen kann“, so Pawollek.

„Nachts kein Auge zugedrückt“

Umso wichtiger und erfreulicher ist es, innerhalb der Mannschaft Menschen um sich herum zu haben, die in schwersten Zeiten für einen da sind, wie etwa die damalige Torhüterin Clara Bösl. „Sie ist eine meiner besten Freundinnen und hatte schon meinen ersten Kreuzbandriss mit mir durchlebt. Nach dem Spiel ist sie mit mir direkt ins Krankenhaus gefahren, nach dem MRT lagen wir uns erst einmal weinend in den Armen“, erzählte die Mittelfeldspielerin. Auch auf ihre jetzige Teamkollegin, Barbara Dunst, die selbst aktuell an einem Kreuzbandriss laboriert, konnte sich Pawollek stets verlassen. „Auch Barbara Dunst (…)  war immer für mich da. Im ersten Moment ist es einfach wichtig, Leute um dich herum zu haben, die dir Halt geben. Und die wissen, wie man dich aufmuntern muss. Es bringt nichts, die ganze Zeit über die Verletzung zu reden. Ablenkung ist in den ersten Momenten sehr wichtig“, zeigt sie sich dankbar. Ablenkungen sind in solchen Phasen immer die beste Medizin, sich aber selbst abzulenken, fiel dem Eintracht-Urgestein extrem schwer wie sie selbst gestand: „Ablenkung ist natürlich schwierig, ich habe in der ersten Nacht kein Auge zugedrückt, weil man sich viele Gedanken macht: Wie die OP wird, wie viele Schmerzen man haben wird.“ 

Doch ein wichtiger Hoffnungsschimmer war für die Adlerträgerin neben ihren Mannschaftskameradinnen ihre Familie. „Man ist ja erst einmal wenig mobil, deswegen habe ich am Anfang bei meinen Eltern gewohnt. Die haben mich jeden Tag zur Reha oder zu Freunden gefahren, mir Frühstück gemacht oder mit mir gespielt, um mich abzulenken. Es hat mir unheimlich viel Kraft gegeben, die Familie hinter mir zu haben. Ich wüsste nicht, wie ich es ohne sie geschafft hätte“, berichtete sie.

Pawollek feiert Comeback

Wichtige Erfahrungen konnte Pawollek bereits bei ihrer ersten Kreuzbandverletzung machen. Ihren Optimismus, ein zweites Mal zurückzukehren, hat sie nie verloren. „Ich hatte es ja schon einmal geschafft. Als die ersten Wochen dann vorbei waren und ich ein bisschen mobiler wurde und die Schmerzen auch zurückgingen, habe ich mich wieder aufrappeln können. Dann konnte ich positiver an die Sache rangehen. Das ist auch im Rehaprozess ganz wichtig, um den Heilungsverlauf schnell verbessern zu können. “ Auch während der Reha behielt sie stets den engen Kontakt zur Mannschaft aufrecht. „Ich habe die ersten fünf Monate der Reha bei uns im Verein gemacht. Das war natürlich cool, weil ich die Mädels so jeden Tag gesehen habe. Ich war bei ihnen in der Kabine oder wir haben zusammen gegessen, das hat mir unheimlich viel Kraft gegeben. Ich bin ja auch Kapitänin und bin schon so lange bei diesem Verein – da ist es für mich natürlich wichtig, bei den Mädels zu sein. Ich glaube, dass es auch für die Mannschaft gut war, zu sehen, dass ich sie nie vergesse und sie immer unterstütze.“ Die restlichen Monate habe sie jedoch außerhalb verbracht, um sich komplett auf sich selbst zu fokussieren.

Auch emotional, aber deutlich positiver fiel ihr Comeback in der 2. Liga für die zweite Mannschaft aus. „Ich weiß noch, wie aufgeregt ich an diesem Tag war. Ich wusste, dass ich nur 15 Minuten spielen würde, aber trotzdem konnte ich in der Nacht zuvor kaum schlafen. Man hat so viele Einheiten hinter sich und hat so viel getan, um wieder auf dem Platz zu stehen. Deshalb war es in dem Moment richtig, richtig schön. Es war ein Heimspiel, meine ganze Familie war da und auch ein paar Freunde. Deshalb war das für mich ein sehr emotionaler Moment, den ich nie mehr vergessen werde. Nach so einer langen Zeit macht einen das stolz“, blickte Pawollek glücklich zurück.

Heute scheint wieder Normalität zurückgekehrt zu sein, Pawollek sieht sich inzwischen wieder bei 100 Prozent. „Man kommt eigentlich immer stärker aus der Reha zurück, als man vorher war. Und natürlich habe ich am Anfang ein bisschen gebraucht, um wieder Vertrauen ins Knie zu bekommen. Mittlerweile denke ich da aber gar nicht mehr dran und kann sagen, dass ich auch vom Kopf her bei 100 Prozent bin.“  

