Von 2002 bis 2006 spielte er in der Jugend von Eintracht Frankfurt und widmete sich nach seiner Zeit als Profi einer Trainerkarriere. Bereits in der U17 und U19 war er von 2017 bis 2019 als Co-Trainer tätig und in der U17 sogar von 2019 bis 2020 als Cheftrainer. Jan Fießer kennt die Eintracht deshalb aus dem Effeff und arbeitet seit Beginn der aktuellen Spielzeit als Assistent unter Cheftrainer Dino Toppmöller bei den Profis. Im vereinseigenen Interview sprach er über das anstehende Europa-League-Spiel bei Ajax Amsterdam, über seine Tätigkeit als Co-Trainer in der Eredivisie und analysierte den niederländischen Fußball.
Wunsch in Erfüllung gegangen
Ende Januar erlangte Fießer nach einjährigem Lehrgang die Pro Lizenz, sprich die höchste Trainerlizenzstufe. Bei der zwölfmonatigen Ausbildung ging es dabei – wie man es wahrscheinlich als Außenstehender vermuten würde – nicht nur hauptsächlich um Fußballinhalte, „sondern vielmehr darum, ein Bewusstsein für Führung und Leadership zu entwickeln.“ Passend dazu kam das Spiel gegen Ferencvaros, bei dem er den gesperrten Toppmöller vertreten musste und seine erlernten Qualitäten unter Beweis stellen konnte. „Die Ausbildung sah vor, ein Spiel im Männerbereich als Cheftrainer zu leiten. Das hatte ich aber bereits zuvor im Rahmen des Rhein-Main-Cups erfüllt, als wir mit einer gemischten U21-U19-Auswahl gegen Offenbach gespielt haben. Hätten wir gewusst, wie es in der Europa League kommt, hätten wir vielleicht auch das in Erwägung gezogen“, erzählte der gebürtige Heidelberger. Fießer sammelte bereits Erfahrungen im Ausland, denn von 2020 bis 2022 arbeitete er als Assistent unter Ex-Bochum-Trainer Thomas Letsch bei Vitesse Arnheim. Mit dem kommenden Gegner, Ajax Amsterdam, freut sich Fießer auf seine Rückkehr in die Niederlande. „Schön, wieder nach Holland zu kommen, wo ich wunderbare Jahre hatte. Daher war das auch mein Wunschlos. Es werden einige Freunde kommen, die wir in dieser Zeit kennengelernt haben, ich durfte schon die eine oder andere Ticketanfrage weitergeben. Darauf freue ich mich.“
Ajax Amsterdam = FC Bayern
Seine persönliche Bilanz gegen Ajax ist ausbaufähig, in insgesamt sechs Duellen stehen einem Remis fünf Niederlagen gegenüber. Der 38-Jährige weiß um die Qualitäten des Gegners, vor dem er großen Respekt hat. „Ajax Amsterdam ist das Bayern München der Niederlande. Als ich mit ihnen die ersten Berührungspunkte hatte, würde ich beide Vereine sogar auf Augenhöhe sehen, was die Qualität der Spieler damals angeht. Tadic, Haller, Anthony, Alvarez, Gravenberch, Mazraoui, Timber, Blind, Martinez, Onana und ten Hag als Trainer sind in den vergangenen Jahren alle nicht grundlos zu Topklubs in Europa gewechselt.“ An die Spiele mit Arnheim gegen den niederländischen Rekordmeister erinnert sich Fießer genau. „Um ehrlich zu sein, hatten wir in keinem Spiel nur den Hauch einer Chance. Was unabhängig des Leistungslevels des Teams eine Herausforderung für die Auswärtsmannschaft darstellt, ist das Stadion: große Arena, lautstarke Fans, gerade europäische Nächte werden nochmal anders zelebriert. International gibt es normalerweise ein weißes Fahnenmeer, das habe ich selbst nicht miterlebt. Uns erwartet eine richtig gute Stimmung. Wir können uns auf eine schwere Aufgabe gefasst machen. Es ist für keinen einfach, in Amsterdam zu gewinnen.“
Fießer erklärt Cruyffs Fußballweisheit
In der gesamten Niederlande wird der Fußball leidenschaftlich gelebt. Es ist in Fießers Augen nicht nur Ajax, das für das Spielsystem des sogenannten „Totalen Fußballs“ bekannt ist. „Grundsätzlich hat das nicht ausschließlich etwas mit Amsterdam zu tun, sondern mit der niederländischen Fußballkultur. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ich war einmal als Zuschauer im Stadion. Ajax hat 2:0 geführt, ein gutes Spiel gemacht, aber in der zweiten Halbzeit die Kontrolle abgegeben. Der Unmut der Besucher war sofort zu spüren und zu hören: „Voetballen!“ haben viele gerufen, was etwa einer Aufforderung gleichkommt „Fußball zu spielen“. Sie waren unzufrieden, weil sie zu wenig den Ball hatten. Das steht nicht nur bei Ajax Amsterdam über allem, sondern die ganze Kultur in den Niederlanden ist vom Voetbal total geprägt. Natürlich ist Ajax der Vorreiter.“
