18.02.2015, Fussball, 1. BL, Training Eintracht FrankfurtRenat Dadachev wechselte zu RB Leipzig, die Itters-Zwillinge Davide und Gian-Luca zum VfL Wolfsburg und Sören Lippert zu Borussia Dortmund. Innerhalb eines Jahres hat das Leistungszentrum von Eintracht Frankfurt vier große Talente verloren. Dabei hatte Nachwuchsleiter Armin Kraaz, der sich im Gespräch bei hr-online über die Jugendarbeit in Deutschland äußert, größte Hoffnung, dass Dadachev und die Itters-Zwillinge den Sprung in die Profiabteilung hätten schaffen können. Es waren herbe Rückschläge für die Eintracht im Kampf um die großen Talente. Das Werben um junge Spieler wird immer aggressiver. Vor allem RB Leipzig versucht mit aller Macht in die höchsten Regionen in Deutschland streben. Kraaz prangert an, dass „sie sich nicht nur um den Topspieler eines Jahrgangs bemühen, sondern flächendeckend Talente aus Deutschland haben möchten. Dass sind nicht nur die Topspieler, sondern auch die Nummer 4, 5, 6 im Ranking eines Vereins.“ Der Brauseclub verfüge über große räumliche Kapazitäten. „Dort entsteht gerade ein großes Internat für Dutzende Spieler und muss voll werden„, erklärt der Nachwuchsleiter weiter. Die jungen Spieler aber müssten permanent Angst haben, dass sie wieder ausgesiebt werden: „Umgekehrt werden jetzt Spieler bereits nach der U17 weggeschickt, die man vor zwei Jahren noch holte. Die kommen zurück auf den Markt, weil man Bessere entdeckt hat oder die Entwicklung nicht so zufriedenstellend verlief.“

Eliteförderung in Leipzig. Der Retortenverein sucht nach dem Allerbesten, was der Markt zu bieten hat. Und es wird auch alles dafür getan, dass die Talente gerne zu RB wechseln. Die Bedingungen, so Kraaz, seien außergewöhnlich: „Schule, Infrastruktur, pädagogische Betreuung. Das scheint alles hervorragend zu sein und muss man akzeptieren.“ Präsident Peter Fischer regte sich bereits im vergangenen Sommer über die Praktiken auf dem Jugend-Transfermarkt auf: „Die gehen direkt an die jungen Spieler ran und bieten so viel Geld, dass es schwer ist, nein zu sagen. Wegen der guten Luft geht bestimmt keiner nach Leipzig.“ Außer diese Luft riecht nach Geld. Kraaz könne es zwar nicht genau sagen, aber er habe gehört, dass man in Leipzig vierstellig verdienen könne. Die Eintracht könne sich so etwas nicht leisten, hier seien die Grenzen im Etat zu eng gesteckt. Aber auch der Aspekt der hervorragenden Infrastruktur dürfe nicht völlig außer Acht gelassen werden: „Wenn ich viel verdiene, aber die Betreuung nicht dem guten Niveau entspricht, macht es keinen Sinn, dorthin zu wechseln. Wenn ich meinen 14-, 15-jährigen Sohn 300 Kilometer weit weg schicke, möchte ich ihn auch in guter Betreuung wissen.“

16.09.2008, Fussball, RL Süd, Eintracht Frankfurt U23 vs. KSV Hessen KasselDer Riederwald selbst habe zwar ein gutes Leistungszentrum, welches erneut mit drei Sternen ausgezeichnet wurde, aufgebaut. Man sei aber bei weitem nicht in der Spitzenklasse vertreten und bewege sich auf ungefähr einem Niveau etwa mit Köln, Nürnberg oder Mainz. Dorthin verliere man auch in der Bundesliga nicht seine Spieler: „Sebastian Jung geht nach Wolfsburg, ein Sebastian Rode wechselt zu den Bayern. Genau an diese Clubs verlieren wir unsere Jugendspieler auch„, weiß Kraaz. Der Jugendbereich sei eben ein Spiegelbild der Bundesliga: „Wir verlieren auch keine Jugendspieler nach Mainz oder Köln, sondern an fünf, sechs Vereine, die einfach besser aufgestellt sind. Dazu zählt jetzt auch Leipzig.“ Es seien aber nicht nur die Retorten- und Werksvereine, die mit Vehemenz nach neuen Spielern suchen: „Neben Wolfsburg ist momentan Dortmund aggressiv auf dem Markt unterwegs. Und der BVB ist ein Traditionsverein. Davon sind nicht nur wir betroffen. Mainz, Freiburg können davon ein Lied singen. Nürnberg verliert im Sommer 14 Spieler aus drei Jahrgängen. Die sind dem FCN einfach weggeholt worden, das kann man später nicht mehr auffangen.“ Gleicht diese ganze Praxis tatsächlich dem mordernen Sklaventum, wie es Fischer damals nannte? Und kann sich die Eintracht in diesem Wettkampf um die Toptalente wirklich noch behaupten? Eine Patentlösung gibt es dafür freilich nicht. Kraaz hofft auf die emotionale Bindung und den Blick der Eltern in den Frankfurter Profikader: „Wir wollen den Eltern zeigen, dass wir am Riederwald sehr gut ausbilden, eine gute Durchlässigkeit nach oben haben. Wir hatten in der abgelaufenen Bundesliga-Saison mit Marc Stendera, Timothy Chandler, Marco Russ, Sonny Kittel und Luca Waldschmidt fünf Eigengewächse, die zum Einsatz gekommen sind – eine tolle Quote.“

