Schockstarre und Verzweiflung nach dem späten Ausgleichstreffer. Mit etwas Abstand überwiegt dann aber doch der Stolz auf eine starke Hinrunde.

Nach der erneut starken Auswärtsleistung, die in Hamburg mit einem weiteren Sieg in der Fremde gekrönt wurde, ging es zum Abschluss der Hinrunde für die Eintracht zu Hause gegen die Mannschaft der Stunde: Schalke 04. Die Gelsenkirchener haben sich in den vergangenen Wochen ganz still und leise auf den zweiten Tabellenplatz gekämpft und zuletzt ähnlich wie die Hessen durch eine starke Moral überzeugt. Die Frankfurter wollten die Euphorie des letzten Sieges mit in die letzte Bundesligapartie des Jahres nehmen und endlich auch mal wieder im eigenen Stadion siegen. Am Ende musste man sich mit einem 2:2 zufrieden geben und kurz vor Schluss noch den Ausgleich durch Naldo hinnehmen. SGE4EVER.de hat das Spiel wie immer noch einmal für euch analysiert und Bilanz gezogen:

Abraham ist nicht zu ersetzen
Auch wenn man in Hamburg nach der Auswechslung von David Abraham noch gut dagegen hielt und das Spiel am Ende für sich entscheiden konnte, machte sich bereits dort bemerkbar, dass man ohne den Argentinier deutlich anfälliger ist. Bereits die Hanseaten kamen zu vielen Chancen und es boten sich untypisch viele Freiräume in einer der besten Defensiven der Bundesliga. Umso mehr schmerzte es, dass es der Kapitän nicht rechtzeitig zum Spiel geschafft hatte und aufgrund anhaltender Wadenprobleme ausfiel. Den Abwehrverbund bildeten also Carlos Salcedo, Marco Russ und Simon Falette. Auch wenn sich alle drei bemühten, kämpferisch überzeugten und auch vieles abräumten, machte sich das Fehlen des Abwehrchefs vor allem in der Schlussphase bemerkbar. Die Schnelligkeit, die vielen Angriffe, die Abraham durch seine außergewöhnliche Antizipation schon früh im Keim ersticken kann und die Ruhe, die er seinen Nebenmännern vermittelt, war oft der Grund, dass die Gegner sich die Zähne an der Defensive der SGE ausbissen. Timothy Chandler, der in Hamburg nach seiner Verletzung völlig überraschend durchspielte, nahm zudem zunächst auf der Bank Platz und der als Linksverteidiger aufgelaufene Taleb Tawatha war diesmal gar nicht im Kader. So war es erneut Marius Wolf, der auf der rechten Abwehrseite agieren musste und links kehrte Jetro Willems in die Startelf zurück. Willems, der Ende der ersten Halbzeit gelb-rot gefährdet war, musste dann auch von Eintracht-Trainer Niko Kovac ausgewechselt werden und so musste Chandler auf die linke Abwehrseite. Insgesamt wurde insbesondere in der Schlussphase deutlich, dass Wolf kein gelernter Rechtsverteidiger ist. So stark seine Entwicklung in den letzten Monaten auch ist, auf der Position als Rechtsverteidiger hat er Probleme in der Rückwärtsbewegung – mit Chandler auf seiner etatmäßigen rechten Seite wäre vielleicht einer der Gegentreffer gar nicht erst gefallen. In der Gesamtheit betrachtet bleibt die SGE-Defensive allerdings eine der stärksten in der Hinrunde dieser Bundesliga-Saison. Mit einem fitten David Abraham, Timothy Chandler und auch einem beschwerdefreien Makoto Hasebe in der Dreierkette, der das Spiel dann auch im Umschaltspiel und Spielaufbau lenken kann, kann man optimistisch in die Rückrunde gehen und auch stolz auf das sein, was sich die Mannschaft in den letzten Monaten erarbeitet hat – daran ändert auch der unglückliche Ausgleichstreffer in einer eigentlich viel zu langen Nachspielzeit nichts.

Abnutzungskampf auf hohem Niveau
Die Hessen agierten wie gewohnt mit ihrem Dreier- bzw. Fünferketten 3-4-1-2-System. Auch die Schalker spielten in einer Formation mit Dreier- bzw. Fünferkette und die Spielstile ähnelten sich demnach sehr. Auch die Gelsenkirchener konnten in den letzten Wochen durch Kampfgeist, Moral und Leidenschaft auf sich aufmerksam machen. Nach dem frühen Tor durch Luka Jovic bot sich für die Zuschauer im Waldstadion lange ein Abnutzungskampf auf hohem Niveau. Eine unglaubliche Intensität in den Zweikämpfen, frühes Pressing auf beiden Seiten und jederzeit gefährliche Offensivspieler, die zum gefährlichen Gegenangriff ansetzen können. Auch wenn die Eintracht nach der Führung den Schalkern ein wenig das Feld überließ, bewegten sich beide Mannschaften doch lange auf Augenhöhe. Eine Tatsache, die bei der unterschiedlichen Budgetierung der Klubs sicher nicht selbstverständlich ist. Insgesamt haben es die Verantwortlichen geschafft mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln, mit einer erneut völlig neu zusammengestellten Mannschaft, Vereinen ebenbürtig gegenüberzutreten, die viel mehr finanzielle Möglichkeiten besitzen. In einer Liga, die ausgeglichen wie nie ist, hat man es geschafft mit 26 Punkten in einer sicheren Zone zu überwintern und auch noch Träume offen zu lassen. Da ist es auch zu verschmerzen, dass die Mannschaft eine 2:0-Führung nicht über die Zeit bringen konnte und zu oft das Fußballspielen einstellt, wenn sie in Führung liegt.