Der niederländische Fußball hat in seiner gesamten Historie viele große Namen, die ihn geprägt haben. Zweifelsohne ist aber Johan Cruyff von allen die größte Legende. In Amsterdam geboren, ging er für die U19 von Ajax auf Torejagd, ehe er neun Jahre lang für die Profis kickte. Zudem stand er fünf Jahre lang beim glorreichen FC Barcelona unter Vertrag. Cruyff sagte einst: „Der einfache Fußball ist der schönste. Aber einfacher Fußball ist zugleich auch am schwersten.“ Klingt auf dem ersten Augenblick sehr verwirrend, glücklicherweise kann Fießer mit viel Fußballverstand aufklären: „Im Groben geht es darum, dass es am schwierigsten ist, mit zwei Kontakten Fußball zu spielen. Damit die Spieler nicht denken, sie müssen immer etwas Besonderes, sondern das vermeintlich Einfache machen: Erster Kontakt, Abspiel. Alle kennen die Weisheit: Weniger ist manchmal mehr.“
Es geht für den Assistenten dabei nicht, sich auf ein bestimmtes Ideal zu reduzieren. Es gehe auch nicht um den Ajax- oder Cruyff-Fußball, sondern vielmehr um das moderne Spiel und die Tatsache. Fießer erklärt: „Der Ball ist schneller als jeder Spieler. Es geht darum, viele Akteure im Zentrum zu haben, um den Gegner dort zu binden und dann außen ins Eins-gegen-eins zu kommen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass solche Topspieler eben die Gamechanger sind. Eine Qualität, die sich nur die großen Klubs leisten können.“
Ajax wieder in der Erfolgsspur
Der Fußball hat sich entwickelt und bietet deshalb mehr Möglichkeiten. Die Zeiten, in denen es nur ein bestimmtes Stilmittel gab, sind für den Ex-Profi längst Geschichte. „Jede Mannschaft muss alle Phasen beherrschen, um erfolgreich zu sein: einfaches Spiel, saubere Pässe und bei Ballverlust sind die Wege kurz und die Spieler frisch, um ins Gegenpressing zu sprinten. Selbst ein Pep Guardiola war mit seinen Teams so erfolgreich, weil sie auch gegen den Ball stark waren. Ähnlich ist es aktuell bei Arne Slot in Liverpool und vorher in Rotterdam. Die Tore sieht jeder, aber nicht alle, was davor geschah. Natürlich verschieben sich die Schwerpunkte abhängig der individuellen Stärke. Bei Topteams, die mehr den Ball haben, geht es noch mehr ums Gegenpressing. Der Rest regelt es über das kollektive Defensivverhalten“, so Fießer. Sportlich läuft es bei Gegner Ajax nach zuletzt zwei enttäuschenden Spielzeiten wieder rund. In der heimischen Eredivisie rangiert der niederländische Hauptstadtclub souverän mit acht Punkten vor PSV Eindhoven auf Platz 1. Mitverantwortlich für den Erfolg ist der junge Trainer Francesco Farioli, der seit Beginn dieser Saison die Geschicke lenkt. Co-Trainer Fießer macht aber den Erfolg des Gegners an einem ganz anderen Aspekt fest: „Die Ergebnisse sprechen für sich, ebenso aber, dass Ajax prinzipiell nicht vom 4-3-3 abweicht. So wie ich es in den vergangenen Jahren mitbekommen habe, ist es fast unmöglich, Trainer bei Ajax Amsterdam zu sein und ein anderes System zu spielen.“ Bewundernswert ist für den Fußballlehrer, wie Ajax es geschafft hat, wieder in die Erfolgsspur zu finden. „Was für mich heraussticht, ist, dass sie nach dem großen Umbruch vor zweieinhalb Jahren, als sie im Grunde die komplette Stammelf verloren haben, und einem Hänger seitdem aktuell so deutlich vor Eindhoven stehen. PSV wiederum hat eine richtig starke Mannschaft. Das spricht umgekehrt für die aktuelle Stärke von Ajax.“
Die Ajax-Schule und ihre erfolgreiche Nachwuchsarbeit
Im aktuellen Kader stehen 13 Eigengewächse. Die Ajax-Schule ist dafür bekannt, viele junge Talente hochzubringen. „Zum einen gehört das zur Philosophie, zum anderen haben Ajax und PSV so gut wie alle Toptalente des Landes. Das sind die zwei besten Nachwuchsschulen in den Niederlanden. Hinzu kommt ein großer Vorteil in der Eredivisie aus Sicht von Ajax, PSV und Feyenoord: Diese drei Topteams gewinnen in der Liga den Großteil ihrer Spiele, weil das Leistungsgefälle wesentlich größer ist als etwa in der Bundesliga. Das bedeutet, sie können viel häufiger junge und eher unerfahrene Spieler einsetzen ohne Gefahr zu laufen, zu verlieren. Bei uns stehen derzeit Bayern und Leverkusen über dem Rest, dahinter kann jeder jeden schlagen, wenn ein Team nicht am Maximum agiert. Dass der Erste beim Letzten verliert, passiert in den Niederlanden extrem selten.“ Die erfolgreiche Nachwuchsarbeit der Niederlande macht Fießer daran fest, dass die Ansprüche dort anders sind und zieht einen Vergleich zu seiner Nachwuchsarbeit in Deutschland. Dabei sind aus seiner Sicht nicht nur die Trainingsinhalte entscheidend. „Der größte Unterschied ist die Kultur. Als ich Nachwuchstrainer in Deutschland war, ging es immer viel ums Kollektiv, hart zu arbeiten, Intensität und Leidenschaft zu haben. Alles Attribute, die natürlich wichtige Grundlagen, aber nicht das sind, was die Zuschauer in den Niederlanden erwarten. Wenn dort jemand mit einer Grätsche den Ball erobert, wird nicht automatisch applaudiert. Die Menschen honorieren es, wenn einer ins Eins-gegen-eins geht, einen Gegenspieler tunnelt, Spielzüge gelingen, tolle Tore entstehen. Deshalb haben sie viel mehr Zocker. Die Erwartungshaltung der Menschen ist eine andere: schöner Fußball, Fotbal Total, wenn man so will. Hinzu kommt, dass das System ein völlig anderes ist.“
Schule und Fußball kombiniert
In der Niederlande wird sehr viel Wert auf Disziplin und Bildung gelegt. Der Staat regelt es so, dass die Schüler neben des Fußballs in die Schule gehen. „Ab einem gewissen Level im Sport – ich sage bewusst Sport und nicht Fußball – müssen die Athleten maximal 60 Prozent ihrer Zeit in der Schule verbringen. Die Talente machen trotzdem normal ihren Abschluss, erhalten individuelle Förderung, Nachhilfe. Ein normaler Tagesablauf sieht vor, dass die Spieler morgens trainieren, dann in die Schule gehen und nachmittags eine zweite Einheit oder frei haben. Sie haben in jungen Jahren einfach mehr Training.“ Fießer spricht aus Erfahrung, war er selbst im Nachbarland tätig und spürte es am eigenen Leib. „Seit meiner Zeit in Arnheim weiß ich, warum die Niederlande, obwohl sie kein großes Land sind, in so vielen Sportarten Titel und Medaillen holen. Fast jede Stadt hat einen Sportpark, in dem Fußball, Hockey und Tennis vereint sind. Wir reden hier nicht von Leistungs-, sondern von Breitensport. Am Wochenende, wenn die Spiele sind, sind hier oftmals um die 2000 Menschen anzutreffen. Mir kam es so vor: Wenn jemand keinen Sport betreibt, ist er kein Niederländer“, scherzte er. „Die Sportbegeisterung ist enorm. Der gesellschaftliche Stellenwert ist viel höher: Die Kids haben Wettkämpfe und die Eltern zusammen einen guten Tag. Sensationell!“
Der Coach erwartet deshalb am heutigen Abend ein Spiel auf Augenhöhe und zieht beim Gegner Ajax Parallelen zum FC Bayern. „Ich möchte den Vergleich nicht überstrapazieren, aber was Stadion, Rasen, Trophäen und Siegergen angeht, kommt es dem der Bayern schon nah. Denn wenn Amsterdam führt und der Gegner am Boden ist, werden sie in der Regel richtig heiß. Das habe ich mit Vitesse selbst mehrfach erlebt. Als unterlegene Mannschaft geht’s häufig erst richtig rund. Das ist kein Zufall. Über einen ehemaligen Ajax-Spieler habe ich eine Trainingsform kennengelernt, die gerade diese Killermentalität fördert. So weit wollen und werden wir es nicht kommen lassen.“
4 Kommentare
Diese im letzten Absatz erwähnte Killer-Mentalität müssten unsere Jungs beim 1:0/2:0 auch entwickeln, nicht die ruhige Kugel schieben - bis der Ausgleich fällt 😓
Schon wieder Knauff und Skhiri. Kein Uzun, kein Brown, kein zweiter Stürmer ???
Welche Aufstellung ist das denn?
Kein Brown uzum.....mir wird Angst und Bange
Und Knauf wieder😂
Knauff macht heute ein Tor mit Vorlage von Skhiri, extra für Dich... 😉
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