Ohms 2008Der vorgestern gescheiterte Kandidat für das Präsidentenamt bei Eintracht Frankfurt, Reiner Schäfer, rief vor und während der Mitgliederversammlung manches Kopfschütteln bei Mitgliedern und Fans der SGE hervor. Für gänzliches Unverständnis bei älteren Anhängern unseres Vereins sorgte er allerdings, als er in einem Interview Sympathien für den ehemaligen Präsidenten der Eintracht, Matthias Ohms, zum Ausdruck brachte.

Matthias Ohms war von 1988 bis 1996 höchster Repräsentant von Eintracht Frankfurt und ist für nicht wenige Fans mit ausgeprägtem Gedächtnis ein „rotes Tuch“, weil sie mit dem vom Boulevard gerne als „Fünf-Milliarden-Dollar-Mann“ titulierten Ohms in erster Linie Großmannssucht, Rotlicht-Milieu und zweifelhafte Personalentscheidungen verbinden. Da nicht nur Schäfer an den früheren Präsidenten erinnerte, sondern auch die Montagsausgabe des „Kicker“ einen Teil der großartigen Serie „Präsidenten, Typen, Sonnenkönige“ Matthias Ohms widmete, nutzen wir die Gelegenheit, jüngeren Usern von SGE4EVER.de die Frage zu beantworten: „Wer war denn eigentlich dieser Ohms?“

Wenn auf der gestrigen Mitgliederversammlung zuweilen von „Misswirtschaft“ im Zusammenhang mit Fragen der Gemeinnützigkeit und des Steuerrechts gesprochen wurde, sollte man sich die Situation des Vereins im Herbst 1988 vergegenwärtigen: Die Eintracht war im Sommer Pokalsieger geworden, musste aber aus finanziellen Gründen den damaligen Top-Spieler Lajos Detari verkaufen. Die Ablösesumme in Höhe von damals astronomischen zehn Millionen DM diente dazu, die Lizenz zu sichern. Schon kurz nach Saisonstart begann der Abstiegskampf, am 13.9.1988 wurde Trainer Feldkamp entlassen, fünf Tage später der Manager Wolfgang „Scheppe“ Kraus auf bis heute einzigartige Weise: Da er sich weigerte, die Haustüre zu öffnen, wurde ihm die fristlose Kündigung durch das Toilettenfenster zugestellt! Auf der Mitgliederversammlung der Eintracht am 14.11.1988 wurde Präsident Gramlich gestürzt und an seiner Stelle ein Autowaschanlagenbetreiber namens Dr. Joseph Wolf gewählt. Für ewige Zeiten in Erinnerung bleibt diese Versammlung vor allem durch den Faustschlag von Heinz Jüngling gegen Manfred Wegner („Geh runnär!“, siehe Video), der ihn wegen Zeitüberschreitung vom Rednerpult komplimentieren wollte.

Wolf war für die Verantwortlichen im Verein, in der Politik und in der Wirtschaft untragbar und blieb ganze neun Tage lang Präsident. Am 29.11.1988 durften die Mitglieder erneut wählen und bekamen einen neuen Hoffnungsträger vorgesetzt: das „Finanzgenie“ Matthias Ohms, Devisenmakler, Mitglied im Verwaltungsbeirat der SGE seit 1983, der in seinen Geschäftsräumen in der Schillerstraße in seinen besten Zeiten 100 Devisenhändler beschäftigte, Standleitungen zu allen wesentlichen Großbanken hatte und monatliche Telefonkosten in Höhe von 800.000 DM produzierte. Vor dem Hintergrund, dass Ohms Tagesumsätze von bis zu fünf Milliarden Dollar realisierte (bei einer Provision von einem Zehntel Promille), war das Etikett „Fünf-Milliarden-Dollar-Mann“ von BILD schnell gefunden.

Der „Kicker“ schildert eindrucksvoll, wie Ohms im Jahre 1983 erstmals mit der Eintracht in Kontakt kam und dem Verein zusammen mit dem Immobilienmakler Gernot Gaulke kurzerhand einen zinslosen Kredit in Höhe von 1,1 Millionen DM zur Verfügung stellte – einen Betrag, den der Devisenmakler damals offenbar aus der Portokasse bezahlen konnte.

