Der Ball muss rollen …

Vorneweg schmeißt der Autor dieser Zeilen erst mal drei Euro ins Phrasenschwein. Aber es ist doch wahr: Die Welt steht still. Alles dreht sich seit Wochen um das neuartige Coronavirus, um Fallzahlen, das Gesundheitssystem, Ausgangsbeschränkungen oder um die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Letzteres ist neben den gesundheitlichen Aspekten rund um die Krankheit im Blätterwald, Funk und Fernsehen wohl eines der heiß diskutierten Themen. Wie kann der Schaden in der Wirtschaft künftig so klein wie möglich gehalten werden? 

Davon ist natürlich auch die Bundesliga betroffen. Da wird aber leider auch deutlich, wohin der deutsche Profi-Fußball rollt – und das nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Folgen für den Sport. Längst schon verspielen die ausgegliederten Profiabteilungen der Vereine unter der Fahne der Deutschen Fußball Liga (DFL) ihre gesellschaftliche Verantwortung. Viel mehr hat sich der Fußball bereits seit Jahren seine eigene Blase aufgebaut, seine Parallelwelt, seinen eigenen Kosmos – der von vielen heraufbeschworene „Moderne Fußball“. Dieser denkt schon lange nicht mehr an samstags, 15.30 Uhr, und an den gemeinen Fan, der Woche für Woche dem Verein seines Herzens die Daumen drückt und ihn im extremsten Fall von Stadion zu Stadion begleitet. Dem Fußball hierzulande geht es spätestens seit der WM-Vergabe 2006 ums Geld. Längst sind aus den Vereinen Wirtschaftsunternehmen geworden.

Das ist, wie gesagt, nichts Neues und kein Geheimnis, aber es wird in diesen Zeiten wieder besonders klar. Auch jetzt verpasst sich der Fußball eine eigene Rolle. Ein Alleinstellungsmerkmal. Er macht sich gefühlt seine eigenen Regeln und mal wieder wichtiger, als er ist. Er stellt sich über die Dinge. Wo ein Großteil der Welt entweder zu Hause ausharren muss oder Menschen in Krankenhäusern aller Herren Länder versuchen, anderen Menschen das Leben zu retten, versucht der Fußball fast so zu tun, als sei nichts gewesen.

Da hilft es auch nicht, dass die DFL – nachdem sie sich schwergetan hatte, sich überhaupt für eine Unterbrechung der Saison zu entscheiden – betonte, dass die Gesundheit wichtiger sei und der Fußball nun mal eben in solchen Zeiten zurückstecken müsse. Chapeau! Etwas mehr als drei Wochen ist das her. Mittlerweile haben die meisten Vereine den Trainingsbetrieb wieder aufgenommen, wenn auch nur in Kleingruppen und unter Auflagen. Die DFL erlaubt das wieder. Fest im Blick dabei haben die Oberen den Abschluss der Saison bis zum 30. Juni. Klar ist natürlich auch: Ein Stück weit Normalität ist schön. Für die Profis auf dem Platz scheint das vielleicht zu funktionieren, es sei ihnen gegönnt. Aber der Fan ist weit davon entfernt. 

Der sitzt immer noch brav zuhause, klammert sich an sein Klopapier, ist systemrelevant oder hilft, wo er gerade kann und kämpft vielleicht nebenbei um die Existenz. Der Fußball ist da weit weg, nicht mehr als eine Randnotiz. Er interessiert schon fast nicht mehr, weil es derzeit eben wirklich mal etwas Wichtigeres gibt als die schönste Nebensache der Welt. Trotzdem vermisst der Fan den Fußball. Doch gerade in diesen Zeiten, in denen es um Hilfe für den Mitmenschen geht und Solidarität groß geschrieben wird, macht sich der Fußball rar, denkt nur an sich. Vereine und einzelne Spieler mal ausgenommen, die Hilfsprojekte, Spendenaktionen oder ähnliches ins Leben rufen. Aber vom Verband hört man doch recht wenig. Ein richtiges Zeichen an die Gesellschaft in Krisenzeiten aus der mit Geld überhäuften Bundesliga-Branche? Fehlanzeige. 

