Marco Russ hat eine schwierige Zeit überwunden und will im nächsten Jahr wieder mit dem Team trainieren.
Marco Russ hat eine schwierige Zeit überwunden und will im nächsten Jahr wieder mit dem Team trainieren.

Stabilitäts-Ãœbungen, ein bisschen Kraft-Training und fünfzehn Minuten laufen – Marco Russ gibt im Gespräch mit „Bild“ zu, dass ihm bereits ein Programm, welches normalerweise nicht einmal dem Anspruch eines ausgiebigen „warm-up“ genügt, die Luft komplett ausgehen ließ. „Ãœberall Muskelkater“, sagte der 31-Jährige und fügte zufrieden an: „Darüber war ich froh. Das hatte ich ein halbes Jahr nicht mehr. Inzwischen merke ich Fortschritte. Es geht wieder einfacher…“ 15 Tage liegt der große Moment der Rückkehr in Trainingsbetrieb für den Vize-Kapitän der Eintracht inzwischen zurück. Es war nicht irgendein „Comeback“, sondern eines, welches bundesweit große Beachtung fand.

Fast drei Wochen liegt der Tag inzwischen zurück, als Trainer Niko Kovac bei der Pressekonferenz vor der Partie gegen den Hamburger SV (3:0) verkündete, dass Russ den Krebs besiegt habe. Der Spieler selbst bestätigte nun, dass die Ergebnisse diese Aussage untermauern. Bereits nach der ersten Chemo-Therapie sei der Tumormarker deutlich nach unten gegangenen. Allerdings sei dieser noch nicht komplett weg gewesen und so wurde noch eine zweite Chemo verabreicht: „Die Rückfallgefahr bei mir ist jetzt unter drei Prozent. Hätte ich die zweite Chemo nicht gemacht, hätte die Rückfallgefahr bei fast 50 Prozent gelegen. Dieses Risiko wollte ich nicht eingehen, ansonsten hätte die Gefahr bestanden, ein paar Jahre später wieder an Krebs zu erkranken.“

So kann sich Russ voll auf seine Familie und die Rückkehr auf den Fußballplatz konzentrieren. Er glaubt daran, wieder an die alte Leistungsfähigkeit anknüpfen zu können, auch wenn Geduld nötig ist. Glücklicherweise musste die dritte ursprünglich vorgesehene Chemo-Therapie nicht durchgeführt werden, ansonsten „wäre es schwer gewesen, wieder zurückzukommen. Es wird einem da ein Gift verabreicht, das die Lungenkapazität stark beeinflusst. Aber meine Ärzte haben einen Kollegen in Koblenz kontaktiert, der an Krebs erkrankte Jet-Piloten behandelt. Die bekommen von diesem Arzt auch ein anderes Gift. Das wurde dann auch mir verabreicht, die Lungen wurden nicht in Mitleidenschaft gezogen.“

Es verwundert mit Blick auf die letzten so schwierigen Monate nicht, dass der Muskelkater nach dem Training keine Klagen beim Abwehrmann hervorruft. Ãœber allem schwebt das Ziel, mit ins Winter-Trainingslager nach Abu Dhabi reisen zu können. „Wenn alles glatt läuft“, erzählt er freudig, „könnte ich vielleicht im Januar schon komplett mit der Mannschaft trainieren.“ An einen Einsatz sei allerdings noch nicht zu denken, schließlich fange er bei Null an. So bestehe die Gefahr „auf Entzündungen im Körper.“ Russ spürt deshalb auch keine Eile und blickt zufrieden auf die scheinbar so kleinen Fortschritte: „Inzwischen bin ich bei 30 Minuten Laufen angekommen.“ Ferner befindet sich die Mannschaft aktuell in einer sportlich guten Lage, sodass nicht das Gefühl aufkomme, er fehle an allen Ecken und Enden. Stattdessen will der gebürtige Hanauer in Ruhe das neue Team noch kennenlernen und langsam eine Bindung, „die im letzten halben Jahr flöten gegangen ist“, aufbauen.

Dennoch wollen wir noch einmal darauf zurückblicken, wie hart die letzten Monate für die Nummer vier der Eintracht tatsächlich waren. Am Tag vor dem Relegations-Hinspiel gegen den 1. FC Nürnberg kam Niko Kovac auf ihn zu und klärte ihn darüber auf, dass die Anti-Doping-Agentur angerufen und etwas entdeckt habe. Russ fing an, die „abstrusesten“ Dinge zu hinterfragen, bis ein Nada-Mitarbeiter anrief und angab, dass „diese Substanz auch der Körper selbst produzieren könnte. Der Wert war die letzten vier Spieltage, an denen ich auch schon getestet wurde, durchgehend hoch. Da habe ich sofort gesagt: ‚Das muss es sein!‘ Ich wüsste gar nicht, wie ich dopen soll…“ Bei der anschließenden Ultraschall-Untersuchung wurde sofort gesehen, was tatsächlich los war. Der Defensivmann konnte zunächst gar nicht realisieren, was tatsächlich passiert war und lief gegen die Franken – nachdem die Ärzte grünes Licht gaben – auf. Das Eigentor schob er nicht auf die Krankheit: „Ich habe während des Spiels auch keinen Gedanken daran verschwendet, dass ich krank bin. Nach dem Spiel war ich sauer, dass ich im Rückspiel aufgrund einer Gelb-Sperre nicht spielen durfte. Sonst hätte ich das auch noch gemacht.“

Russ konnte sich stattdessen auf seine Operation und die daran anschließende Zeit der Ungewissheit vorbereiten. Immhin sagten ihm die Ärzte von Anfang an, dass der Krebs sehr gut zu heilen sei. „Das war anders als bei Benny Köhler, wo der Krebs gestreut hat. Er hat viel härtere Chemo-Therapien, als ich machen müssen. Von daher habe ich von Anfang an positives Feedback bekommen, dass es gut gehen kann“, zieht er einen Vergleich zu seinem ehemaligen Mitspieler, der noch bis 2017 beim Zweitligisten Union Berlin unter Vertrag steht, dort in dieser Saison allerdings noch nicht zum Einsatz kam. Ob Russ im nächsten Jahr wieder wird auflaufen können, hängt auch von dessen Willensstärke ab. Die Ärzte bestätigten ihm, dass er noch „einmal so stark werden kann wie vor der Krankheit.“ Medikamente muss er keine mehr nehmen, zur Vorsorge aber weiterhin gehen, „erst alle vier Monate, später alle sechs. Insgesamt geht das mit der Vorsorge zehn Jahre.“ Solange wird er noch die Erinnerung an diesen Lebensabschnitt sehr aktiv mit sich herumtragen müssen. Einem Abschnitt, der ihm deutlich zeigte, dass „Fußball nicht alles“ ist. „Meine Frau und Kinder stehen über allem“, sagt Russ und stellt trocken die Frage: „Was nützt Dir ein Vertrag über 80 Millionen Euro im Jahr, wenn du nicht gesund bist?“

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1 Kommentar

  1. Ich wünsche Marco alles gute und das er wieder zu vollen Kräften findet. Ob es dann in dieser Saison schon wieder für einen Stammplatz reicht, wird man sehen. Einfach wird es nicht. Aber ich drücke alle Daumen die ich hab

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