Nach der Übernahme des Präsidentenamtes 1988 verlangte Ohms: „Rückkehr zur Ruhe, der Blick muss nach vorne gehen.“ Was er damit meinte, wurde nach 13 Tagen deutlich: Trainer Pal Csernai wurde entlassen und durch Jörg Berger ersetzt. Mit Berger und seinem Nachfolger Stepanovic erlebte die Eintracht in den Jahren 1989 bis 1993 einen großartigen Höhenflug, der am letzten Spieltag der Saison 1991/92 fast mit dem Titel gekrönt worden wäre.

Unter der Führung von Ohms ging „Frankfurts Geldadel mit dem Nachtadel eine fatale Kumpanei ein“, wie der SPIEGEL damals schrieb. Er  sonnte sich im Erfolg der Mannschaft, wechselte die Trainer mit seinem Vize Bernd Hölzenbein nach Belieben und leitete mit der Verpflichtung von Jupp Heynckes (1.7.1994) schließlich seinen eigenen Niedergang ein. Ohms beruflicher Abstieg hatte zu diesem Zeitpunkt längst eingesetzt: Den Frankfurter Großbanken war ein selbstsüchtiger Devisenmakler ein Dorn im Auge; sie entzogen ihm nach und nach die Aufträge. Ohms musste seine Firma verkaufen und fand sich nach zahllosen unappetitlichen privaten Affairen in den Schlagzeilen der lange Zeit von ihm hofierten Regenbogenpresse wieder. Erinnert sei hier nur daran, dass in seinem Haus während seiner Abwesenheit Parties mit Personen aus der Rotlicht-Szene veranstaltet wurden – was als Privatangelegenheit von Matthias Ohms hätte durchgehen können, wenn nicht Eintracht-Unterlagen aus seinem Safe gestohlen worden wären, mit denen Ohms dann auch erpresst wurde. 2010 verurteilte das Amtsgericht Frankfurt den heute 70-Jährigen zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und 150 Stunden gemeinnütziger Arbeit wegen der Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen der Vermögenslosigkeit.

Die Skandale und Skandälchen aufzuzählen, die während der Amtszeit von Matthias Ohms als Präsident die Eintracht in die negativen Schlagzeilen brachten, würde diesen Artikel ins Unermessliche führen. Stichwortartig seien genannt: zinslose Kredite an Spieler, von denen niemand weiß, ob sie jemals zurückgezahlt wurden, Verhandlungen mit nicht lizenzierten Spielerberatern, dubiose Quittungen über Schmiergeldzahlungen, Provisionszahlungen an „Unbekannt“ und vieles mehr.

Die Eintracht-Fans verbinden mit dem Namen Ohms jedoch für immer den ersten Abstieg aus der Fußball-Bundesliga im Jahre 1996. Unmittelbar nach dem Abstieg trat Ohms von seinem Amt zurück, nachdem der Verwaltungsrat eine von ihm gestellte Vertrauensfrage negativ beschieden hatte.

Leider fehlt in dem ansonsten lobenswerten „Kicker“-Artikel ein Hinweis auf die aus Sicht von Eintracht-Fans perfideste Amtshandlung von Matthias Ohms: Im Frühjahr 1996, als die Eintracht mitten im Abstiegskampf steckte, kündigte der Präsident auf einer Pressekonferenz an, der Vertrag mit Trainer Karl-Heinz „Charly“ Körbel werde verlängert und sei auch ohne Unterschrift per Handschlag gültig – zwei Tage später wurde Körbel entlassen.

Warum der „Kicker“ Erinnerungen des früheren Präsidenten an die sieben von ihm entlassenen Trainer präsentiert, kann aus fachlichen Gründen nicht nachvollzogen werden. Die Belege sind entweder banal (über Horst Heese: „Seine Art und sein Humor haben mir gefallen„) oder peinlich (über Heynckes: „Ich hatte das Gefühl, dass er mit seinen Vorstellungen in Frankfurt unterfordert ist„).

Nachdem das Fachblatt Ohms abschließend mit den Worten „Ich bereue nichts“ zitiert hat, denkt der aufgewühlte Eintracht-Fan spätestens jetzt voller Dankbarkeit an die aktuell sportlich Verantwortlichen in Verein und AG und ist heilfroh, dass die Ära Ohms längst der Vergangenheit angehört.

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2 Kommentare

  1. Bitte nicht so despektierlich über Waschanlagenbetreiber reden:-)
    Herzlichen Dank für die Reise in die Vergangenheit – Geiler Moment als Details damals den Freistoß versenkte und endlich abgepfiffen wurde!

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  2. Danke für die Geschichtsstunde, Ralf!
    Tradition und Zukunft brauchen auch ab und zu einen Blick in die Vergangenheit.

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