reiner schäfer sebastian leinweberReiner Schäfer war Anfang der 90er-Jahre zwei Jahre als Geschäftsführer der Frankfurter Eintracht tätig. Nach der verpassten Meisterschaft verabschiedete er sich vom Riederwald. Es folgten Anstellungen in höheren Etagen bei namhaften Unternehmen wie Südzucker oder Lufthansa. Zudem war er über viele Jahre im Verwaltungsrat der Eintracht. Nun kandidiert der 70-Jährige am Sonntag bei der Wahl zum Präsidenten von Eintracht Frankfurt e.V. und stellt sich damit Peter Fischer. Im Exklusivinterview mit der Redaktion von SGE4EVER.de sprach Schäfer über seine Beweggründe.

Herr Schäfer, Sie waren zu Beginn der 1990er-Jahre Geschäftsführer bei Eintracht Frankfurt. In der aktuellen Ausgabe des Fanmagazins „Fan geht vor“ wurde ihr damaliger Rücktritt als „Schock“ bezeichnet. Man hat Sie als ernsthaft, ehrlich und mit viel Ausdauer ausgestattet in Erinnerung. Können Sie uns etwas über ihren Werdegang erzählen und wie Sie zur Eintracht kamen?
„Ich hatte davor insgesamt 23 Jahre bei der Lufthansa gearbeitet. Ich habe mich dann an  einer Aktion von ehemaligen Sportlern beteiligt, um Geld für Leukämieerkrankte zu sammeln, und traf in diesem Rahmen bei einer Veranstaltung in Frankfurt Bernd Hölzenbein und Jürgen Grabowski. Beide haben danach unabhängig voneinander zu mir gesagt: ‚So einen wie dich bräuchten wir bei der Eintracht.‘ Ich war immer schon sportbegeistert und habe auch bei Rot-Weiß-Essen in der Jugend Fußball gespielt. Im Jahre 1960 spielte die Eintracht im Finale des Europapokals der Landesmeister gegen die legendäre Mannschaft von Real Madrid. Da hatten sie zwar keine Chance, aber seitdem war ich Fan, obwohl ich aus dem fernen Essen kam. 1972 kam ich für die Lufthansa nach Frankfurt und begann ins Stadion zu gehen.“

Und wie ging es dann mit Ihnen und der Eintracht weiter?
„Dann fragte mich die Eintracht plötzlich, ob ich hauptamtlich für sie arbeiten wolle. Es war so: Halb zog es ihn, halb sank er hin. Es gab einen Wechsel im Aufsichtsrat meiner Firma, und dann hab ich den Bernd Hölzenbein angerufen und gefragt: ‚Gilt das Angebot noch?‘ Er meinte dann: ‚Wir tragen dich mit der Sänfte nach Frankfurt, wenn du kommst.‘ Ich musste mich aber trotzdem vorstellen, weil mich die anderen Präsidiumsmitglieder nicht kannten und habe angeboten, dass ich mich um irgendein Problem kümmere, das sie haben – und das war die Satzung. Ich habe dann eine neue Satzung ausgearbeitet, die heute noch in Teilen Bestand hat, wie zum Beispiel die nicht direkte Wahl des Präsidenten. Von daher holt mich meine Vergangenheit jetzt wieder ein. Der Schatzmeister fragte mich, was ich mir für ein Gehalt vorstelle. Ich antwortete damals, dass ich das Gleiche verdienen wollte, wie bei der Lufthansa. Der Schatzmeister guckte etwas seltsam, wie ich später erfahren habe, weil er dachte, ich wollte viel mehr verdienen. Schließlich habe ich einen Zwei-Jahres-Vertrag unterschrieben und angefangen.
Als Auto-Kennzeichen hatte ich ET 49 gewählt (EF gab es nicht). Die Zahl stand für die Punkteausbeute, mit der man meiner Meinung nach Deutscher Meister wird (Damals bestand noch die Zwei-Punkte-Regel – Anm. der  Red.). Wir hatten damals gerade den Abstieg vermieden, aber ich meinte, man müsse sich Ziele setzen. In der nächsten Saison waren wir bereits im UEFA-Pokal und im Jahr darauf spielten wir um die Deutsche Meisterschaft. Hätten wir damals gewonnen, wäre ich vielleicht länger geblieben, denn dann wäre ich der Geschäftsführer gewesen, unter dem die Eintracht das zweite Mal Deutscher Meister wurde.“

Als Geschäftsführer waren Sie ja nicht nur für die Fußballprofis zuständig?
„Ich habe mich auch um die verschiedenen Abteilungen gekümmert, die ja damals in vielen Sportarten erfolgreich waren. Ich habe Sponsoren besorgt und die Unterteilung von Leistungssport und Breitensport entschieden, die es auch heute noch gibt. Und dann kam auch eine meiner ersten schweren Entscheidungen: Die Hockeyabteilung hatte damals am Ende des Jahres einen Fehlbetrag von 2,5 Mio. DM, was für damalige Verhältnisse viel Geld war. Ich musste die Schließung der Profi-Eishockeyabteilung beschließen und habe das kurz vor Ende der Saison angekündigt. Ich besuchte aber weiterhin die Spiele und wurde von den Fans mit ‚Schäfer-Raus‘-Rufen bedacht. Aber ich habe mir damals gedacht, als oberster bezahlter Repräsentant gehe ich weiter dort hin. Im nächsten Spiel wurde dann gerufen: ‚Nie wieder Eintracht!‘ Der Fansprecher hat mir erklärt, dass sie es gut fanden, dass ich trotz der „Schäfer-Raus“-Rufe weiterhin gekommen sei und mich den Fans gestellt habe, während sich vom Präsidium nie einer hat sehen lassen. Nach diesem Jahr habe ich dann auch aufgehört.“

Wie war damals Ihr Verhältnis zu den Fans der Eintracht insgesamt?
„Ich war der erste, der die Fans ernst genommen hat. Das klingt jetzt vielleicht arrogant, aber es ist die Wahrheit. Ein Beispiel: Als ich damals als Geschäftsführer bei der Eintracht angefangen habe, ging ich jedes Spiel in der Pause in den Fanblock. Da standen immer Fans, teilweise schon eine Stunde vor dem Spiel. Beim Auswärtsspiel in St. Pauli war ich im Block und um mich herum standen etwa 100 Fans, die ziemlich aggressiv gewirkt haben. Einer meinte: ‚Das ist der, der uns Stadionverbot erteilt hat.‘ Ich hatte davon noch nie etwas gehört, ich war ja gerade erst ein paar Monate im Amt. Einer aus der Fangruppierung „Adlerfront“, mit dem ich heute noch in Kontakt bin, hat mich gerettet und sagte: ‚Der ist in Ordnung, der kommt  jedes Spiel in den Fanblock, ohne Kamera, ohne etwas zu wollen. Der stellt sich da einfach hin, und wenn jemand mit dem sprechen will, dann spricht er mit jedem.‘ Ich habe die Fans dann gefragt, was sie von mir wollen. Sie verlangten die Aufhebung der Stadionverbote. Ich unterbreitete ihnen folgendes Angebot: ‚Beim nächsten Heimspiel treffen wir uns in der Kneipe vom Stadionhotel um elf Uhr. Bis dahin werde ich mich erkundigen und ihnen sagen, was wir machen.‘
reiner schäfer benny hansen sebastian leini leinweber christopher michelIch habe dann in Erfahrung gebracht, dass es 40 Stadionverbote gab, die ich aufheben wollte. Im Vorfeld musste ich mich dazu noch mit der Polizei absprechen. Ich bin dann zu den Fans und habe gesagt: ‚Ich habe hier einen Zettel dabei, da müsst ihr Euren Namen, Eure Adresse und Eure Telefonnummer eintragen und unterschreiben. Unten stand: ‚1. Wir erklären, dass wir offizieller Fanclub werden‘ (das waren sie damals noch nicht) und ‚2. Wir verzichten auf Gewalt.‘ Mit diesem Zettel bin ich dann zum Treffpunkt gegangen. Meine Sekretärin meinte noch: ‚Da kommt keiner von denen.‘ Als ich am Treffpunkt erschien, waren plötzlich 180 Leute da. Der Chef der Adlerfront, mit dem ich heute auch noch Kontakt habe, pfiff auf zwei Fingern und sofort war Ruhe im Saal. Er sagte: ‚Wir haben nicht damit gerechnet, dass Sie kommen‘, und ich meinte: ‚Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie kommen.‘ Als ich ihnen dann von dem Zettel u.a. mit dem Verzicht auf Gewalt erzählte, brach ein Sturm der Entrüstung aus. Ich entgegnete ihnen und machte deutlich, dass ich keine Prügelei im Stadion mehr haben wolle, denn dorthin kämen nämlich auch Familien mit Kindern. Ich sagte ihnen, dass in der Bürostadt Niederrad, welche nicht weit vom Waldstadion entfernt ist, an Wochenenden bei Spieltagen nichts los sei. Dort können sie sich von Freitag 19 Uhr bis Montag 07 Uhr prügeln, wenn sie das wollten – das wäre mir egal. Das haben sie dann akzeptiert.“

