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Jens Grahl ist da, wenn er gebraucht wird. Foto: IMAGO / osnapix

Jens Grahl: „Die Mannschaft ist das Wichtigste“

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In seinen drei Jahren bei Eintracht Frankfurt hat sich Jens Grahl bisher nur sechs Mal das Trikot mit dem Adler übergestreift. Wer die SGE allerdings genauer beobachtet, der weiß um die Wichtigkeit des Schlussmanns im Torhüter-Team. Der 36-Jährige, mit einem Adler-Tattoo auf dem Rücken, war fast während seiner gesamten Karriere der Ersatzmann und immer da, wenn er gebraucht wurde. Das hat er bei der Eintracht mittlerweile auf der größten Bühne unter Beweis gestellt. Im Interview mit dem Klubmazagin „Eintracht vom Main“ spricht er über das besondere Verhältnis zu Torwarttrainer Jan Zimmermann, die Bedeutung von Mentaltraining und das Familienleben in Frankfurt.

„Ich wollte auf dem höchsten Niveau Fußball spielen und war auch immer in der Bundesliga oder zweiten Liga vertreten. Meistens war ich die Nummer zwei“, blickt Jens Grahl auf 17 Jahre Profifußball zurück. „Dafür brauchst du mentale Stärke. Für mich war der Kopf immer sehr wichtig, den musst du auch trainieren. Ich habe die Rolle immer angenommen, so wie sie ist. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Karriere.“ Nach seinen Anfängen bei Fürth, Hoffenheim und Paderborn landete der 36-Jährige 2021 bei der SGE. Seit diesem Sommer reiht er sich hinter Trapp und Santos in der Torwart-Hierarchie an Stelle Nummer drei ein. „Es kribbelt immer“, erzählt Grahl. „Aber die Situation ist jetzt auch anders als vielleicht noch vor einigen Jahren. Jetzt habe ich Familie, habe drei Kinder, sie gehen hier zur Schule und in den Kindergarten. Da sagt man nicht mehr geschwind, man geht woanders hin, sondern man überlegt es sich zweimal. Ich fühle mich hier sehr wohl und meine Karriere befindet sich auf der Zielgeraden. Deswegen habe ich überhaupt gar keine Gedanken, meinen Vertrag (bis 2026) hier nicht zu erfüllen.“ Sein Ehrgeiz ist nämlich trotz seines Alters ungebrochen: „Ich bin Sportler durch und durch und will mich jeden Tag messen. Es ist diese intrinsische Motivation, dieser innere Antrieb, niemals aufgeben zu wollen. Den habe ich noch. Solange das Feuer in mir brodelt, werde ich nicht aufhören.“ Dieser Antrieb ist es auch, der ihn so lange auf diesem hohen Niveau spielen lässt. „Ich hätte auch in die zweite oder dritte Liga gehen können, aber ich habe das nicht als Option gesehen. Ich war immer sehr zufrieden in meinen Klubs und wollte auf Topniveau trainieren und spielen“, sagt der Schwabe. „Im Endeffekt konnte ich leider nicht so viel spielen, aber es ist okay für mich. Es gab schon mal das ein oder andere Angebot, bei dem ich überlegt habe, auch aus dem Ausland. Aber es war nicht das Angebot, bei dem ich davon ausgehen konnte, dass ich zu 100 Prozent gespielt hätte oder meine Chance auf Einsatzzeit wesentlich größer gewesen wäre. Ich bin gerne länger bei einem Verein und identifiziere mich mit diesem. Das ist hier bei der Eintracht auch so, deswegen bin ich hier sehr glücklich.“

„Kann Zimbo nachts um drei anrufen“

Besonders die Zusammenarbeit mit Torwarttrainer Jan „Zimbo“ Zimmermann beschreibt Grahl als eine ganz besondere: „Es ist sehr freundschaftlich, aber auch sehr professionell. Ich habe noch nie so einen akribischen Torwarttrainier gesehen, der sich so um seine Torhüter kümmert. Ich wüsste, ich könnte ihn nachts um drei Uhr anrufen und er wäre für mich da. Auch wenn ich etwas Privates hätte. Das macht ihn aus, dass er das Menschliche neben dem Fußballer sieht. Dass wir keine Maschinen sind, sondern auch Menschen mit Gefühlen. Auch sein Training ist immer individuell abgestimmt und er passt es sehr gut an das Mannschaftstraining an“, schwärmt der gebürtige Stuttgarter. Als ich kam, war die Fangsicherheit im Fokus. Jetzt sind wir beim Schrittsetzen, da gibt er immer neue Impulse und erklärt uns, wo wir uns verbessern können. Auch beim Sprinttraining, beim Abstoppen. Sachen, über die man sich vielleicht gar nicht so viel Gedanken macht als Torwart, aber die extrem bedeutsam sind. Er lässt hier auch Erkenntnisse aus verschiedenen Sportarten einfließen, er holt sich überall seine Ideen.“ Aber auch mit seinen beiden Torwart-Kollegen stimmt die Chemie. „Wir pushen uns gegenseitig und freuen uns, wenn der andere einen geilen Ball hält. Es spielt sich immer in einem positiven Rahmen ab“, erklärt Grahl. Da entwickelt man sich viel besser weiter, wenn man weiß, der hintendran gibt zwar Gas, aber gönnt einem auch etwas. Ich bin so viel besser gefahren.“ Ohnehin ist für ihn der Mannschaftserfolg die klare Priorität. „Wenn ich jetzt weiter der dritte Torwart bin, geht es trotzdem um die Mannschaft. Das ist das Wichtigste.“ Auch zu seinem ehemaligen Teamkameraden Diant Ramaj, der mittlerweile in Amsterdam spielt, hat Grahl nach wie vor ein sehr freundschaftliches Verhältnis: „Mit ihm war ich sehr eng, im Sommer war ich auch auf seiner Hochzeit.“ 

Torwart-, Mental- oder doch Potenzialtrainer?

Wie es mal nach der Profi-Karriere weiter geht, ist für Jens Grahl noch völlig offen. Die  Trainerlizenz B+ hat er allerdings schon erworben. „Ich habe noch knapp zwei Jahre einen Profivertrag und dann werden wir sehen. Ich mache gerade noch eine Fernausbildung zum Mentaltrainer. Das würde mich auch interessieren. Torwarttrainer, Mentaltrainer, Potenzialtrainer, wie bei uns aktuell Martin Daxl, der hier hervorragende Arbeit leistet, oder etwas ganz anderes“, verrät der 36-Jährige. „Ich habe jetzt noch keinen Plan und werde sicherlich irgendwann mit Markus Krösche reden, was er mit mir vorhat.“ Allgemein sieht er aber beim Mentalen im Fußball noch viel Potenzial. „Es ist oft noch ein Tabuthema. Der Kopf macht 70 bis 80 Prozent des Fußballprofis aus. Ein Beispiel: Den Steilpass zum Stürmer spielt wahrscheinlich auch ein guter Drittligaspieler, aber ein Mario Götze spielt auch den genialen Steilpass unter noch mehr Gegnerdruck, weil er auch im Kopf ein ganz anderer Typ ist.“ Diese mentalen Stärken sind auch in seiner Parade-Rolle als Ersatztorhüter extrem wichtige Attribute: „Wenn ich nicht stark im Kopf gewesen wäre, hätte ich diese Rolle niemals ausgehalten. Irgendwann drehst du durch, wenn du nie spielst. Irgendwann verlierst du die Lust am Fußball. Da musst du mental dranbleiben.“ Deshalb legt der dreifache Papa schon seit Jahren extrem viel Wert auf sein Mindset und arbeitet daran zusammen mit seiner Frau: „Das Problem ist, wenn man sich ein bisschen verletzlich zeigt, sich ein wenig öffnet, dann ist man im Fußball immer gleich schwach. Eigentlich ist das aber eine große Stärke, wenn man seine Probleme akzeptiert und annimmt und darüber redet und sich darin verbessert. Aus meiner Sicht müsste jeder Fußballer regelmäßig mit einem Mentaltrainer, Psychologen oder einem Potenzialtrainer sprechen. Das bringt einen auf die nächste Stufe.“

„Hier gehören wir hin“

Neben dem Fußball spielt vor allem die Familie eine große Rolle im Leben des Schwaben. „An schönen Tagen gehen wir zum Spielplatz, die beiden Mädels sind ja noch jünger als unser Sohn. Mit ihm spiele ich natürlich oft Fußball, auch zu Hause“, verrät der Schlussmann. „Er ist absolut fußballverrückt, totaler Eintracht-Fan. Er spielt bei uns im Dorf und war in letzter Zeit ab und zu bei der Eintracht im U9-Training dabei. Ich sehe das aber entspannt. Er ist acht Jahre alt, er soll mit seinen Jungs bei uns im Dorf kicken.“ Allgemein hat sich die fünfköpfige Familie in Frankfurt schnell eingewöhnt und fühlt sich zu Hause: „Meine Kinder fühlen sich hier wohl, meine Frau fühlt sich wohl. Wir überlegen, ob wir vielleicht nach der Karriere fest hierbleiben. Mich zieht nichts weg hier. Ich bin verbunden mit Stuttgart, mit meiner Heimat, aber im Moment möchte ich dort nicht hinziehen. Hier, wo wir jetzt sind – ich glaube, hier gehören wir hin.“ Seine Frau beschäftigt sich beruflich viel mit Ernährung – ein Thema, dass auch dem Torhüter sehr am Herzen liegt: „Ich bin Leistungssportler und versuche natürlich, mich sehr gesund zu ernähren. Zu Hause sowieso, da gibt es nur gesunde Sachen. Aber ich bin auch ein Typ, ich esse auch gerne mal einen Burger oder einen Käsekuchen. Ich esse gerne, und da darf es auch mal ein gesunder Burger mit gesundem Fleisch sein. Das lasse ich mir auch nicht nehmen und trägt auch zur mentalen Gesundheit bei“, lacht Grahl. Dazu ist er ein echter Kaffee-Liebhaber: „Schwarzer Kaffee ist sehr gesund. Meine Frau sagt, drei bis vier schwarze Kaffee am Tag sind okay. Kaffee ist Leidenschaft. Ich trinke sehr gerne Kaffee.“ Damit ist er aber nicht alleine in der Eintracht-Kabine. „Mit Kevin Trapp, Mario Götze und Timmy Chandler am meisten, Robin Koch ist auch noch dabei, jetzt ist Mo Dahoud noch dazugekommen. Das ist unsere Runde in unserer Kaffee-Lounge. Wir haben unseren eigenen Siebträger und gönnen uns vor dem Training noch einen Kaffee und quatschen. Das ist immer gut.“ In seinen drei Jahren am Main hat Grahl aber auch schon auf dem Platz viele besondere Momente erlebt. Der Europapokalsieg ist auch für ihn persönlich der größte Erfolg seiner Karriere: „Das ist der wertvollste Tag meiner Fußballerkarriere bisher gewesen.“ Aber auch seine Torvorlage gegen Hoffenheim ist nachhaltig in Erinnerung geblieben. „Wir haben davor gesagt, dass wir den Ball hinter die Kette spielen wollen. Der Ball kam optimal, ich konnte ihn weit und präzise schlagen. Dann ist Omar unterwegs, wie wir ihn kennen, mit seiner Schnelligkeit, und macht es super.“ Dazu durfte der Torhüter mit 35 Jahren in derselben Saison sein Europapokal-Debüt feiern. „Das hätte ich niemals gedacht, dass ich da nochmal einen Einsatz bekomme“, erinnert sich der Torhüter. „Darauf bin ich sehr stolz, auf mich, weil es das Ergebnis der harten Trainingsarbeit hier ist.“ In der aktuellen Saison will sich Jens Grahl trotz seines Alters immer noch weiterentwickeln: „Was am Ende dabei rumkommt, liegt nicht in meiner Hand. Ich werde aber für ein top Ergebnis hart arbeiten. Der Mannschaft wünsche ich den maximalen Erfolg, dass wir alles rausholen. So wie wir zurzeit drauf sind und spielen, ist alles möglich. So können wir eine Top-Platzierung in der Bundesliga erreichen und in den Pokalwettbewerben sehr weit kommen.

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Ein Kommentar

Fallback Avatar 1. hadabambata 23. Oktober 24, 12:32 Uhr

Richtig guter Typ.

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