Eintracht-Coach Niko Kovac möchte mit seinem eigener Einstellung Vorbild für seine Spieler sein und ihnen Ängste vor Fehlern nehmen.
Eintracht-Coach Niko Kovac möchte mit seinem eigener Einstellung Vorbild für seine Spieler sein und ihnen Ängste vor Fehlern nehmen.

Der Umbruch, den die Verantwortlichen von Eintracht Frankfurt nach der letzten und vor der aktuellen Saison im und um das Team durchzogen haben, war gewaltig. Viele langjährige Leistungsträger, beispielsweise Carlos Zambrano und Stefan Aigner, mussten ihren Spind in der Kabine des Frankfurter Waldstadions räumen und wurden durch eher unbekannte Spieler wie Michael Hector, Omar Mascarell oder Ante Rebic ersetzt. Durch die neuen, vielen vorher unbekannten Spieler, wuchs auch im Umfeld die Unsicherheit bezüglich der Leistungsfähigkeit des Teams. Eine Konstante gab es trotzdem: Bei den Hoffnungsträgern für die kommende Saison fiel stets der Name Niko Kovac. Der Kroate, der die Eintracht erst im März übernommen und der Mannschaft wieder Leben eingehaucht hatte, schaffte den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt in letzter Sekunde, weshalb sein Ansehen bei den Fans  ins unermessliche stieg. Der 44-Jährige war immer positiv eingestellt und lebte diesen Optimismus auch in der schwersten Stunde vor. Er betonte immer wieder, dass er durch seinen Beruf als Trainer auch ein Vorbild sei und dies auch sein will.
In einem Interview mit „hr-info“ sprach Kovac nun über genau diese Vorbildfunktion und über seine Art Mensch zu sein. Des Weiteren äußerte sich der Fußballlehrer zur Niederlage gegen den SV Darmstadt 98 und ein weiteres Mal zur Ausländerdebatte im Kader der SGE. „Mit einem Unentschieden hätten wir beide leben können. Nun bin ich aber ziemlich sauer.“ Diese Worte waren eine der ersten Reaktionen von Kovac auf verlor gegangene Partie in Darmstadt. Er betonte, dass ihn an dem Punktverlust vor allem zwei Dinge gestört haben. Zunächst betonte der Kroate, dass die Niederlage unnötig gewesen sei, da seine Mannschaft das Spiel dominiert habe. Der zweite bittere Aspekt war der, dass es sich beim Gegner um einen direkten Konkurrenten gehandelt habe: „Zum anderen ist es ein Gegner, der sich im selben Bereich wie wir aufhalten wird. Wir müssen so schnell wie möglich Punkte sammeln und da wäre es ganz gut gewesen, wenn wir den Gegner durch ein Unentschieden auf Distanz gehalten hätten.“

Der 44-Jährige gab zu, dass er nach solch einer intensiven und dann auch enttäuschenden Partie etwas Freiraum brauche. Er sagte, dass er direkt nach dem Spiel natürlich den Austausch mit seinem Trainerteam und den Verantwortlichen gesucht habe, sich anschließend aber zurückzog: „Es war aber schon so, dass ich am Sonntag und Montag ziemlich in den Seilen hing, es hat schon ziemlich nachgewirkt. In den zwei Tagen war ich nicht wirklich gut ansprechbar.“ Den oben angesprochenen Optimismus versucht er aber permanent vorzuleben. Dies sei auch bei den Ansprachen zum Team wichtig. Kovac habe der Mannschaft zwar gesagt, dass es verschenkte Punkte waren. Aber er betont auch: „Es geht weiter. Wir werden nicht aufgeben. Die Jungs sollen sich auf das Wesentliche konzentrieren, denn wir haben eine gute Vorbereitung absolviert. Wir müssen jetzt nach vorne und nicht zurück schauen“, gab sich der ehemalige Mittelfeldspieler kämpferisch.“

