Marco Russ will bei der Eintracht vorangehen.

Als Eintracht-Verteidiger Marco Russ am vergangenen Spieltag gegen den 1. FC Köln in der 58. Minute das 2:1 für die SGE erzielte, war absolute Gänsehautstimmung im Frankfurter Waldstadion angesagt. Denn der 32-Jährige hatte nicht nur die perfekte Antwort auf den drei Minuten zuvor erzielten 1:1-Ausgleich durch Simon Terodde gegeben, sondern auch das erste Tor nach seiner Krebserkrankung erzielt. Im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“ verriet der Innenverteidiger, dass er daran gar nicht gedacht hatte: „Es war etwas Besonderes, weil es mein erstes Tor seit fast zwei Jahren und es ein enorm wichtiger Treffer war. Mit meinem Tor und dem von Simone Falette haben wir einen Doppelschlag gesetzt, danach war der Käse gegessen. Das andere hatte ich gar nicht so auf dem Schirm.“ 

Nachdem Russ vor knapp einem Jahr sein Comeback nach seiner Krebserkrankung gegeben hatte, sei er nun wieder auf dem Level wie vor seiner Erkrankung, nachdem er in der Rückrunde der vergangenen Saison zwar Teil der Mannschaft gewesen sei, seine Einsätze aber eher den Verletzungssorgen geschuldet gewesen seien. Aber nicht nur bei sich selbst, auch im Kader der Hessen sieht der Co-Kapitän große Unterschiede zur vergangenen Spielzeit: „Wenn man sich jetzt ansieht, wer gegen Köln auf der Bank saß – das ist ja Wahnsinn. Und das ist der große Pluspunkt im Vergleich zu den vergangenen Jahren.“ 

Daher sei es für ihn auch kein Problem, im Falle einer Rückkehr David Abrahams wieder auf der Bank Platz zu nehmen. Er betonte, dass er zwar enttäuscht sei, wenn er nicht spiele, man aber damit umgehen können müsse. Diese Einstellung fordere er auch von seinen Mannschaftskollegen: „Da sollte auch jeder sein Ego hinten anstellen, die Mannschaft zählt. Wenn wir uns am Ende, jetzt nur theoretisch, für Europa und das Pokalfinale qualifizieren, dann darf doch keiner sauer sein, wenn er vielleicht nur zehnmal gespielt hat und auch mal auf der Tribüne saß. Die Mannschaft geht über alles.“ Um den jüngeren Spielern diese Einstellung mitzugeben, seien auch die älteren Spieler gefordert, so der Abwehrmann: „Die älteren Spieler sorgen dafür, dass diese Stimmung so bleibt wie sie ist. Gerade in so einer großen Gemeinschaft wie wir sie haben, ist das unumgänglich. Wir haben vier, fünf erfahrene Spieler, die vorneweg gehen und das auch an die Jungen weitergeben.“ Wie er verriet, habe auch er selbst von diesen Spieler profitiert, als er noch zu den Neulingen im Team zählte und als nicht pflegeleichter Profi galt: „Aber ich habe die Kurve bekommen dank Franco, dank Ex-Trainer Friedhelm Funkel oder älteren Spielern wie Oka Nikolov. Sie haben mir gesagt: „So kann es nicht weitergehen, sonst kickst du irgendwann hier in der vierten, fünften Liga, in der Hessenliga.“ Dann bin ich irgendwann aufgewacht.“

Marco Russ feiert gegen Hessen Dreieich heute sein Startelfdebüt.
Die Einwechslung von Marco Russ nach seiner Krankheit war wohl der emotionalste Eintracht-Moment 2017.

Durch die bisher so starke Saison ist der Traum vom Europapokal sowohl in den Medien, als auch bei den Fans aktuell wie schon lange nicht mehr. Russ möchte sich dadurch aber nicht verrückt machen lassen. „Jeder Fußballer hat den Traum, mal Champions League zu spielen, ist doch klar. Aber wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Es geht so schnell ein paar Plätze nach oben oder unten“, so der Rechtsfuß. Er betonte, dass es in seinen Augen keinen Sinn mache, sich selbst Druck zu machen: Positiv stimmt den gebürtigen Hanauer, dass die Mannschaft auf Rückschläge wie die herbe 0:3-Auswärtsniederlage gegen Augsburg wegstecke. Danach habe sich die Mannschaft geschüttelt und wie vorher weitergemacht.

A Propos Druck: Nach Angaben des Verteidigers habe sich dieser in den letzten zwei bis drei Jahren extrem entwickelt und mache vor allem vielen jungen Akteuren zu schaffen: „In den letzten zwei, drei Jahren ist der Fußball schon verrückt geworden. Sehen Sie sich die Gehälter an, die Ablösesummen oder auch den Druck von außen. Bei den jungen Spielern merkt man teilweise schon, dass sie Probleme haben, damit umzugehen.“ Außerdem kritisierte er die Schnelllebigkeit des Fußball-Geschäfts, die nicht wirklich Zeit zum Rückblicken lasse. Dies habe er selbst gemerkt, als er seine Rückkehr in die Bundesliga gefeiert hat: „Natürlich erinnert man sich an solche Momente, man saugt das auf. Es war für mich auch ein schönes Gefühl, als die Bayern-Fans in München nach meiner Einwechslung applaudierten. Das nimmt man wahr. Aber man muss es richtig einordnen können. Und der Fußball heute, da gebe ich Ihnen Recht, ist so schnelllebig geworden, da hat man gar keine Zeit mehr, in Erinnerungen zu schwelgen. Man muss den Schalter umlegen und sich so fokussieren, dass man auf dem Platz seinen Mann stehen kann.“ 

Auch durch seine Krankheit will er sich selbst keinen Druck bezüglich seiner Zukunft machen. Sein Ziel sei das Niveau zu halten und der Mannschaft so helfen zu können: „Ich werde so lange wie möglich versuchen, auf diesem Niveau weiter in der Bundesliga zu spielen. So lange es läuft wie zurzeit, denkt man auch über nichts anderes nach.“ Wenn dann sei Amerika eine Möglichkeit, die er aber nur im Hinterkopf habe. „Generell gilt: Wenn ich merken würde, es reicht nicht mehr für die Eintracht, dann würde ich mir Gedanken machen. Vorher nicht!“

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