19.10.2014, Fussball, 1. BL, SC Paderborn - Eintracht FrankfurtDie Eintracht muss sich spätestens seit dem letzten Spieltag den wenig schmeichelhaften Beinamen „Schießbude der Liga“ gefallen lassen. Mit mittlerweile 41 Gegentreffern in 20 Spielen haben die Hessen die lange Zeit führenden Bremer eingeholt. Nachdem das Defensivverhalten bereits in der Vorrunde häufig Anlass zur Klage gegeben hatte, wollten Mannschaft und Trainerteam die Winterpause nutzen, um die Defizite in der Abwehr und insbesondere bei Standardsituationen abzustellen. Das Ergebnis dieser Bemühungen konnten wir v.a. in den Begegnungen gegen Freiburg und Augsburg bewundern.

Nachdem im unmittelbaren Anschluss an das Augsburg-Spiel zunächst Ratlosigkeit über die sich wiederholenden Fehlerketten vorherrschte (Bastian Oczipka: „Wenn wir Antworten hätten, würden wir es anders machen„), haben Spieler, Verantwortliche und scharfzüngige Medienvertreter den Wochenbeginn genutzt, um Erklärungen für das „dilettantische Defensivverhalten“ (FR) zu finden. Überraschenderweise wurden sie dabei fündig. Die vorliegenden Ansätze und Analysen sind durchaus bedenkenswert, sodass wir sie zusammengetragen haben und zur Diskussion stellen wollen.

Erklärungsversuch 1: die Zweikampfschwäche. Beginnen wir mit dem Trainer, der ja schließlich wissen muss, woran es bei der Eintracht hapert. Thomas Schaaf: „Über die ersten 45 Minuten habe ich mich geärgert. Wir haben viel falsch gemacht, uns in den Zweikämpfen in keinster Weise behauptet. Es ist nicht zu erklären, dass man sich selbst so in Not bringt, Zweikämpfe nicht richtig führt und nicht richtig dran ist an den Gegenspielern.“ Sicherlich, dem zweiten Augsburger Treffer gingen zwei verlorene Zweikämpfe in Tateinheit mit unglücklichem Stellungsspiel voraus. Und auch unser zuverlässigster Abwehrrecke, Carlos Zambrano, lag mit einer Zweikampfquote von 47 %deutlich unter seinem sonstigen Wert. Aber ist diese Erklärung ausreichend dafür, dass Augsburg Chance auf Chance herausspielen konnte?

30.07.2014, Fussball, 1. BL, Training Eintracht FrankfurtErklärungsversuch 2: das Defensivverhalten der Offensive. Bastian Oczipka, der medial derzeit omnipräsente Linksverteidiger nimmt die Offensive in die Pflicht, die in der Rückwärtsbewegung häufig zu zögerlich agiere: „Wir gewinnen zu wenige zweite Bälle und zu wenige Defensivkopfbälle„, lässt er sich in der FR zitieren. Die Eintracht mache es dem Gegner zu einfach, Chancen zu kreieren: Es genügen gegnerische Stürmer, die in der Lage sind, den Ball zu behaupten und einen nachrückenden Mittelfeldspieler ins Spiel zu bringen, der mit einem Steilpass in die Schnittstelle für heillose Gefahr im Strafraum der Eintracht sorgt. Das Problem aus Sicht von Oczipka: Die eigenen Offensivkräfte üben zu wenig Druck auf die gegnerischen Passgeber aus. Bamba Anderson springt seinem Mannschaftskameraden bei: „Wir haben zu viele leichte Ballverluste„, beklagt der Brasilianer in der FR. „Wir verlieren zu schnell den Ball und laufen dann in Konter.“

