BergerVor einigen Tagen gab es eine Nachricht, die inzwischen im ganzen Trubel des Bundesliga-Alltags unterzugehen drohte. Eintracht Frankfurt erhält die Lizenz für die kommende Saison ohne Auflagen. Was so unspektakulär und nach „grauer Maus“ klingt, ist das Produkt ganz harter Arbeit in den letzten elf Jahren unter Heribert Bruchhagen. Jüngere Fans der Hessen sind, was die finanzielle Sicherheit des Vereins angeht, in der wohl ruhigsten Periode aller Zeiten angekommen. Ob im Jahr 2000 das Wort „Festgeldkonto“ bei den Machern des Traditionsvereins überhaupt existierte? Vor ziemlich genau 15 Jahren, am 14. April, wurden der vom Lizenzentzug bedrohten Eintracht zwei Punkte abgezogen und eine Geldstrafe von 500.000 Mark (ca. 250.000 Euro) ausgesprochen. Schatzmeister Reiner Leben atmete nach dem gnädigen Urteil der Richter erleichtert durch: „Immerhin ist es kein Lizenzentzug.“

Es war die Spielzeit, als die Macher des Traditionsvereins die Fernsehrechte an die Münchener Agentur ISPR veräußerten und mit dem frischen Geld auf große Einkaufstour gingen. Horst Heldt, Bachirou Salou oder Rolf-Christel Guie-Mien kosteten viel Geld (umgerechnet ca. 8 Millionen Euro) und sollten den Club, nach geglücktem Last-Minute-Klassenerhalt 1999 (5:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern), Richtung Europa schießen. Der Start in die Saison, als der, mittlerweile leider schon viel zu früh verstorbene, „Titanic-Retter“ Jörg Berger noch an der Seitenlinie stand, war fulminant. Nach einem 3:0 gegen die SpVgg Unterhaching und einem 3:2 beim SC Freiburg standen die Adler da, wo sie vom Frankfurter Selbstverständnis her auch hingehören – auf Platz 1. Der Jubel über den tollen Auftakt sollte aber schnell verstummen: In den folgenden 15 Partien kamen nur noch weitere fünf Zähler auf das Konto. Die Hessen gingen mit 8 Zählern Rückstand auf den SSV Ulm in die Winterpause, für viele schien der Klassenerhalt nur noch eine Utopie zu sein. Berger musste auch seine zweite Amtszeit (er war von Dezember 1988 bis April 1991 auch schon Coach bei den Hessen) frühzeitig beenden und es kam Felix Magath – im Gepäck hatte er noch Rückkehrer Thomas Sobotzik (im Sommer ablösefrei nach Kaiserslautern, jetzt für 1,25 Millionen Euro wieder zurück an den Main) und die beiden Leverkusener Thomas Reichenberger und Dirk Heinen.

ReichenbergerNach einem Fehlstart in Unterhaching (0:1) wurde die Stimmung zunächst noch düsterer. Die Oberbayern zogen auf und davon, hatten jetzt 12 Punkte Vorsprung auf die Eintracht. Und der Auftritt der Hessen war trotz Trainerwechsel zu schwach. Doch in den kommenden Partien folgte noch frühzeitig die Kehrtwende: Nach drei Siegen in Folge standen die Mannen von Neu-Coach Magath auf Rang 16 und waren nur noch drei Zähler vom rettenden Ufer entfernt. Der Glaube an die Mannschaft lebte wieder auf, die Zuversicht war groß. Verloren wurde bis zum Saisonende auch nur noch gegen die damaligen Topteams aus München, Leverkusen, Berlin und Kaiserslautern. Die Konkurrenten auf Augenhöhe hingegen mussten sich meistens geschlagen geben. Endgültig freischwimmen konnten sich die Adler dann nach der „fünf-Punkte-Niederlage“ beim 1. FC Kaiserslautern (0:1 + 2 Punkte Abzug). Am Gründonnerstag (20.04.2000) ließen die Frankfurter dem damals drittplatzierten Hamburger SV im Waldstadion nicht den Hauch einer Chance. Guie-Mien brauchte nur sechs Minuten, um das mit 50.000 Zuschauern bestens gefüllte Stadion, in Wallung zu bringen. Der Bundesligadino hingegen humpelte förmlich, auch geplagt von schlimmen Verletzungssorgen, über das Feld. Chen Yang und erneut Guie-Mien ließen die Fans der Adler mit zwei weiteren Treffern zufrieden ins Osterwochenende gehen. Das Ende vom Lied der Spielzeit ist bekannt – die Eintracht rettete sich dank einer grandiosen Rückrunde dann am letzten Spieltag im Showdown gegen den SSV Ulm (2:1, Elfmetertor von Heldt in der 90. Spielminute). 30 Zähler bedeuteten in der Halbjahrestabelle Platz 3 hinter den überragenden Mannschaften aus München und Leverkusen. Mit insgesamt 39 Punkten (eigentlich ja sogar 41) beendeten die Frankfurter die Saison auf Rang 14 und dann auch feucht-fröhlich auf dem Römer. Man stand am Rande des Abgrunds und rettete sich zumindest sportlich – und scheinbar auch finanziell, Stichwort: Octagon-Millionen. Doch das ist nochmal eine andere Geschichte…

