Vor einem Jahr war die Anspannung wesentlich größer bei Kovac und Bobic.

Der geglückte Klassenerhalt gegen den 1. FC Nürnberg lag inzwischen fast genau drei Wochen zurück, die Ära Heribert Bruchhagen war beendet und mit Fredi Bobic der vom Aufsichtsrat lange gesuchte Nachfolger gefunden. Von Euphorie oder Aufbruchstimmung war dennoch zunächst nichts zu spüren, zu groß war die Skepsis im Umfeld dem neuen Mann gegenüber. „Ein Ausbildungsverein zu sein, ist nichts schlimmes“, sagte der neue Sportvorstand zunächst bei seiner Präsentation und sorgte damit nicht nur für Applaus im weiten Rund. Er wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch schon ganz genau, was ihm bevorstand: Transferüberschüsse erzielen und zugleich preiswert Spieler finden, die sofort einschlagen müssen.

Die „Frankfurter Rundschau“ sorgte damals für großen Schrecken, als sie bis dahin nicht gekannte Zahlen in den Umlauf brachte. Demnach musste ein Plus von sechs Millionen Euro erwirtschaftet werden – nach einer Saison, wo das „Tafelsilber“ im Klub viel Glanz verloren hat. Lange Pokerabende waren vorprogrammiert, weshalb der Personalabbau zunächst bei den Spielern begann, deren Verträge ausliefen. Constant Djakpa, Sonny Kittel, Änis Ben-Hatira, Emil Balayev und Yannick Zummack bekamen keine neuen Kontrakte, Stefan Reinartz beendete bereits mit 27 Jahren seine Karriere und bei Kaan Ayhan, der zum FC Schalke 04 zurückmusste, wurde die Kaufoption nicht gezogen.

Und Neuzugänge? Die waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Sicht. Die Veränderungen begannen auf anderer Ebene, nämlich hinter den Kulissen. Alles wurde auf den Prüfstand gestellt: Die medizinische Abteilung, das Scouting, die Videoanalyse, eine engere Verzahnung zur Jugend und der gesamte Pressebereich. Bobic krempelte zunächst „die Mannschaft hinter der Mannschaft um“, was selbst den Anhängern phasenweise einen Tick zu schnell ging. Doch der ehemalige Stürmer und Europameister von 1996 erkannte viele Defizite, die für ihn über die 23 Profis hinausgingen. Festzuhalten bleibt allerdings: Der Verein lag zu diesem Zeitpunkt am 11. Juni 2016 eher am Boden, die Nachwirkungen einer ganz schwachen Spielzeit waren deutlich spürbar. Die Saison 2015/16 hat viel Geld und Kraft gekostet – wie teuer ein Abstieg wirklich geworden wäre mag sich heute niemand vorstellen. Vorstandsmitglied Axel Hellmann rechnete einmal vor, dass wohl ein finanzieller Schaden von über 70 Millionen Euro entstanden wäre. Ein direkter Wiederaufstieg hätte nur schwer eingeplant werden können.

365 Tage später lesen sich die Nachrichten rund um Eintracht Frankfurt wesentlich freundlicher. Mit Sebastien Haller, Jugendspieler Renat Dadachov, Danny da Costa und Gelson Fernandes wurden bereits vier Akteure neu verpflichtet, die Abgänge sorgen – mit Ausnahme von Ante Rebic – für keinen großen Aufschrei im Umfeld. Einzig die Personalie Lukas Hradecky bietet extrem hohen Konfliktstoff – die Thematik ist jedoch bestens bekannt und soll nicht erneut aufgerollt werden. Es gibt positivere Beispiele: Die Scoutingabteilung wird erweitert und hat ab 1. Juli elf Mitarbeiter, die sich neben Spanien auch in Portugal, Frankreich und Nordamerika umsehen sollen.

Bobic und Trainer Niko Kovac Kovac wollen auf anderer Ebene noch schnellere Fortschritte erzielen: In der Jugendarbeit. Persönliche Gespräche, Analysen und permanente Beobachtungen – die sportliche Leitung hat das Leistungszentrum am Riederwald genauestens im Blick. Es überraschte daher im Winter nicht, dass U17-Talent Sahverdi Cetin mit 16 Jahren bereits mit nach Abu Dhabi durfte. So etwas bindet und und kann ein Faustpfand sein, wenn werthaltigere Angebote aus Leipzig, Dortmund oder Hoffenheim ins Hause Cetin einflattern.

Es ist freilich nicht alles Gold was glänzt nach einer Rückrunde, die in der Bewertung nicht nur positiv auffällt. Das DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund überstrahlte vieles, dennoch stehen schwache 13 Punkte im Jahr 2017 auf dem Zettel – scheinbar leichtfertig wurde eine ganz große Möglichkeit vergeben. Auch der Blick auf die Verletztenliste schmerzt. Obwohl Kovac und sein Team auf viele Dinge achten, konnte die Ausfallzahl nicht verringert werden. Im Gegenteil: Bei Omar Mascarell gingen die Verantwortlichen ins Risiko – und verzockten sich. Die Achillessehnenprobleme des Spaniers wurden immer schlimmer, wie lange er tatsächlich ausfällt ist noch unklar. Zudem ist auch heute, wie schon vor genau einem Jahr, noch nicht vermeldet, wer der neue Hauptsponsor wird. Die Gerüchteküche köchelt hier vor sich hin, alle möglichen US-Unternehmen wurden durchgespielt, diverse Flugunternehmen ebenfalls benannt.

Dennoch: Bobic ist es nicht nur gelungen, die Zweifel rund um seine Person zu beseitigen. Bei der Eintracht ist eine klare Entwicklung erkennbar und womöglich hilft der Blick auf die Zeit von vor genau einem Jahr dabei, den kommenden Wochen und Monaten bis zum Saisonstart am 18. August etwas gelassener entgegen zu sehen.

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6 Kommentare

  1. Das war tatsächlich eine sehr bedrohliche Lage. Kann vor vor dem Verantwortlichen (insbesondere bobic und kovac) nur den Hut ziehen. Saubere Arbeit! Jetzt nicht nachlassen, sondern genauso weitermachen.

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  2. Da kann ich @olga nur beipflichten. Was habe ich gebibbert in der Relegation und dann das erlösende Tor von Sefe. Deshalb bin ich dankbar für diese Saison, die sicherlich hätte noch besser ausfallen können. Schwamm drüber, die neue Saison kommt. Ich freue mich schon.

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  3. Gehöre ja zu denen, die nicht unbedingt nach Europa wollten. Lieber Schritt für Schritt, damit die Basis nicht vernachlässigt wird. Aufgrund des großen Umbruchs wäre mir es auch in der nächsten Saison zu früh. Nicht in abstiegsgefahr geraten und ein bisschen Pokalfieber würde mir reichen, natürlich mit ansehnlichem Fußball und der besteht bei mir, wenn man versucht selbst das Spiel zu machen und nicht mit langen Bällen operieren und auf den 2. Ball hoffen.

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