Polens EM-Qualifikation „eine Herzensangelegenheit“

Über Verletzungen zu sprechen ist immer gefüllt von Tristesse. Deutlich positiver ist der erfolgreiche Lauf der Eintracht-Frauen. Das Team von Niko Arnautis ist Herbstmeister geworden und kämpft inzwischen um die Meisterschaft. „Wir haben einen Flow, es läuft. Und mal schauen, wo die Reise noch hingeht. Aber wenn man schon da oben steht, dann möchte man dort auch ganz gerne bleiben“, zeigt sich Pawollek ambitioniert. Klarheit herrscht aber darüber, wohin die Reise ihrer Landsfrauen geht, denn zum ersten Mal in der Historie hat sich die polnische Nationalmannschaft mit der anstehenden Europameisterschaft für ein großes Turnier qualifiziert. Eine Errungenschaft, die der Polin sehr viel bedeutet. „Ich habe immer noch nicht ganz realisiert, dass wir das gepackt haben. Wenige haben an uns geglaubt, vor allem nach der Nations League, die wir mit null Punkten beendet haben. Aber man hat im Vorfeld gemerkt, wie sehr wir das auch wollten. Es ist einfach toll, zu wissen, dass wir jetzt zum ersten großen Turnier in der Geschichte Polens fahren“, merkte sie an und lobte die Entwicklung des polnischen Fußballs. „Man merkt, dass sich im Land etwas beim Frauenfußball getan hat, und dass das auch etwas für den Fußball in Polen bedeutet. Und dann diese Emotionen nach dem Spiel. Ich erinnere mich noch an die Bilder, wie zum Beispiel Ewa Pajor mit Tränen dastand und es gar nicht fassen konnte. Es war für jeden von uns eine Herzensangelegenheit. “ 

Jahresfazit 2024

Für Pawollek geht ein ereignisreiches und turbulentes Jahr zu Ende. Ein Jahr „voll mit Höhen und Tiefen.“ Zunächst blickte sie auf das nicht so Schöne. „Es hat ziemlich bescheiden angefangen: Die Reha, dann erst Ende des Jahres richtig zurück bei der ersten Mannschaft zu sein“, sagte sie und wandelte dann ihr Fazit ins Positive um. „Es war eine schwierige Zeit, aber dass das jetzt so gekrönt wurde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Jahr mit so einer Enttäuschung startet und ich dann am Ende des Jahres noch so etwas Schönes erleben durfte. Ich bin mega dankbar dafür und bin auch extrem stolz auf mich, weil ich diesen Weg gegangen bin und nie aufgegeben habe. “

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7 Kommentare

Avatar Der User hat SGE4EVER.de mit mind. 100 € finanziell unterstützt, als es um den großen Relaunch 2024 ging. 1. zueri adler 25. Dezember 24, 12:47 Uhr

Starke Eintrachtlerin und natürlich Kapitänin!

Möge ihr Körper erlauben noch viele viele Jahre sorglos zu spielen , und uns erhalten zu bleiben.

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Avatar Der User hat SGE4EVER.de mit mind. 25 € finanziell unterstützt, als es um den großen Relaunch 2024 ging. 2. Boris 25. Dezember 24, 15:59 Uhr

Und mögen sie das erste Mal nach der Rettung und Übernahme der finanziell angeschlagenen Frauenabteilung des FSV Frankfurt durch die Eintracht wieder an die höchst erfolgreichen Zeiten mit zig Titeln zu Zeiten von Rekordspielerin Birgit Prinz anknüpfen und dieses Jahr den Titel holen. Mit einem klaren Sieg gegen Wolfsburg, einem Unentschieden in München und dem deutlich besseren Torverhältnis haben sie alle Trümpfe in der Hand, um am Ende weiterhin oben zu stehen. Spielerisch kann ihnen dieses Jahr kaum ein Team das Wasser reichen. Wenn sie auch gegen die vermeintlich schwächeren Teams konzentriert bleiben, kann es klappen.

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Avatar 3. SGE-SCOPE 25. Dezember 24, 16:07 Uhr

FFC Frankfurt ;)

Gruß SCOPE

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Fallback Avatar 4. Gastautor Emre Erdem 25. Dezember 24, 17:37 Uhr Zitat - SGE-SCOPE FFC Frankfurt ;) Gruß SCOPE Path

Oh ja danke, sehr aufmerksam, da ist mir tatsächlich ein Fehler unterlaufen. Ist korrigiert. Frohe Weihnachten :)

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Fallback Avatar 5. Gastautor Emre Erdem 25. Dezember 24, 17:39 Uhr Zitat - Boris Und mögen sie das erste Mal nach der Rettung und Übernahme der finanziell angeschlagenen Frauenabteilung des FSV Frankfurt durch die Eintracht wieder an die höchst erfolgreichen Zeiten mit zig Titeln zu Zeiten von Rekordspielerin Birgit Prinz anknüpfen und dieses Jahr den Titel holen. Mit einem klaren Sieg gegen Wolfsburg, einem Unentschieden in München und dem deutlich besseren Torverhältnis haben sie alle Trümpfe in der Hand, um am Ende weiterhin oben zu stehen. Spielerisch kann ihnen dieses Jahr kaum ein Team das Wasser reichen. Wenn sie auch gegen die vermeintlich schwächeren Teams konzentriert bleiben, kann es klappen. Path

In der Tat, es wäre schön, wenn das klappen würde. Bis sieht es richtig gut aus. Wichtig wird es sein, das Niveau konstant zu halten.

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Fallback Avatar 6. Gastautor Emre Erdem 25. Dezember 24, 17:51 Uhr Zitat - zueri adler Starke Eintrachtlerin und natürlich Kapitänin! Möge ihr Körper erlauben noch viele viele Jahre sorglos zu spielen , und uns erhalten zu bleiben. Path

Tolle Worte von dir, denen ich mich gerne anschließen. Frohe Weihnachten :)

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Avatar Der User hat SGE4EVER.de mit mind. 25 € finanziell unterstützt, als es um den großen Relaunch 2024 ging. 7. Boris 26. Dezember 24, 01:08 Uhr Zitat - SGE-SCOPE FFC Frankfurt ;) Gruß SCOPE Path

XD ja natürlich, Danke für den Hinweis

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