Der ehemalige Bundesligaprofi empfindet es als wichtig, dass er seiner Arbeit frei von äußerlichen Einflüssen nachgehen könne. Daher lese er auch keine Zeitung oder Berichte auf Online-Seiten: „Egal, was ich lese, es beeinflusst mein Denken, egal ob ich das möchte oder nicht. Ich versuche rational an meine Aufgabe ranzugehen und nicht emotional.“ Emotional wird Kovac allerdings dann, wenn es um seinen neuen Klub und seine Identifikation mit diesem geht: „Ich weiß schon, wo ich bin und ich weiß auch, welche Bedeutung dieser Klub für die Region hat.“ Auch er selbst habe sich bereits voll mit der Eintracht identifiziert: „Alle leben für die Mannschaft. Dementsprechend leben wir auch. In unserem Geschäft ist es nicht ganz einfach. Man darf vielleicht nicht zu viele Emotionen mit rein bringen aber das klappt bei mir nicht.“ 

Der Kroate hat oft ein Lächeln auf den Lippen und ist immer und zu jedem freundlich – auch nach Niederlagen. Das gehöre laut Kovac zu seinen Grundtugenden, die er vorzuleben versucht: „Ich versuche meinem Gegenüber so entgegen zu treten wie ich möchte, das mir jemand entgegentritt. Also freundlich und höflich.“ Es sei zwar nicht möglich, alle zufrieden zu stellen –  trotzdem will er niemanden ungerecht behandeln: „Die Menschlichkeit muss im Vordergrund stehen!“

Zu dieser Menschlichkeit gehöre auch Angst, die sowohl im echten Leben, als auch im Fußballgeschäft nicht förderlich sei. Der ehemalige Nationaltrainer Kroatiens möchte seinen Spielern diese Furcht nehmen: „Verlieren gehört zum Fußball dazu wie Gewinnen, genauso Fehler zu machen. Das will ich meinen Spieler ganz klar sagen. Fehler gehören dazu. Wenn jemand Verantwortung übernimmt sind Fehler verzeihbar. Dabei darf die Angst vor Fehlern aber keine Rolle spielen.“ Diese Einstellung habe Kovac auch durch seine Familie und seine Kindheit im Berliner Bezirk Wedding mitbekommen: „Es war ein Arbeiterviertel, wir sind dort beim Spielen auf der Straße groß geworden. Das prägt einen schon, klar.“

Seinen Spielern versuche er die Angst durch Vertrauen zu nehmen. Dies könne auch durch Einzelgespräche sein, jedoch versuche er dies hauptsächlich in Gesprächen mit der ganzen Mannschaft auszusprechen. Dabei müsse er aber auch konsequent bleiben. Dazu gehöre auch, dass er Spieler nach einer schlechteren Partie wieder spielen lasse und ihnen so sein Vertrauen zeige. „Ich weiß, dass wir alle Menschen sind und wo Menschen am Werk sind, da gibt es Fehler. Ich möchte meiner Mannschaft ganz klipp und klar sagen: Ich reiße euch nicht den Kopf ab, wenn ihr Fehler macht.“ Bei diesen Vorgängen helfe ihm natürlich auch seine Erfahrung. Der ehemalige „Sechser“ gab zu, dass er als Spieler öfter Angst hatte und dies keine schönen Erinnerungen hervorrufe. Als Beispiel nannte er die Relegation zur Europameisterschaft 2004: „Wenn wir ausgeschieden wären, hätte es das Ende meiner Karriere in der Nationalmannschaft sein können. Da habe ich die Angst extrem gemerkt.“

Das Menschliche muss bei allem Druck, der im Bundesligageschäft vorherrscht, im Vordergrund stehen. Dabei spiele es für Kovac auch keine Rolle, welche Nationalität oder Religion sein Gegenüber habe. Dieses Denken müsste sich auch in der heutigen Gesellschaft tiefer verankern: „Die Werte und Normen haben sich in meinen Augen zum Negativen verändert. Es ist ein großer Egoismus in der Welt, das sieht man auch an den Brandherden auf der ganzen Welt.“ Bei diesem Thema schweifte Kovac auch etwas vom Fußball ab und zeigte seine Nähe zur Theologie und Philosophie: „Ich bin weltoffen und akzeptiere jeden, egal wo er herkommt oder welcher Religion er angehört. Entscheidend ist, dass wir uns verstehen und vertragen. Im Endeffekt läuft es aber auf Liebe und Nächstenliebe heraus. Das versuche ich den Jungs und allen um mich herum schon so weiter zu geben.“ Als Vorbildsfigur versucht er dabei, „gewisse Sachen in richtige Bahnen zu leiten.“

