BruchhagenDie Eintracht hat eine unruhige Woche hinter sich. Nach der 1:3 Pleite im Derby gegen den 1. FSV Mainz 05 lagen die Nerven blank und man hat jetzt erst ganz langsam das Gefühl, dass die am Samstag anstehende Partie gegen den Hamburger SV in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Für Heribert Bruchhagen ist eine Begegnung gegen den Bundesligadino immer etwas Besonderes, schließlich war der 66jährige von 1992 bis 1995 dort als Manager tätig. „Ich lese selbstverständlich die Fachzeitschriften und besuche meine Töchter, die beide in Hamburg geblieben sind. Ich bin noch mit Willi Reimann und mit Felix Magath befreundet – auch mit meinem damaligen Präsidenten Jürgen Hunke, der am Samstag hier mein Gast sein wird„, bestätigt der Vorstandsvorsitzende der Hessen im Gespräch mit dem hr-sport noch seine Verbindungen zum alten Verein. Dadurch sei er auch häufiger mit Interna konfrontiert. „Aber ich weiß, wie schwierig es ist, einen solchen Traditionsverein wie den HSV zu führen, deshalb halte ich mich mit Einschätzungen weitestgehend zurück.“

In der Tat kann wohl kaum jemand in den Profiligen von sich behaupten, diese Erfahrung im Umgang mit einem Traditionsverein zu haben, wie sie Bruchhagen vorweist. Seit über 10 Jahren leitet er die Geschicke bei der Eintracht, hält – größenteils im Hintergrund, teilweise auch mit scharfen Worten vor der Kamera – die Zügel in der Hand. Es gibt nicht wenige im Umfeld der Hessen, die ihn, negativ ausgelegt, als Traditionalist bezeichnen, ihn als Bremser und Mahner wahrnehmen, der den Verein daran hindert, weiter nach oben zu klettern. Kein Risiko, Geld sparen und Festgeldkonto – drei Schlagworte, die immer wieder vorkommen, wenn über die Personalie Bruchhagen debattiert wird. Bis heute wird dem Vorstandschef der Eintracht sein Satz, dass die Tabelle zementiert sei, vorgeworfen. „Wir sind im Mittelfeld. Das ist wunderbar„, sagte er vor der Saison 2008/09. Sieben Jahre später wird der Ostwestfale noch immer auf diese Sätze festgenagelt, obwohl er sich in den letzten Jahren durchaus entwickelt hat und sich sehr viel offener zeigt, wenn es um das Tableau der höchsten Spielliga geht. Bruchhagen nimmt daher auch aktuell die Mannschaft in die Pflicht, erwartet mehr, als den derzeit belegten neunten Tabellenplatz: „Ich erhoffe mir, dass wir aus den nächsten Spielen gegen Gegner, die mit uns auf Augenhöhe sind, so viele Punkte holen, um die Chance auf Platz sechs und sieben wieder zu haben. Das muss ja unser Ziel sein. Der siebte Platz könnte ja noch zum internationalen Geschäft reichen. Also geht unser Blick ganz klar nach oben“ Offensive Worte vom Vorstandsvorsitzenden der Hessen – zuletzt tätigte er ähnliche im Winter 2010: „Warum sollen wir nicht nach oben schauen? Mit dem Abstieg haben wir nichts mehr zu tun.“ Ein halbes Jahr später rauchte Bruchhagen auf der Tribüne sitzend nervös eine Zigarette nach der anderen und bereute diese Aussage wohl wie nie eine zuvor getätigte – die Eintracht stieg nach starken 26 Hinrundenpunkten noch sang- und klanglos ab, erlebt die „Rückrunde der Schande“.

13.01.2015, Fussball, Trainingslager Eintracht Frankfurt in Abu Dhabi - Tag 1Und doch kann man, auch wenn es diese Woche im Mannschaftskreis etwas knirschte, die Situationen überhaupt nicht miteinander vergleichen. Die Adler sammelten schon fünf Zähler in dieser Rückserie, erzielten sechs Tore und zeigten dabei auch phasenweise stabile Leistungen. 2011 dauerte es 792 Minuten bis zum ersten Rückrundentreffer und neun Partien bis zum ersten (und einzigen!) Sieg. Ferner liegt die Last des Toreschießens inzwischen auf mehreren Schultern und nicht mehr nur auf einem Stürmer (Stichwort: „Das System Gekas“). Und während Michael Skibbe damals der ganze Laden um die Ohren flog, hat Thomas Schaaf noch alles im Griff, besitzt die nötige Anerkennung im Mannschaftskreis und im Umfeld. Trotz alledem ist die Gefahr des Abrutschens selbstverständlich noch nicht gebannt. Die Tabelle noch viel zu eng, um sich jetzt schon als gesichert bezeichnen zu können. Die Spieler seien daher nun gefordert, verlangt Bruchhagen, „und dann wird es sich zeigen, wohin der Weg geht. Ganz sicher wäre es fatal, wenn wir in unseren Heimspielen gegen Hamburg und Paderborn nicht entscheidende Punkte holen, um den gesicherten Mittelfeldplatz zu halten.“ Noch immer trennen die Adler sechs scheinbar beruhigende Zähler vom Relegationsrang 16. Und jetzt treffen die heimstarken Frankfurter (drei Siege und zwei Unentschieden in den vergangenen fünf Partien) mit dem HSV auf einen Verein, der „auswärts auch nicht überragend aufgetreten“ ist, wie Bruchhagen richtig analysiert. Fünf Treffer langten für neun Punkte in elf Partien, sechsmal verloren die Hanseaten. Nicht umsonst bezeichnet der Vorstandschef die Partie deshalb als richtungsweisend. „Wenn wir drei Punkte holen, was wir anstreben, hätten wir einen sehr, sehr guten Schritt gemacht.“

Auch wenn der Bundesligadino am vergangenen Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach eine ordentliche Partie zeigte und dabei bewiesen hat, dass er eine gute Offensive stoppen könne, glaubt Bruchhagen an die Stärke der eigenen Mannschaft: „Das wird nicht einfach, aber Zuhause haben wir schon gegen Schalke und Wolfsburg gute Leistungen gezeigt. Das stimmt mich optimistisch.“  Vor allem würde wieder Ruhe einkehren bei den Hessen. Ein Machtwort musste der Vorstandsvorsitzende zwar nicht aussprechen, gefallen aber ihm die öffentlich getätigten Worte aber nicht: „Natürlich bin ich verantwortlich für die Richtlinienpolitik und vom Grundsatz her möchte ich nicht, dass sich Spieler zum Manager, Trainer oder Vorstandsvorsitzenden äußern.“ Nachdem sich aber Bruno Hübner und Alex Meier ausgesprochen hätten, sei „alles in Ordnung, was den zwischenmenschlichen Bereich angeht.“ Die Probleme lägen ausschließlich auf dem Rasen. Wobei er auch hier etwas relativiert: „Auch wenn wir mit dem Mainz-Spiel nicht zufrieden sind, der neunte Platz mit 28 Punkten ist ein Ergebnis, mit dem wir sehr wohl zufrieden sind.“ Trotzdem wird man das Gefühl nicht los, dass bei etwas mehr Konzentration und Engagement des Teams noch einiges mehr möglich wäre.

 

 

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2 Kommentare

  1. @Reinhold:
    Ergänzung: wenn er richtig gucken könnte, würde er wahrscheinlich in eine andere Richtung schauen….

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