In Zeiten, in denen Abstandhalten oberste Priorität besitzt, ist man sich selbst am nächsten. Denn der Ball muss rollen, damit der Rubel rollt. Das Premiumprodukt Bundesliga muss verkauft werden. Die Saison soll irgendwie und mit aller Macht zu Ende gespielt werden. Wenn es sein muss mit seelenlosen Partien vor leeren Rängen. Hauptsache das Fernsehgeld landet auf dem Konto. Um nichts anderes geht es. Wird schon alles funktionieren. Corona? Egal. Fans im Stadion? Geschenkt, braucht die DFL eh nicht. Auch die Gesellschaft kommt schon irgendwie klar. Bei all dem kann einem Angst überkommen. Und zwar nicht vor diesem Virus. Sondern vor dem Profi-Fußball. Ich beginne vorsichtshalber, schon mal etwas Abstand zu halten … 

Autor Kai Plösser

Kai Plösser hielt schon auf Kindesbeinen als echtes Nordlicht die Eintracht-Fahne gegen den Wind. Stolz trug er auf dem Trainingsplatz seines Vereins das Trikot mit dem Adler auf der Brust, auch wenn er "hinterm Deich" an der nordfriesischen Küste damit ziemlich allein dastand. Seine aussichtsreiche Kreisliga-Karriere wurde verletzungsbedingt in jungen Jahren jäh beendet, den Blick auf den Fußball hat er jedoch nie verloren. Seit Juli 2016 ist er für SGE4EVER.de am Ball.

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13 Kommentare

  1. Nimmt sich der Fußball wichtiger als er ist. Das weiß ich nicht. Ich habe sofort gesagt“ das falsche Signal“ als es hieß, trotz Abstand halten fangen die ersten Vereine wieder mit dem Training an. Ich fand es toll, dass Spieler und Vereine sich engagieren, und Menschen helfen. Und ja , ohne Zweifel ist jedes einzelne Leben wichtiger als alle Fußball-Ligen dieser Welt.

    Aber es gibt viele Menschen, denen es helfen würde , wieder Spiele zu sehen. Die damit etwas Normalität zurückbekommen. Meine Mutter ist 84, ihr fehlen die Spiele. Mir sowieso.

    Ich wollte in dieser Situation in keinem Bereich des öffentlichen Lebens Entscheidungen treffen, und beneide keinen Entscheider darum

    Und die DFL: Die muss den Spagat hinbekommen. Gesellschaftliche Verpflichtung auf der einen Seite und das wirtschaftliche Überleben der Vereine auf der anderen Seite. Mit den daran hängenden Arbeitsplätzen.

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  2. Ich stehe ja auf der anderen Seite. Habe ich in anderen Threads bereits in Kommentarform bekannt und erläutert, aber weil es hier das Thema ist wiederhole ich zur Diksussion nochmal meine Kernaussagen. „Er [der Fußball] stellt sich über die Dinge.“ schreibst du. Nein das tut er nicht. Er steht für seinen Betrieb im Rahmen aller seiner Möglichkeiten ein. Die DFL ist eine Wirtschaftsbranche an der über 100.000 Job hängen, nur in Deutschland. Sie weder weder über noch unter anderen Branchen, abgesehen von den zurzeit systemrelevanten. Du stellst mit deinem Kommentar sozusagen den Touri-Krimskrams-Laden in der Innenstadt über den Fan-Artikel-Laden nebendran. Oder willst du etwas anderes sagen?

    Thema Kommerzialisierung und moderner Fußball: OK, von mir aus. Sehe vieles ähnlich. Gaaaaanz breites Thema und hat mit Corona nur insofern zu tun, als dass nun eben mal hier eine Branche entstanden ist, in der nun über 100.000 Leute, die eben nun mal mit Fußball und den indirekten Verknüpfungen ihr Geld verdienen, und nun in ihrer beruflichen Exitenz bedroht sind, wenn die TV-Gelder ausbleiben. Nur an mir persönlich liegt es nicht. Ich habe kein Sky oder sonstiges Abo. An Fan-Utensilien habe ich ein altes Trikot, ein Shirt, zwei Schals und einen Wimpel. Und zwar schon seit einigen Jahren. Ich werde kein Sky-Abo o.ä. abschließen und mir auch nicht jährlich neues Merchandising kaufen. Von mir fließt also fast kein Geld in die Maschine. Was du mit der Abkehr des Fußballs vom Kommerz willst weiß ich nicht. Spielergehälter und Transfersummen deckeln? Naja, das Geld ist doch da und dann fließt es eben auf anderen Wegen zu den begehrtesten Spielern. Werbedeals, besondere Annehmlichkeiten, keine Ahnung was. Jeder Unternehmer ist da kreativ und hebelt das System aus. Kein Profi-Fußball mehr? OK, können wir drüber reden. Ich habe einen Bekannten, der schaut keine Bundesliga oder Europa mehr, auch keine 2. Bundesliga. (3. weiß ich nicht). Dann läuft das ohne (großen) Kommerz.