Erklärungsversuch 3: Der Spielaufbau. Bastian Oczipka möchte allerdings keineswegs die ganze Schuld nur bei der Offensivabteilung suchen und nimmt selbstkritisch alle für den Spielaufbau Verantwortlichen in die Pflicht: „Wir müssen mehr Ruhe ins Spiel bringen, um Sicherheit zu gewinnen. Vielleicht sollten wir auch nicht jeden Ball lang nach vorne schlagen.“ Die hohen Bälle auf die beiden Spitzen waren gegen Ende der Hinrunde ein probates Mittel, um das Mittelfeld schnell zu überbrücken. In den letzten Spielen gelang es Alex Meier und Haris Seferovic aber immer weniger, Kopfballduelle zu gewinnen, Bälle zu behaupten und Mitspieler einzusetzen. Nicht zuletzt Seferovic ist derzeit völlig von der Rolle, hatte gegen Augsburg gerade einmal 36 Ballkontakte und gewann 33 % seiner Zweikämpfe. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass gegen die Fuggerstädter mit Marc Stendera ein ganz wichtiger Mann für den Spielaufbau fehlte.

Erklärungsversuch 4: die Taktik. Oczipka gibt sich aber mit den Erklärungsversuchen 2 und 3 nicht zufrieden und beklagt darüber hinaus das taktische Verhalten aller Mannschaftsteile: „Wir stehen zu weit auseinander, der Gegner hat zu viele Räume, wir müssen als Mannschaft besser verschieben.“ Meier pflichtet ihm laut FNP bei: „Wir sind hinten viel zu offen. Das geht auswärts nicht.“ Allerdings wird dieses offenkundige Defizit bereits seit Monaten kritisiert und es hat nicht den Anschein, als habe die Mannschaft irgendwelche Fortschritte gemacht.

Erklärungsversuch 5: die Konzentration. Auch Vorstandschef Heribert Bruchhagen hat eine Meinung zu dem Ursachengebilde: „Unkonzentriertheiten und Fehler ziehen sich wie ein roter Faden durch die Saison.“ Die Frage nach der erforderlichen Konzentration wird man insbesondere unseren Angreifern Alex Meier und Haris Seferovic stellen müssen, die bei beiden Augsburger Treffern aus Standards schläfrig wirkten. Der „Kicker“ vermisst ebenfalls die nötige Kompaktheit, Organisation und Konzentration auf dem Platz und sieht eine „Mischung aus taktischen Defiziten und lascher Einstellung, mit der sich die Spieler das Leben häufig unnötig schwer machen„.

Viele Erklärungen, viele plausible Ansätze, die allesamt nicht von der Hand zu weisen sind. Aber neu sind diese Erkenntnisse wiederum auch nicht. Vor allem aber: Gelingt es der Mannschaft endlich einmal, geschlossen, kompakt und konzentriert zu verteidigen? Und schafft es das Trainerteam vielleicht doch, das Team so einzustellen, dass ein Verteidigungssystem, eine defensive Spielidee zu erkennen sind? Solange in der Offensive auf Meier, Aigner & Co. Verlass ist, können diese Probleme verkraftet werden. Gleichwohl wären wir Fans froh, möglichst bald Ansätze eines erstligareifen Abwehrverhaltens erkennen zu können. Gegen Schalke 04 hat die Mannschaft die nächste Gelegenheit dazu.

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15 Kommentare

  1. Ich bin auch der Meinung, dass nicht alleine unsere Abwehr der Grund für die vielen Gegentore ist, sondern vielmehr unser Mittelfeld. Hier gilt es, frühzeitig die Räume eng zumachen und den Speilaufbau des Gegners zu stören. Freiburg und Augsburg kamen immer dann zu Chancen, wenn sie das Mittelfeld ohne Gegenwehr passieren konnten. Dann können 4 Abwehrspieler (wenn überhaupt alle zurückgelaufen sind) nicht mehr viel ausrichten, weil es bei 1:1-Situationen und viel Raum für die Stürmer leicht ist, sich gute Chancen zu erspielen.
    Ist unser Mittelfeld geordnet, gelingt es uns, den Gegner in Schach zu halten. Hat ja z.B. gegen Wolfsburg geklappt. Ein Schwegler war in dieser Hinsicht Gold wert. Hasebe kann das eigentlich auch. Keine Ahnung, warum wir da so oft in Bedrängnis kommen.