Viel Potential
SGE-Coach Niko Kovac gab erneut Luka Jovic den Vorzug vor Sebastien Haller. Jovic, der insbesondere im Training immer wieder auf sich aufmerksam gemacht hatte, nutzte diesmal gleich seine erste Chance und belohnte sich endlich mit einem Treffer. Als Kovac dann den ausgelaugten und ebenfalls gelb-rot gefährdeten Ante Rebic runternehmen musste und Sebastien Haller brachte, zeigte sich einmal mehr, dass man eine ganz neue Qualität in der Breite des Kaders besitzt. Haller, der ohnehin schon eine starke Hinrunde spielte, krönte seine Debüt-Bundesliga-Halbserie mit einem wunderschönen Hackentreffer. Auch Rebic, der diesmal etwas müde wirkte, ist einer dieser Spieler, die mit ihrem Potential eine tolle Grundlage für die weitere Entwicklung von Eintracht Frankfurt bilden. Mijat Gacinovic mit seinen zwei Torvorlagen ist in dieser Form ebenfalls unverzichtbar und ein Spieler, der bei allen Höhen und Tiefen, ein wichtiger Baustein der Zukunft sein wird. Zudem Senkrechtstarter Marius Wolf, Jetro Willems und Kevin-Prince Boateng, der dank seiner Leader-Qualitäten heute auch erneut als Kapitän auflaufen durfte. Auch wenn man nun eine ähnlich gute Hinrunde wie in der vergangenen Saison gespielt hat, scheint ein deutlicher Leistungsabfall in der Rückrunde diesmal ausgeschlossen. Mit Marco Fabian und Omar Mascarell kehren zwei Spieler zurück, die vor allem die Defizite im spielerischen Bereich lösen könnten. Vermehrte lange Bälle von hinten werden dann vielleicht auch nicht mehr das Mittel erster Wahl sein und man wird sich dort weiterentwickeln. Dementsprechend gespannt darf man sein, wie viel stärker die SGE aufgrund der beiden Rückkehrer noch werden kann. Ohnehin durchläuft die Mannschaft in den letzten Monaten bereits eine wichtige Entwicklungsphase, die sie reifen und weiter zusammenwachsen lässt. Nun gilt es den Traum von einem erneuten Pokalfinale in Berlin weiter leben zu lassen und das Pokalspiel in Heidenheim für sich zu entscheiden, um dann mit 26 Punkten und einer weiteren Pokalteilnahme glücklich in die Winterpause zu gehen.

- Werbung -

3 Kommentare

  1. Danke Laura,
    eine absolut zutreffende Zusammenfassung der Vorrunde.
    Zwei Dinge ich zu dieser hervorragenden Analyse noch beisteuern möchte.

    1. Wir haben in dieser Saison erstmals eine Art – und nie zuvor gekannte – Killermentalität entwickeln können, die uns nun auch gegen Tabellenschlusslichter und zeitnahen Hinterbänkler nicht zum Punktelieferanten und Aufbaugegner werden läßt. Die neugewonnene Auswärtsstärke spricht zudem wirklich Bände für einen völlig neuen, erfolgreichen Eintrachtstil und einer tollen Entwicklung.
    2. Ich würde es nicht so behaupten, daß sich Schalke systematisch hochgespielt hat; eher finde ich, daß sie beinahe die gesammte Vorrunde von den Herren in Schwarz aüßerst wohlwollend behandelt wurden und so den einen oder anderen Punkt mehr auf ihre Habenseite verbuchen durften; so geschehen jüngst gegen Augsburg oder eben heute wieder mal bei uns.
    Auserdem waren die 04-er Auftritte bislang auch alles andere als überzeugend, und es gab schon weitaus bessere Tabellenzweite als es zur Zeit diese Schalker sind, wie ich finde.

    So hat es mich auch nicht verwundert, daß wir einen Kampf auf Augenhöhe gesehen haben, dem ein leistungsgerechtes Remis folgte.

    0
    0
  2. Danke Marburg91 und auch für den link

    Tja, da ist er wieder, unser alter Armin.
    sitzt gewissermaßen im Glashaus und wirft mit Steinen.

    Und außerdem: auch wenn er gerade nicht Trainer ist, so war es doch vor nicht mal allzu langer Zeit; und dann macht das nicht, auf seine Vorgänger und Kollegen draufhauen. Da gibt es so etwas wie einen Ehrenkodex.
    Korrigiert mich bitte, wenn ich da was falsches behaupte.

    Adlergruß

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -