Kein Freund des "Bosman-Urteils"! Vorstandschef Heribert Bruchhagen.
Kein Freund des „Bosman-Urteils“! Vorstandschef Heribert Bruchhagen.

Es ist ein Tag, der den Fußball grundlegend verändert hat. Am 15. Dezember 1995 bekam der Belgier Jean-Marc Bosman vor dem Europäischen Gerichtshof recht. Das sogenannte „Bosman-Urteil“ schrieb Fußballgeschichte und sorgte dafür, dass Transfersummen für vertragsfreie Spieler abgeschafft wurden und es keine Beschränkung mehr bei der Verpflichtung von EU-Ausländern gab. Der Ursprung dieser Verhandlungen liegt fünf Jahre zurück. Bosmans Kontrakt beim RFC Lüttich lief aus, der Verein wollte sein Gehalt bei einer möglichen Verlängerung drastisch kürzen. Der französische Zweitligist KSL Dunkerque einigte sich mit ihm auf eine Zusammenarbeit, was dann aber zunächst an den zu hohen Forderungen seines alten Clubs scheiterte. Bosman ging erstmals vor Gericht und klagte, dass das Transfersystem ein Zustandekommen eines Vertrags verhindert hätte. Er bekam im Winter 1990 recht und durfte ablösefrei wechseln. Doch das nächste Problem stand sogleich vor der Tür: Er heuerte beim französischen Verein St. Quentin an und musste in der Folge bei möglichen Wechseln zurückstecken, da die Regelung nicht mehr als drei Ausländer pro Team zuließ. Der Prozess zog sich lange hin, doch letztendlich wurde der Kampf gewonnen.

Im Gespräch mit dem Kicker verdeutlicht Bosman seine Intention: „Ich wollte nicht, dass andere Spieler meine Situation erleben. Sie sollten nicht wie Vieh behandelt werden. Damals gehörte man seinem Verein. Punkt. Wenn jemand kein Geld zahlen wollte, war man verloren und wenn man nicht den Vertrag unterschrieb, der einem vorgelegt wurde, wurde man suspendiert.“ Ohnmächtige Spieler? Heutzutage undenkbar. Durch die damals neu geschaffene Möglichkeit, vertragsfrei wechseln zu können, explodierten die Gehaltskosten. Bezahlten die Bundesligisten in der Saison noch 1995/96 knapp 120 Millionen Euro an die Kicker, so bewegt sich dieser Wert inzwischen im Bereich von einer Milliarden Euro. Auch eine Aufstellung, wie sie Eintracht Frankfurt etwa am Sonntag bei Borussia Dortmund hatte (1:4), wäre vor 20 Jahren unmöglich gewesen: Mit Lukas Hradecky, Constant Djakpa, David Abraham, Aleksandar Ignjovski, Slobodan Medojevic, Makoto Hasebe, Haris Seferovic und später auch noch Timothy Chandler liefen insgesamt acht Spieler auf, die keinen deutschen Pass besitzen.

Für überdurchschnittlich gute Fußballer wie Sebastian Jung oder Kevin Trapp war das "Bosman-Urteil" ein Gewinn.
Für überdurchschnittlich gute Fußballer wie Sebastian Jung oder Kevin Trapp war das „Bosman-Urteil“ ein Gewinn.

Die Spieler waren auf einmal frei. Doch diese Spieler verstehen heute nicht, was das Bosman-Urteil bedeutet. Die neue Generation weiß nichts davon. Aber man muss es ihnen erklären. Dass sie heute so wechseln können, hat viel mit dem damaligen Urteil zu tun. Ich möchte, dass die Profifußballer von heute verstehen, dass ein Mann vor 20 Jahren bis aufs letzte Hemd dafür gekämpft hat„, wünscht sich Bosman mehr Anerkennung. Alles gut also? Für Topspieler, die auf dem Markt begehrt sind, hat das „Bosman-Urteil“ tatsächlich einen großen Vorteil. Sie können die Clubs erpressen, ihre Wechsel erzwingen und ihre Macht ausspielen. Spätestens dann, wenn ein englischer Verein mit den Geldscheinen wedelt, ist der Widerstand gebrochen. Doch was passiert mit den vielen Akteuren, die ein sicheres Einkommen hatten, nach Vertragsende dann aber völlig untergehen? Der heutige Ehrenpräsident der internationalen Vereinigung für Profifußballer FIFPro, Gordon Taylor, wägte bereits im Jahr 2005 ab: „Ich habe selbst unter dem alten System gespielt und war darüber frustriert. Ich würde sagen, dass es für entschlossene Spieler, die kurzfristig Karriere machen wollten, durchaus positiv war. Dagegen mussten sich andere wiederum gegen eine regelrechte Schwemme an Konkurrenten durchsetzen. Es war also ein zweischneidiges Schwert.“ Ferner hat es die Beziehungen zwischen den Vereinen häufig beschädigt. Vor allem die Themen Ausstiegsklauseln und Ablösefreiheit, mit denen Topspieler häufig nur gebunden werden können, haben eine fast schon dramatische Auswirkung für die Clubs, so auch für die Frankfurter, gehabt.

So mussten die Hessen im Sommer 2014 mit Pirmin Schwegler, Sebastian Jung und Sebastian Rode ihre zentrale Achse deutlich unter Wert für zusammengerechnet nur 3,6 Millionen Euro abgeben. Vorstandschef Heribert Bruchhagen trauert den alten Zeiten hinterher, wie er im Sommer in einem Gespräch mit rp-online zugab. Aber er gab sich keinen Illusionen hin: „Wenn ich mich Veränderungen im Profifußball nicht anpassen würde, hätte ich Lehrer bleiben können.“ Was er wohl zur neuen Idee der Vereinigung FIFPro zu sagen hat? Der Plan: Die Fußballer sollen bezüglich der Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt die gleichen Rechte haben, wie ein ganz normaler Arbeitnehmer. Bosman, der inzwischen in der Anoymität lebt und selbst von dem Urteil gar nicht profitiert hat, möchte auch hier mithelfen: „Es sollte überhaupt kein Transfersystem mehr geben. Als Angestellter können Sie den Arbeitgeber wechseln, wenn Sie gewisse Fristen beachten. Im Fußball geht das nicht. Es ist doch absurd, für einen Menschen 100 Millionen Euro zu bezahlen.“ Vor allem die unbekannten Akteure seien dadurch in Not: „Es läuft doch so: Wenn der Spieler den Vertrag nicht vorzeitig verlängern will, wird er unter Druck gesetzt oder ganz aufs Abstellgleis geschoben. Nur bei den bekannten Profis läuft es anders, weil die Klubs ihr Kapital nicht kaputt machen wollen, die anderen sind vergessen.“

Droht also die nächste Revolution? Bosman selbst hat dabei nichts zu verlieren. „Ich hatte einen Tiefschlag nach dem anderen. Und jedes Mal musste ich mich wieder neu aufrappeln, kämpfen. Für die Schultern einer einzigen Person war dieses Urteil ein wenig zu schwer.“ Und wird weiter für die Macht der Spieler und Berater – und demgegenüber die Ohmacht der Vereine – kämpfen.

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