- Werbung -

7 Kommentare

  1. es wurde ja dann noch schlimmer Abstieg 2001 und 2004, beinahe Insolvenz…. von daher, gut ist wenn man weiss wo man herkommt. Natürlich ist auch gut wenn man weiss wo man hin will – wenn man den richtigen Weg kennt. Diesen kannten früher eine menge verantwortliche Leute bei der Eintracht nicht.

    0
    0
  2. da kann ich nur zustimmen. Schlimm finde ich vor allem wie lange es dauere das ISPR-Darlehen und die Octagon Mios zurück zu zahlen. Durch diese Probleme der Vergangenheit sind bis heute unzählige weitere entstanden.

    0
    0
  3. Schön, ein solcher Artikel, danke dafür.

    Wird die Geschichte noch weiter nacherzählt? Würde ich jedenfall begrüßen, da man mal sieht, welch ein Erbe HB damals hier angetreten hat und wo man unter seiner Regie hingekommen ist.

    Vielleicht lässt das den ein oder anderen unwissenden Kritiker verstummen, dann hätte es sich schon gelohnt!

    0
    0
  4. @Atoron: Für einen weiteren Überblick rate ich auf den ISPR-Link zu klicken. Das ist eine Art Überblicksartikel über die finanzielle Entwicklung zu Beginn des Jahrzehnts. Aber vielleicht ergibt sich demnächst wieder eine Möglichkeit, einen bestimmten Abschnitt früherer, schwierigerer Tage in den Blick zu nehmen.

    VG
    Christopher

    0
    0
  5. Krasse, unfähige Männer mit Selbstgefälligkeit an der Spitze des Vereins, ISPR Darlehen und dann noch Octagon – JA so war das.
    Vergessen wir nicht, manch einer hat damals gejubelt, jetzt geht’s voran !
    Das Gegenteil war der Fall !

    Ich bin sehr zufrieden mit H. Bruchhagen, möchte deshalb aber jetzt kein Loblied auf ihn singen, denn neben den herausragenden Verdiensten hat er das ein oder Andere schon etwas verschlafen.
    da ist unsere SGE jetzt auf einem besseren Weg.
    Die ewigen Nörgler und „Investierer“ sollten aber mal zurückschauen und auch die wirklich sehr schmerzlichen und negativen Erfahrungen der Vergangenheit zumindest mit bedenken.
    Alles gut ist deshalb noch lange nicht, doch die Richtung und der Kurs ist absolut richtig.

    0
    0
  6. Am Rande des Abgrundes war meiner Meinung nach 2002 der Lizenzentzug und der folgende Rechtssteit. Zur Erinnerung:
    http://www.spiegel.de/sport/fussball/lizenzentzug-eintracht-frankfurts-abgestuerzte-adler-a-201518.html

    Wenn man zurückdenkt wie damals alle möglichen Städtischen und Landesbetriebe zusammengelegt haben, um die Eintracht zu retten, darf man sich heute eigentlich nicht über die hohe Stadionmiete beschweren.
    Und aus neutraler Sicht ein Unding, dass damals öffentliche Gelder in die Hand genommen wurden, um unsere Eintracht zu retten…

    0
    0
  7. Einerseits hast du recht Ball, dass es schwierig ist ein Verein mit öffentlichen mitteln unter die Arme zu greifen,
    Aber auf der andererseite gibt die Eintracht auch viel zurück.
    Die spieler zahlen in FFM steuern etc.
    Zum anderen wäre es für die Stadt auvh kontraproduktiv gewesen, wenn das stadion nicht ausgenutzt wird.

    Trotzdem. Wenn man sich an die 2000er erinnert, läuft es einem kalt den Rücken runter.
    So unseriös wie wir waren. Zum Glück haben wir die Lizenz dann doch bekommen.
    Wer hätte damit noch gerechnet?

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -