Mit 68 Toren stellte die Frauenmannschaft der Frankfurter Eintracht in der vergangenen Bundesliga-Saison die beste Offensive. 23 Scorerpunkte (14 Tore und 9 Vorlagen) und damit ca. 34 Prozent der Tore gehen auf das Konto von Eintrachts Offensivstar Nicole Anyomi. Die Torjägerin ist nach den bitteren Abgängen von Stina Johannes, Tanja Pawollek, Sophia Kleinherne, Barbara Dunst und Sara Doorsoun einer der wenigen Leistungsträgerinnen, die dem siebenfachen deutschen Meister (ehemals 1.FFC Frankfurt) treu geblieben ist. Die Eintracht ist erst ihre zweite Profistation, die gebürtige Krefelderin schloss sich nach fünf Jahren bei der SGS Essen 2021 den Hessinnen an und entwickelte sich zu einer verlässlichen Größe im Angriff unter Cheftrainer Niko Arnautis. „Ich würde schon sagen, dass ich einen großen Schritt in meiner Entwicklung gemacht habe“, resümierte Anyomi im vereinseigenen Podcast „Eintracht vom Main.“ „Ich weiß noch, als ich als schüchternes Mädchen hierher gekommen bin und gar nicht wusste, was auf mich zukommen wird, aber ich habe mich auf die Herausforderung, diesen Verein und die Stadt sehr gefreut. Jetzt würde ich sagen, dass ich zu einer gestandenen Bundesliga-Spielerin geworden bin“, führte die 22-Jährige aus, deren Annahmen sich mit Blick auf die Zahlen schnell untermauern lassen: Seit ihrer Vertragsunterschrift konnte sie ihre Anzahl an Toren von Jahr zu Jahr stetig steigern. In der Saison 23/24 beispielsweise standen noch elf Tore zu Buche, 24/25 kamen drei weitere dazu. „Wir Stürmerinnen werden daran gemessen, Tore zu schießen. Damit habe ich mir sehr viel Druck gemacht. Mittlerweile sage ich mir, ich versuche Spaß zu haben und dann kommen die Tore von selbst.“
Schwere Entscheidung
Eine Spielerin wie Anyomi mit den Offensivqualitäten gehört zweifelsfrei in die deutsche Nationalmannschaft, für die Europameisterschaft 2025 in der Schweiz stand die Adlerträgerin völlig überraschend aber nicht im Kader. Eine Entscheidung, die sie selbst schweren Herzens zum Wohl ihres Körpers treffen musste. Knieprobleme machten Anyomi zu schaffen. „Nach vier Jahren ist ein Punkt erreicht, an dem ich merke, ich kann nicht mehr, ich muss was tun, aber ich wollte immer noch spielen“, ließ sie durchblicken. Anyomi hatte bereits in ihrer Debütsaison am Main mit einer Verletzung zu kämpfen, weshalb ihr nur vier Tore gelangen. Nachdem sie bei vorherigen großen Turnieren teilgenommen hatte, entschied sie sich, auf die diesjährige EM zu verzichten. „Die Hinrunde war schon hart für mich und dann wirst du Herbstmeister und du denkst dir ‚boah geil!‘. Natürlich willst du dann weiterspielen. Mir wurde auch immer wieder gezeigt, dass ich wichtig für diese Mannschaft bin. Ich war auch sehr gut in Form, weshalb ich weiterspielen wollte“, erklärte sie. Die Entscheidung, auf die diesjährige EM zu verzichten, fiel ihr letztlich „sehr sehr schwer. Ich habe mit meinen Engsten darüber gesprochen. Es gab auch Phasen, wo ich mir gesagt habe, ’nein, ich ziehe das auch dieses Jahr durch. Ich werde alles tun, damit ich in die Nationalmannschaft zurückkehre.‘ Dann gab es Phasen, wo sich mein Knie nicht gut angefühlt hatte, sodass ich mir gesagt habe, ’nein das macht keinen Sinn'“, machte sie deutlich.