    Was ich sagen will: Der Fußball scheißt doch das Geld nicht selbst aus, er bekommt es aus der Gesellschaft. Für dieses Geld erbringt er die Dienstleistung Bundesligabetrieb und weil es geil ist, wächst die Branche. Finde ich in den Dimensionen der Auswüchse der letzte sagen wir mal 10-20 Jahre auch nicht toll. Aber angefagen hat es doch mit Pay-TV und den TV-Geldern. Wenn ihr was ändern wollt kündigt eure Abos.

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  3. @4 So ähnlich habe ich das hier auch schon gepostet. Trifft genau den Punkt ! Der Fußball steht nicht über allem, muß oder sollte sich aber auch nicht kleiner machen. Die 36 Profivereine der Liga 1&2 generieren 1 Milliarde Steuergelder jedes Jahr und viele 10000 Arbeitsplätze hängen drann. Das viele Leute ihre Energie und ihre Motivation aus genau dieser Sportart beziehen, sei nur am Rande erwähnt. Den gesellschaftlichen Wert kann man schlecht Ermessen, bzw. in Tabellen oder Statistiken ausdrücken. Ich habe mich vor vielen Jahren mal mit einem Fan vom VFL Bochum unterhalten. Unglaublich wie die Leute gerade im Pott von und für diese Sportart leben. Eine Bewertung dessen steht uns sicherlich nicht zu. Fakt ist aber das es so ist. Ich sehe den Weg des Fußballs ebenso kritisch, aber man sollte auch die Augen vor der Realität nicht verschließen….

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  4. Nun denn, hier ein Artikel zum Thema „Wie viele Arbeitsplätze schafft der Fußball“: https://www.handelsblatt.com/sport/fussball/wirtschaftsfaktor-bundesliga-am-profifussball-haengen-110000-jobs/3410400.html?ticket=ST-1286420-YIX3eEOuvdI4aG2V2Gbf-ap6

    Ist 10 Jahre alt und beleuchtet die Saison 07/08, die ja nochmal länger her ist. Heutzutage kommen wir mit knapp über 100.000 Jobs siche rnicht mehr hin, wenn man das Wachstum mal betrachtet. Sind einfach mal aus dem Bauch raus geraten 150.000 und davon sind sicherlich die 20 Fußballmillionäre pro 1. Ligaverein nicht gemeint. Das fängt schon bei den Redakteuren von SGE4EVER an, die mit damit ihr Geld verdienen, dass wir ihre Seite aufgrund des Profifußballs besuchen. Also ich das Einkommen der SGE4EVER Redaktuere NICHT weniger wichtig als das der meisten anderen Personen, die ich kenne.

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  5. @5. rob:
    So weit mir bekannt ist, schreiben und pflegen bei sge4ever die Redakteure die Kommentare größtenteils ehrenamtlich und es fließt für unsere Informationen bzw. unsere Unterhaltung kaum Geld, also quasi ein unentgeldlicher Service.
    Vielleicht äußert sich seitens der Redaktion ja mal jemand dazu.

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  6. Ein toller Kommentar!
    Man kann ja unterschiedlicher Meinung sein, doch alle sind sich offenbar darin einig, dass etwas schief läuft im Profifußball der letzten Jahre.
    Corona bietet die Möglichkeit und Chance, die Sinne zu schärfen, Fehler zu erkennen und zu beseitigen. Nicht mehr und nicht weniger. Das heißt nicht Profifußball abschaffen, Arbeitsplätze vernichten usw.
    Diese Einsicht fehlt mir auch und in der Öffentlichkeit beansprucht die DFL schon gewisse Sonderrechte. Immer nach dem Motto, es bleibt alles beim alten.
    Hier werden Chancen liegen gelassen.
    Forza SGE!

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  7. Es kommt halt darauf an, als was man den Profi Fußball sieht.
    Ist es eine Hobby/Freizeit Veranstaltung oder eben ein Wirtschaftszweig?
    Klar, Fußball ist eigentlich eine Freizeitveranstaltung, aber Profi steht ja für professionell und ist etwas anderes als der Hobby Fußball in der Kreisliga. Sieht man die ganzen Arbeitsplätze, die direkt aber vorallem indirekt mit dem Fußball zusammenhängen, ist es eher ein Wirtschaftszweig.
    Auch andere Unternehmen und Firmen laufen weiter bzw. werden wieder hochgefahren (produzieren). Nicht im vollem Maß aber zumindestens Grundlegend. Warum dann nicht der Fußball? Natürlich auch nur auf minimalem Niveau. Daher mit so wenig Leuten wie notwendig und ohne Zuschauer.
    Oder was wäre die alternative? Staatliche Hilfe? Wie würde das ankommen?