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  2. @Adlersieg: Richtig, ein Pirmin Schwegler war in dieser Hinsicht tatsächlich Gold wert. Denn er hat das geschafft, was keiner unserer Sechser – auch Hasebe, den ich sehr schätze – kann: einfach Ruhe ins Spiel zu bringen. Schwegler wusste instinktiv, was zu tun ist, wann man auch mal den Fuß auf den Ball stellen und abdrehen muss. Er war für unsere Balance im Spiel verantwortlichen, zog auch das Tempo an, wenn es nötig war und verteilte die Bälle mit seinen klugen, öffnenden Pässen. Von den Abgängen, die wir hatten, tut mir dieser am meisten weh – er war in seinen fünf Jahren bei uns ein unersetzbarer Leistungsträger, der nur in den letzten Wochen der vergangenen Saison aus nachvollziehbaren (krankheitsbedingten) Gründen abbaute.

    Bei Hasebe sehe ich diese Qualität nicht. Er ist fleissig, er hat ein tolles Gespür für den Raum, stellt wirklich unheimlich viele Passwege zu (das ist mir vor allem in der Partie gegen die Freiburg aufgefallen, als ich fast auf der Höhe von seinem Wirkungskreis saß – bis er müde wurde, war das herausragend in den ersten 60 Minuten…) und hat auch die nötige Spielintelligenz. Um das Spiel a la Schwegler zu beruhigen, fehlt es aber i.m.A. etwas am technischen Vermögen und auch an der Übersicht. Auch Hasebe lässt sich desöfteren von der Hektik auf dem Feld anstecken, schafft es dann zu selten, Ruhe in das Spiel zu bringen.

    Bedenklicher finde ich die Analyse vom Kicker: „Der “Kicker” vermisst ebenfalls die nötige Kompaktheit, Organisation und Konzentration auf dem Platz und sieht eine “Mischung aus taktischen Defiziten und lascher Einstellung, mit der sich die Spieler das Leben häufig unnötig schwer machen.“ Gerade die lasche Einstellung bei dem ein oder anderen ist auffällig – wenn alle konzentriert zu Werke gehen, kommt der Gegner kaum zu Chancen (Freiburg 60 Minuten, Wolfsburg fast eine ganze Partie, Augsburg in der zweiten Halbzeit). Wir stellen dann alles zu, schalten sowohl nach vorne, als auch nach hinten durchaus passabel um und bekommen viele zweite Bälle. Dann allerdings sind die Phasen, wo die Jungs vorne stehen bleiben und die da hinten alleine lassen, zu haarsträubend und kaum noch zu verteidigen. Die Räume werden groß, man kommt nicht mehr ins verschieben, der Gegner rennt auf einmal mit 5-6 Spielern auf unsere Verteidigung zu – da wird es dann, wie man gegen Wolfsburg sah, auch für die Abwehr des FC Bayern München schwer, etwas auszurichten.

    Mein Fazit: Wir werden in dieser Spielzeit mit diesem Umstand leben müssen. Die Gefahren sind lange bekannt und wurden auch jetzt nicht im Wintertrainingslager gebannt. Wir werden es eben so machen, wie die Hoffenheimer in der Vorsaison und damit irgendwo im Mittelfeld sicher einfahren. Das Schöne: Vor der Saison hätte das jeder von uns unterschrieben. Das Schlechte: Man wird das Gefühl nicht los, dass mit einem Tick mehr Konzentration so viel mehr möglich wäre….

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  3. Stuttgart 5
    Bayern….4
    Hertha…..4
    Freiburg…4

    Das sind schon mal 17 Tore die die Statistik verhageln 41-17 =24.

    Alles im gruenen Bereich.

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  4. Ich bin einfach sehr von Medojevic enttäuscht. Er würde den guten 2. DM spielen können. Oder Flum. Aber beide haben keine Form. Also muss man beide verkaufen und dafür einen guten DM holen!

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  5. Anstatt jedesmal Medojevic auf der Position auszuprobieren haette ich in den Vorbereitungsspielen mal andere Spieler ausprobiert.

    Kittel Gerezgiher Doerner

    Genau Doerner DOERNER

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  6. Wir können viel diskutieren, doch wenn sich die Spielweise nicht ändert, wird sich auch an den vielen Gegentoren nichts ändern.

    Die SGE hat nicht diese qualitativ hochwertigen und super schnellen Spieler, dass wir ein extremes Pressing spielen können. Das klappt gelegentlich ganz gut, aber nicht konstant und nicht über 90 Minuten. Mit einfachsten Spielzügen sind wir in Augsburg überlaufen wurden, und von Wolfsburg und von Freiburg usw. usf …..

    Warum sollte es nicht reichen die erste Verteidigungslinie um die Mittellinie aufzubauen, das verkleinert automatisch den Spielgestaltungsraum für den Gegner und verdichtet unser Mittelfeld.
    Der Trainer muss die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Spieler besser einschätzen können als wir – doch – die Zeit für Veränderungen sollte gekommen sein. Bremen hat sich verändert, kassiert vor allem nicht mehr so viel Tore, hat jetzt 4 mal gewonnen und steht als ehemals 18. nun 1 Punkt vor uns, daraus könnte man lernen.

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  7. Bremen war zum Ende der Schaaf-Ära die Schießbude – nun sind wir es eben.
    Ich sehe keine Parallelen 😉

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  8. Und wenn sich daran bis spätestens nächste Saison nicht was ändert, geht das ganze spätestens nächstes Jahr schief!

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  9. @2
    Ich frage mich nur, warum sieht Schaaf nicht, was viele sehen und reagiert nicht entsprechend?
    Gegen Wolfsburg greift sich Gerezgiher an die Kniekehle, kann danach offensichtlich nicht mehr richtig laufen und verliert dann den entscheidenden Sprint vor dem 1:1.
    Hasebe wird gegen Freiburg ab der 60. Minute immer schwächer, spielt aber fast durch.
    Ein zweikampfschwacher Inui wird beim Stande von 1:3 gegen Freiburg gegen einen ebenfalls zweikampfschwachen Piazon ausgewechselt. Hier hätte uns Flum eher helfen können, und zwar direkt nach dem 1:2.

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  10. Es geht nicht darum ob wir Schießbude sind, wir können aber mit der Qualität unseres Kaders nicht davon ausgehen, dass wir immer 1 Tor mehr schießen als der Gegner !!!

    Zu meiner obigen These übrigens noch eine interessante Feststellung aus der heutigen FNP bezüglich der U19 :

    „Der U 19 ist übrigens gelungen, was die Profis noch nicht geschafft haben: Sie hat die Abwehr dicht bekommen, alle drei Siege wurden zu Null errungen, zuletzt 1:0 gegen den Tabellenzweiten Mainz 05. Die stabile Defensive bietet also die Grundlage für den Aufschwung.“

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  11. Also bei allem Respekt vor der momentanen guten Leistung der Bremer; da sollte man auch nicht vergessen dass die in den wichtigen Szenen momentan auch sehr viel Glück haben! Kießling schießt an den Pfosten; der Schiri pfeift einen für mich absolut lächerlichen Handelfer; in Hoffenheim haben die Hoffenheimer Angreifer auch viel liegen lassen.

    Die spielen schon durchaus gefestigter; aber mit etwas weniger Glück kassieren die in Hoffenheim mehr als ein Gegentor und gegen Leverkusen ebenfalls.

    Ich habe nichts gegen Werder, gönne denen den momentanen Erfolg wirklich von Herzen – aber die haben grade nen Lauf und das nötige Spielglück (so wie wir beispielsweise in der guten Phase während der Hinrunde).

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  12. Sorry, meinte natürlich nicht Handelfer, sondern Freistoß wegen Handspiels (was aber für mich niemals Hand war) und dann macht ihn Junuzovic mal wieder perfekt rein.

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  13. Oczipka,Chandler,Anderson,Russ,Madlung,Kinsombi.Flum.Medojevic,Ignjowski die Defensive von Eintracht Frankfurt.Zambrano,Hasebe und die Torhüter aussen vor.Wirklich Klasse hat dort keiner.Vielleicht sollte man mal die Transfers eines Herrn Hübner in Frage stellen.Viel kommt da nicht.

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  14. Da kommt immerhin so viel Klasse, da wir seit Jahren gut in der Liga mitmischen können.

    Für dieses kleine Budget macht Bruno einen guten Job; klar dass hier wieder manche meinen mit den paar Kröten viel besser zu sein; kennt man ja schon mittlerweile.

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