Natürlich gebe es im Fußball diesen großen Egoismus, schließlich sei „jeder Spieler eine kleine Ich-AG.“ Trotzdem sei auch das Fairplay sehr wichtig. Kovac betonte, dass eine gewisse Balance wichtig sei: „Man muss auch mal an sich denken und wenn es Nötig ist den Nebenmann auch sehen.“ Den Fairplay-Gedanken würde Kovac auch in besonderen Situationen befürworten, beispielsweise bei einem ungerecht verhängten Elfmeter: „Wenn der Schiedsrichter fragt, sollte man meiner Meinung nach ehrlich sein. Wenn man es gleich klipp und klar sagt, denke ich, fährt man viel besser.“

Mit dem aus vielen Nationen bestückten Kader hat der Trainer der Hessen freilich keine Probleme: „Wir sind eine Fußball-Familie. Auch mit vielen Sprachen kann man Erfolg haben. Ich kann über die Mannschaft nur positives berichten weil es charakterlich sehr gute Jungs sind und ich bin froh, dass ich der Trainer dieser Mannschaft sein kann.“

Bei der Integration setzt Kovac auch auf den Faktor „Freundschaft“: „Das Verhältnis zwischen uns ist natürlich Spieler-Trainer, aber eben auch Spieler-Freund.“ Hierbei würde ebenfalls das Motiv der Menschlichkeit zum Vorschein kommen: „Die Menschlichkeit ist ein großer Faktor um ein Wohlgefühl zu entwickeln.“ Hier sei es auch vollkommen selbstverständlich, dass Kovac den Spielern mit Tipps zur Seite stehe: „Ich gebe meinen Rat gerne weiter und freue mich, dass ich als Ratgeber offensichtlich geschätzt werde.“

Den Saisonstart bewertet der Cheftrainer mit gemischten Gefühlen: „Durch den Sieg gegen Schalke am ersten Spieltag war die Enttäuschung über die Niederlage in Darmstadt umso größer. Vor der Saison hätte ich gesagt, dass man mit drei Punkten aus den ersten beiden Spielen zufrieden sein kann. Nach der enttäuschenden Niederlage bin ich vielleicht etwas mehr unzufrieden als zufrieden.“ Die Saison seiner Mannschaft – so dessen Prognose – werde alles abverlangen und Höhen und Tiefen inne haben. Freilich werde die Mannschaft anhand der Tabelle und der geholten Punkte gemessen. Für Niko Kovac ist allerdings noch etwas anderes von enormer Bedeutung: „Die Art und Weise wie die Mannschaft auftritt gibt mir ein Gefühl. Das hatte ich auch letztes Jahr, als wir mit dem Rücken zur Wand standen. Ich bewerte auch, ob ich etwas gesehen habe, was mich positiv oder negativ stimmt.“

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6 Kommentare

  1. Ein Trainer, für den die hier kolportierten „theologisch-philosophischen“ Werte mit hoher Wahrscheinlichkeit auch glaubhaft mit Blick auf den Gegner und dessen Anhänger gelten dürften, kann von den allermeisten der angehörigen Fans im Grunde nur als Volltrottel betrachtet werden.

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  2. „Wenn jemand Verantwortung übernimmt sind Fehler verzeihbar. Dabei darf die Angst vor Fehlern aber keine Rolle spielen.“ Wichtiger Punkt. Mir ist einer der Verantwortung übernimmt und auch mal Fehler macht lieber als die ganzen „sich verstecken“-Typen.

    Und seine Einstellung generell finde ich gut. Gegenseitiger Respekt ist wichtig. Es gab viele gute trainer die das auch gelebt haben.

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  3. Finde ich auch, gegenseitiger Respekt und trotzdem unbedingter Siegeswille im sportlichen Wettkampf schließen sich ja nicht aus. Ich frage mich nur, wieso unser Trainer dann für diese Aussagen von zizou als „Volltrottel“ tituliert wird…

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  4. @ 6

    Ich glaube es gibt andere Foren im Internet wo du diese Gedanken äußern kannst, hier sollte es nur um unsere SGE gehen…;-)

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