    Und wie schon geschrieben wurde. Das Geld kommt von uns, von dem einem mehr von dem anderen weniger. Wer Sky Abos und co bezahlt, 60€+ fürs Stadion oder ca. 100€ für ein Trikot bezahlt, bezahlt damit den Fußball Kommerz. Aber auch wer bei der Allianz Versichert ist, sich ein VW kauft, ein Konto bei der Deutschen Bank hat, Adidas Schuhe kauft, bei Rewe einkauft etc. etc. finanziert den Fußball Kommerz mit. Da muss man auch mal ganz ehrlich sein. Auch das Geld der Investoren Hopp und co. kommt irgendwie auch von uns. Über Umwege sicherlich, aber selbst gedruckt oder erfunden haben die das auch nicht. Vielleicht hat der eine oder andere sich das Geld, ich nenne es mal, erschleichen, aber es ist da. Lieber die investieren das als sich eine Insel zu kaufen.

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  8. „Aber vom Verband hört man doch recht wenig. Ein richtiges Zeichen an die Gesellschaft in Krisenzeiten aus der mit Geld überhäuften Bundesliga-Branche? Fehlanzeige. “
    Ich kann dieses Palaver über „die da oben “ nicht mehr hören ! Ist auch ne typische Haltung z.B. der Ultras: „Scheiss DFB, Scheiss DFL“….immer dasselbe – als ob diese Institutionen etwas für die Corona-Krise und deren Auswirkungen auf den Fussball könnten…aber is natürlich einfach und man bekommt viel Applaus für diese Form der undifferenzierten pauschalen Kritik. WIE häufig hat sich Herr Seifert denn bitteschön dahingehend geäussert ? STÄNDIG, bei JEDER Pressekonferenz ! Und es geht tatsächlich nicht darum, Fussball-Millionarios das Geld in den A… zu schieben – sondern dafür zu sorgen, dass Fussballvereine ihre Existenz behalten, und VOR ALLEM ihre Mitarbeiter zu bezahlen.
    „Wo ein Großteil der Welt entweder zu Hause ausharren muss oder Menschen in Krankenhäusern aller Herren Länder versuchen, anderen Menschen das Leben zu retten, versucht der Fußball fast so zu tun, als sei nichts gewesen.“
    Das is auch wieder totaler polemischer Quatsch – bald schon wird die Ausgangssperre absehbar (teilweise) aufgehoben, und die Leute können wieder zur Arbeit – GUT SO ! Denn es muss schon jetzt wieder der Exit aus dem Lock down vorbereitet werden – und NICHTS anderes tun gerade die BL-Vereine, die ihre Spieler in Kleinstgruppen unter strengen Auflagen trainieren lassen, damit sie vorbereitet sind ! Und sorry, diese Sätze stammen von einem, der tagtäglich im KH arbeitet und somit „systemrelevant“ ist !
    Boah, mir geht dieses ständige Gemecker echt auf die Nerven ! Die Herren Seifert und co. haben einen schweren, hochverantwortungsvollen Job, den Sie meines Erachtens sehr gewissenhaft ausüben !

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  9. @Dieter: Es wird sich mittel- und langfristig nix ändern. Man Geld verdienen oder das eigene Image damit aufpoliern. Also werden immer wieder reiche Menschen Geld in den Fußball blasen.

    @Deutz: Mich nervt dieses die da oben auch. Aber andere Meinungen muss man bis zu einem gewissen Maß aushalten.

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  10. Rob und ich spielen hier, wie schon festgestellt, im selben Team. Ich kann mit diesem Kommentar wirklich gar nichts anfangen und finde es echt anstrengend, wie immer wieder polemisiert wird…

    JEDE Wirtschaftsbranche versucht für sich, schnellstmöglich Wege aus der Krise zu finden. Gastronomie, Einzelhandel, Touristik etc. etc. Und es ist nicht verwerflich, dass das auch der Profifußball tut. Warum ist er sich dann „selbst am nächsten“? Bzw. gilt das nicht für alle anderen Branchen auch, die gerade Argumente sammeln, warum genau für ihre Branche bereits nach den Osterferien Lockerungen gelten sollten?

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  11. @portodenovo: volle Zustimmung
    @joe: hast recht, solche Kommentare/Meinung muss man ertragen, auch wenn´s schwer fällt

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