Anyomi begründet EM-Aus
Eine Untersuchung im Krankenhaus veranlasste die Angreiferin schlussendlich dazu, Bundestrainer Christian Wück eine Absage zu erteilen. „Die Arzthelferin hat mich gefragt, ob ich zwei, drei Jahre oder sechs, sieben Jahre Fußball spielen möchte. Natürlich will ich noch länger spielen. Das hat mir gezeigt, dass ich den Sommer für mich nutzen muss. Das war der ausschlaggebende Punkt. (…) Ich wollte den Sommer für mich nehmen, damit ich schmerzfrei werde und mich langsam, peu à peu aufbaue.“ Ein Schritt, der bei den Verantwortlichen auf überraschende Reaktionen stieß, aber auf deren Unterstützung sie dennoch zählen konnte. „Man hat es mir gar nicht angemerkt, dass es mir in Anführungszeichen so schlecht ging, ich mein, anderen Menschen geht es immer schlechter, aber ich hatte schon echt sehr zu kämpfen, aber er (Niko Arnautis, Anm. d. Red.) stand auch hinter mir, hat gesagt ‚Nici, mach das! Und hat mir Mut zugesprochen. Er hat mir gesagt, dass ich für die kommende Saison fit sein werde und dass sie auf mich aufpassen werden, was mir natürlich sehr viel Kraft gegeben hat. Mit dem Nationaltrainer habe ich auch darüber gesprochen. Er hat mir auch bereits gesagt, dass ich fit und schmerzfrei werden muss, weil man bei einem Turnier nur mit fitten Spielern spielen muss. Das kann ich absolut nachvollziehen. Das stimmt ja auch.“
„Bin stolz auf die Mannschaft“
Die Nicht-Teilnahme an der EM in der benachbarten Schweiz bedauert die Deutsche mit togoisch-ghanaischen Wurzeln trotzdem ein wenig. „Es wäre schon geil gewesen, nochmal so eine EM zu spielen, vor allem in der Schweiz, wo Familie und Freunden hätten kommen können. Aber es sollte diesen Sommer nicht so sein.“ Auch wenn Anyomi nicht sportlich auf dem Platz mitwirken und zu einem erfolgreichen Turnier beitragen konnte, war es der 27-fachen Nationalspielerin wichtig, ihre Mitspielerinnen von außen tatkräftig zu unterstützen. „Ich konnte die EM schon gut schauen, weil ich weiß, dass die Mannschaft so viel Qualität hat. Ich habe es jeder Einzelnen gegönnt! Für einige war es sogar das erste Turnier, was man auch gesehen hat, aber sie haben alle hervorragend gespielt, super Leistung. Ich war sehr stolz auf die Mannschaft„, schwärmte Anyomi. „Es hat sehr viel Spaß gemacht. Man hat bis nach Deutschland gespürt, dass jede Einzelne auf dem Platz für die Andere kämpft. Sehr sehr schade, dass sie gegen Spanien rausgeflogen sind, weil sie mehr verdient hätten, aber das war schon ein Erlebnis!“ Eine Berufung zurück in den DFB-Kader bleibt für die SGE-Stürmerin weiterhin ein Thema. „Das ist das nächste Ziel. Also ich bin jetzt schmerzfrei und wir arbeiten jetzt daran, mich langsam aufzubauen, mich fit zu machen für das erste Spiel, was am 5. September stattfinden wird. Und dann ist natürlich das Ziel, wieder in die Nationalmannschaft berufen zu werden“, zeigte sich Anyomi kämpferisch.
„Umbruch kommt zum richtigen Zeitpunkt“
Zum ersten Mal erlebt die Frauenmannschaft von Eintracht Frankfurt einen wirklich vor allem in dem Ausmaß großen Kaderumbruch. Auf die Abgänge von Spielerinnen wie Barbara Dunst, Tanja Pawollek, Sophia Kleinherne etc. konnte die Führungsetage um Katharina Kiel reagieren. Neuzugänge wie das schwedische Duo Rebecka Blomqvist plus Amanda Ilestedt sowie Jarne Teulings, Ereleta Memeti, Marthine Østenstad, Noemi Ivelj und Ainhoa Alguacil streifen sich ab kommender Saison das rot-schwarz gestreifte Trikot über. Die Liste ist lang und sie könnte noch länger gehen, die Eintracht muss sich teilweise auf eine komplett neue Mannschaft einstellen. Die Abgänge wichtiger Spielerinnen sollen kompensiert werden, „indem jede einzelne Spielerin, vor allem auch wir die neuen an die Hand nehmen, das ist das erste, aber auch, dass die neuen Spielerinnen ihre Qualitäten mit sich bringen und das auch vor allem auf dem Platz zeigen, weil ich finde, so formt sich ein neues Team. Natürlich tun die Abgänge weh, aber der Umbruch ist zur richtigen Zeit gekommen“, zeigt sich Anyomi optimistisch, die sich besonders auf die beiden Neuverpflichtungen Memeti und Blomqvist freut. Mit der Erstgenannten ist es für Anyomi quasi eine Art Wiedersehen. „Eri (Memeti, Anm. d. Red.), kenne ich, ich sag jetzt mal, auch einen Ticken länger, weil sie auch in der Agentur bei mir ist und sie hat sich schon sehr gut ins Team eingespielt. Also ich hab nicht das Gefühl, dass sie eine neue Spielerin ist. Sie macht das echt sehr gut, sie bringt Qualitäten mit, die jetzt nicht jede Spielerin hat.“ Die kosovarische Nationalspielerin zeichnet sich darin aus, dass sie „eine kleine, quirlige Spielerin und sehr dribbelstark ist sowie einen sehr guten Abschluss hat. Ich glaube, das hat uns in den einen oder anderen Momenten auch gefehlt, wenn ich diese Saison Revue passieren lasse.“ Neu für Anyomi ist definitiv die Schwedin Blomqvist, von der die Offensivfrau ebenfalls viel hält. „Ich glaube, die ist auch sehr flexibel, was Position angeht. Sie hat da auch einen sehr, sehr guten Eindruck hinterlassen. Sie sitzt auch in der Kabine neben mir und wir machen da schon einige Späße. Das macht auf jeden Fall schon sehr, sehr viel Spaß mit den beiden.“
Anyomi fiebert Saisonstart entgegen
Eintrachts Torgarant ist jedenfalls heiß auf den anstehenden Saisonstart. Mit DFB-Pokal, Champions League (Quali) und Bundesliga sind die Frauen von Cheftrainer Niko Arnautis in drei Wettbewerben vertreten. Zum Start empfangen die Adler die SGS Essen mit einer bis dahin im Idealfall vollständig fitten Anyomi, die bereits am ersten Spieltag die Mission, eigene Torquote aus der Vorsaison zu übertreffen angehen könnte. Sie kann es jedenfalls kaum erwarten. „Ich habe da richtig Bock drauf. Ich freue mich schon, wenn es wieder losgeht. Ja, wir starten mit englischen Wochen, was für den einen oder anderen vielleicht auch neu sein wird. Die einen oder anderen kennen das schon, weil wir da auch Champions League-Erfahrungen gesammelt haben. Aber es wird richtig geil sein, in einer Woche zwei Spiele zu haben. Ich glaube, wichtig ist nur, dass jeder irgendwie auf seine Spielzeiten kommt, dass wir als Team auch in diese Spiele gehen, weil wir nur dadurch erfolgreich sein werden. Und ja, ich freue mich einfach wieder international zu spielen, weil wir auch letztes Jahr alles dafür gegeben haben, wieder international spielen zu dürfen.“
3 Kommentare
Interessant direkt von einer Spielerin (nicht Trainer oder Funktionäre/innen) zu hören, dass der Umbruch zum richtigen Zeitpunkt kam.
Wünsche Nici Kraft und Fokus damit sie schnellstmöglich zu alter Form und Stärke findet.
Für mich stellt sich die Frage, wie unsere Damen in die medizinischen Strukturen der Eintracht eingebunden sind. Irgendwie klingt der Vorgang bei ihr sehr selbst organisiert und dann habe man auch den eigenen Staff mit einem eigenen Plan überrascht. Vielleicht interpretiere ich da ja zu viel rein, aber bei den Herren ist man da offenbar deutlich näher an den Spielern. Wäre aber schade, weil wir ein Verein sind und solche Synergien eigentlich besser nutzen sollten.
Das war eigentlich eine Antwort an rob: Ich denke schon, dass bei den Mädels auch Medizinchecks gemacht werden, aber scheinbar hat sie sich ja nichts anmerken lassen. Sie scheint da so eine Seppl-Rode-Einstellung zu haben, die generell natürlich jedem gut zu Gesicht steht, aber er selbst hat sich ja mal so geäußert, dass er eine (noch) erfolgreichere und längere Karriere gehabt hätte, wenn er sich mehr geschont hätte. Zum Glück hat diese nette Arzthelferin den richtigen Wink mit dem Zaunpfahl gegeben, besten Dank an die gute Dame, es schenke ihr jemand ein Anyomi-Trikot :)
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