Ferner erhofft sich der 50jährige Nachwuchsleiter, dass die festgelegten Ablösesummen zwischen den Leistungszentren erhöht werden. Für einen 14jährigen Topspieler, der drei Jahre bei der Eintracht war und nach Wolfsburg geht, bekäme man 19.000 Euro. Was nach viel Geld klingt, sei für den VfL nur Kleingeld. „Deshalb finden auch andere Kollegen, dass die Entschädigungen für die abgebenden Vereine nach oben geschraubt werden müssen.“ Kraaz setzt sich allerdings auch selbstkritisch mit den Praktiken des eigenen Vereins auseinander: „Wir müssen auch fair sein, denn wir holen ja auch Spieler von Darmstadt 98, vom FSV Frankfurt oder Wehen Wiesbaden. So wie wir Talente an Wolfsburg oder Leipzig verlieren, verlieren der FSV oder Darmstadt sie an uns.“ Dies ließe sich allerdings nicht mit Wechseln über mehrere hundert Kilometer vergleichen: „Ich hätte allerdings ein Problem mit der einen oder anderen Geschichte. 13-Jährige quer durch Deutschland zu transferieren, halte ich für schwierig.“

Neben den vielen schwierigen Themen, die immer wieder angesprochen werden, gilt es aber auch, den Blick auf die eigenen Jugendmannschaften nicht zu verlieren. Während die U19 nach einer schwierigen Spielzeit noch auf Platz 8 landete, war man mit der U17 nicht ganz zufrieden: „Nach einem wirklich guten Auftakt hatten wir gedacht, wir könnten oben mitspielen.“ Letztendlich landete die von Uwe Bindewald trainierte Nachwuchsmannschaft nur auf Rang 11. Im Fokus der Öffentlichkeit stand aber vor allem die U19, die zur Winterpause noch auf einem Abstiegsplatz stand, in der Rückrunde aber durchstartete und sich noch souverän rettete. Es sei vergangenes Jahr eben kompliziert gewesen, dass sechs oder sieben Spieler die Vorbereitung bei den Profis mitgemacht haben. „Wir werden im Sommer versuchen, das mit den Profis geschickter zu organisieren und die Belastung besser zu steuern.“ Und von Rückkehrer Armin Veh erhofft sich Kraaz ganz konkret, „dass der Kontakt zwischen Leistungszentrum und Lizenzspielerabteilung, der in den letzten Jahren stetig intensiviert und verbessert wurde, weiterhin so rege und engagiert verläuft wie bisher.“

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4 Kommentare

  1. DIe Top-Talente werden wohl weiterhin von den Geldhaien abgefischt und diejenigen Jungspieler, die aus der U19 rauswachsen und bei denen zum Profi noch etwas fehlt, denen fehlt die U23, in der sie sich den letzten Schliff holen können.
    Ich denke, dass man sich in der Region einen Partnerverein suchen sollten, der die Abmeldung der U23 etwas abfedert.
    Ein Partnerverein in der Region könnte davon profitieren den Talenten den letzten Schliff zu geben und diejenigen zu behalten, bei denen es für die BuLi nicht reicht und die Eintracht könnte sich die Jungs zurückholen, bei denen eine gute Entwicklung beobachtet werden konnte.

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  2. Durchaus selbstkritische Worte von Kraaz. Die Nachbarn vom FSV, Wehen, Darmstadt, Offenbach und die vielen kleinen Vereine sind garantiert nicht begeistert wenn immer die Jahrgangsbesten zu uns wechseln. Teilweise wird/wurde hier gar nix an Ablöse bezahlt. Bei den Transfersummen hat die FR andere Summen ins Spiel gebracht. Da stand damals was von einem hohen sechsstelligen Betrag die für Talente gezahlt wurden. Bis auf wenige Ausnahmen landen fast alle wieder im Amateurbereich, siehe unsere beiden letzten U19 Jahrgänge. Ob da wirklich eine U23 oder ein Partnerverein helfen würde?

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  3. Was hier komplett nicht erwähnt wurde, ist dass in Frankfurt keinerlei Wert auf eine schulische Ausbildung gelegt wird sondern der Fussball zu 100% zählt. Gerade im Winter haben wir Talente nach WOB abgeben müssen. Damals wurde auch wieder laut rumgejammert. Was aber nie zur Sprache kam, ist die beiden Zwillinge mitunder nach WOB gegangen sind, weil denen dort die Möglichkeit gegebn wird, Abitur zu machen. Dies ist in der Frankfurter Talentschmiede im Ausbildungsplan nicht vergesehen. Denn: wer brauch schon Abitur? Loddar Matthäus hat ja auch gut gespielt….

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  4. In Frankfurt kann man auch Abitur machen.

    Die Eintracht hat verschiedene Kooperationen mit Frankfurter Schulen. Kann man auch ganz leicht nachlesen, bevor man hier Senf hinschreibt.

    Die Gründe warum gewechselt wird sind schnell zusammengefasst: Geld! Es geht um nichts anderes.
    Und da VW, SAP, RB sowieso nen Geldcheat haben und der BVB oder FCB einfach ein vielfach höheres Budget, kann die Eintracht da nicht mithalten.

    Das hat nichts mit Jammern zu tun, sondern so sind nunmal die Tatsachen. Daraus gilt es nun das Beste zu machen und ich glaube das machen wir gar nicht schlecht.

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