Nachdem Sie ihren Posten als Geschäftsführer aufgegeben hatten, sind Sie Eintracht aber weiterhin verbunden geblieben.
„Ja, ich bin Mitglied geblieben, habe dann aber beim Unternehmen Südzucker den Posten als Marketingchef angenommen. Die sitzen zwar in Mannheim, aber ich habe zu meinem Chef gesagt: ‚Frankfurt ist der Nabel der Welt, da brauchen wir Business Seats‘, und die hatten wir dann auch, solange ich da war. Als Mitglied habe ich auch immer, wenn ich es für angebracht und notwendig hielt, mein Wort erhoben. Das nach der Satzung höchste Gremium der Eintracht ist die Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung wurde aber schon immer – auch unter Herrn Fischer nach meinem Empfinden – nicht ausreichend informiert. Man muss ja nicht die Gehälter der Geschäftsführung veröffentlichen – das wollte ich auch nicht, und in der Satzung steht auch, dass über die Beschlüsse des Verwaltungsrat Stillschweigen bewahrt werden muss. Aber die Probleme, die wir haben, können doch den Mitgliedern nicht vorenthalten werden.“

War das der Grund dafür, bei der Wahl gegen Peter Fischer, der bereits 15 Jahre Präsident bei der Eintracht ist, antreten zu wollen?
„Unter anderem. Fischer sagte im Juni 2014, dass er darüber nachdenke, nicht mehr zu kandidieren, da ihm einige Sachen im Verein nicht gefielen. Welche hat er aber nicht gesagt. Ich hatte durch meine Zeit bei Lufthansa hier in Frankfurt ein gewisses Standing. Ich war damals zu jeder Veranstaltung der Stadt Frankfurt eingeladen. Da gibt es Mitglieder der Eintracht, die aber nichts mit den Fans zu tun haben und umgekehrt. Aber im Rahmen dieser Diskussion wurde ich gefragt, wer das meiner Erfahrung nach denn machen könnte. Spontan ist mir zunächst keiner eingefallen. Und dann kam zwangsläufig der Satz: ‚Was ist mit Ihnen?‘ Ich habe dann darüber nachgedacht – und zu diesem Zeitpunkt sagte Fischer auf einmal, dass er es doch mache! Es ist unbegreiflich, was er da wollte. Ich habe zu dieser Zeit dann Sachen erlebt, die ich davor noch nie erlebt hatte. Herr Fischer sagt zwar, er mache keinen Wahlkampf, aber er hat ihn auch nicht verhindert. Da sind Sachen vorgefallen, die sind so unter der Gürtellinie, dass meine Frau gesagt hat: ‚Jetzt musst du kandidieren! Jetzt geht es um Zivilcourage!'“

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4 Kommentare

  1. Was ist eure Meinung, wer solls machen, wer wird’s machen?

    Die finanzielle Schieflage wirkte zuletzt doch recht unproffesionell, oder?

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  2. Da hier keine Diskussion aufkam wollte ich keine beginnen. Diskutieren kann man über dieses Thema ja genug.
    Ich bin momentan ein wenig zwiegespalten. Wenn ich mir das obige Interview durchlese, dann entdecke ich einige Dinge bei denen ich zustimmen kann. Andererseits wird mir zu oft auf vergangenes eingegangen und immer wieder diese Fan-Nähe in den Vordergrund gestellt. Alles in allem wirkt er auf mich ein wenig angestaubt. 70 Jahre sind für dieses Amt zwar grundsätzlich kein Problem, Herry ist ja da auch nicht so weit weg, allerdings verstehe ich nicht wie man sich das dann noch antut.

    Zu den Finanzen des e.V. In der Fan geht vor war vor einiger Zeit ein mehrseitiges Interview mit Thomas Förster zu lesen. Hier mal der Link dazu:
    http://fan-geht-vor.de/pages/posts/interview-mit-thomas-foerster-vizepraesident-und-schatzmeister-eintracht-frankfurt-e.v.993.php

    Aus meiner Sicht sind da Faktoren zusammen gekommen die die finanzielle Schieflage begründen und bei denen ich den Verantwortlichen keinen Vorwurf machen kann. Außerdem sehe ich im großen und ganzen eine positive Entwicklung. Stichwort Leistungszentrum. Was mir ebenfalls gefallen hat sind die Versuche Mitglieder zu generieren. Denn, je mehr der e.V. hat, desto weniger muss die AG in die Bresche springen.

    Abschließend noch was zu Peter Fischer selbst. Er mag ja eine gute Außendarstellung haben. Er weiß wie man sich verkauft. Ich werde jedoch nicht so wirklich warm. Da ist mir einfach zuviel Selbstdarstellung mit bei. Daher bin ich was die Kandidaten betrifft denke ich bei einem Unentschieden.

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  3. ich finde es schon merkwürdig, dass Herr Schäfer sich in allererster Linie mit seinen Leistungen von vor 25 Jahren anbietet und als Mitglied im Verwaltungsrat, wie hat er denn da Einfluss genommen?
    Diese Bewerbung ist mir zu undurchsichtig, ich glaube da stecken ganz andere Interessen und Personen dahinter und da keine Kritik an der Sportarbeit im Verein fällt, kann es sich nur um den Einfluss auf die AG handeln.

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