Hielten gegen Schalke gemeinsam den Laden dicht: Michael Hector (re.) und David Abraham.
Hielten gegen Schalke gemeinsam den Laden dicht: Michael Hector (re.) und David Abraham.

Es lief die 79. Minute im ersten Spiel der neuen Spielzeit gegen den FC Schalke 04, als ein bemitleidenswerter Michael Hector völlig niedergeschlagen vom Platz schlich. Nicht etwa, weil er wegen einer schlechten Leistung ausgewechselt wurde, sondern weil ihn Schiedsrichter Wolfgang Stark mit einer Roten Karte aufgrund einer Notbremse des Feldes verwies. Der Michael Hector, der schon im ersten Pflichtspiel der Saison im DFB-Pokal gegen den 1.FC Magdeburg die Gelb-Rote Karte in der Verlängerung gesehen hatte. Da kam er einen Schritt zu spät, traf zwar den Ball, aber auch seinen Gegenspieler. Nach rund 100 Minuten war sein Debüt im Adler-Dress also frühzeitig beendet. Danach hagelte es Kritik, er sei nicht bundesligatauglich und könne so nicht die Dauerlösung in der so gebeutelten Eintracht-Innenverteidigung sein. Zudem gab es eine Menge Langholz zu begutachten, die er aufgrund seiner Überforderung und somit aus der Not heraus schlagen musste. Dies sei keinesfalls erstligawürdig. So könne er nicht in der Bundesliga bestehen, hieß es. Das war gerade mal vor einer Woche, als Hector ein äußerst dürftiges Pflichtspiel-Debüt bei seinem neuen Arbeitgeber hinlegte und das obwohl er bei seinem ersten Kurzeinsatz gegen Celta de Vigo Lob von allen Seiten erntete. In Magdeburg aber gab es wahrlich wenig schönzureden.

Heute, nach 79 weiteren gespielten Minuten im Trikot der Eintracht, sieht die Welt schon wieder ein bisschen anders aus, auch wenn man es dem jamaikanischen Nationalspieler nicht ansehen konnte, als für ihn der Arbeitstag – mal wieder früher als ihm wahrscheinlich lieb ist – beendet war. Hector schlug die Hände vor sein Gesicht und konnte es wahrscheinlich kaum fassen. Schon wieder er, der Wiederholungstäter. Sein zweiter trauriger Höhepunkt binnen einer Woche. Doch ist die Szene von gestern nicht mit der aus dem DFB-Pokalspiel gegen den FCM vergleichbar. Vielleicht war er in der besagten 79. Spielminute gegen Schalke mit seinem Stellungsspiel nicht ganz auf der Höhe, das mag sein. Fredi Bobic, der Sportvorstand der Eintracht, hat aber sicherlich recht wenn er sagt: „Die Fehler sind schon vorher passiert.“ Hector sei halt „der letzte in der Fehlerkette“ gewesen. Infolgedessen hatte der Mann mit den Rastalocken eigentlich auch nur zwei Optionen in dieser Szene: Entweder Klaas-Jan Huntelaar irgendwie stoppen oder den Niederländer alleine auf das von Lukas Hradecky gehütete Tor laufen lassen. Man braucht sicherlich kein Experte zu sein, um zu wissen, dass ein Mann mit der Klasse von Huntelaar diese Chance mit hoher Wahrscheinlichkeit genutzt hätte. Also entschied sich Hector für die zweite Lösung, was sich im Endeffekt als goldrichtig rausstellen sollte. Nicht nur, dass er sich damit in den Dienst der Mannschaft stellte und auf sein persönliches Schicksal keine Rücksicht nahm, sondern er hat damit auch das in der Luft liegende 1:1 verhindert. Wie das Spiel dann noch verlaufen wäre, steht in den Sternen, aber der Ausgleich hätte den Schalkern vielleicht noch einmal die zweite Luft gegeben.

Es wäre aber vermessen, wenn man Hectors Leistung nur auf seinen Platzverweis reduziert. Dies würde seiner Leistung nicht gerecht werden. Zumal Rote Karten für den gebürtigen Londoner eigentlich untypisch sind. „Das ist nicht die Regel“ bei ihm, wie Eintracht-Trainer Niko Kovac gestern im Anschluss an das Spiel sagte. Dies bestätigt auch die Statistik des Innenverteidigers. In 200 Einsätzen zuvor, die er als Globetrotter auf den britischen Inseln aufzuweisen hat, flog er genau einmal mit einer Gelb-Roten Karte vom Platz. Das Foul gegen Huntelaar sei, laut Kovac, ein „unglückliches“ gewesen. Darüber gibt es mit Sicherheit keine Zweifel, zumal sich Huntelaar in der Szene auch sehr clever angestellt hatte, das muss man dem Niederländer lassen. Ansonsten habe Kovac einen „sehr guten“ Hector gesehen, der der Abwehr gemeinsam mit David Abraham Stabilität verliehen habe. Damit hat der Fußballlehrer natürlich recht, wie auch die Statistikwerte Hectors belegen. So gewann der Verteidiger gut 2/3 seiner Zweikämpfe, und über 80% seiner Pässe fanden die Mitspieler. An Einsatz ließ es der 24-Jährige also wahrlich nicht vermissen. Das zeigte sich auch in einer Szene Mitte der 2. Halbzeit, als er sich in einem Zweikampf am eigenen Strafraum den Ball erkämpfte, um ihn dann im Sprint vorbei an zwei, drei Gegenspielern, weit nach vorne in die gegnerische Hälfte zu tragen. Hierfür gab es stehende Ovationen und Szenenapplaus aus dem weiten Rund für den Abwehrspieler.

Das sind die Situationen an denen er sich jetzt hochziehen sollte, in seiner so turbulent verlaufenden Anfangsphase in seinem neuen Verein. Für Hector gilt es jetzt, das Positive aus der Partie mitzunehmen und aus den Fehlern zu lernen, wie auch Sportdirektor Bruno Hübner sagt: „Hector ist ein Kerl wie ein Baum, der wird keinen Rückschlag erleben. Er muss aus der Situation lernen und gestärkt daraus hervorkommen. Er hat eine sehr gute Leistung abgelegt.“ Dass sein Auftritt mal wieder frühzeitig endete? Geschenkt! Denn auch bei seinem traurigen Abgang gab es einen aufmunternden Applaus der Fans für das geliehene Chelsea-Talent. Vielleicht, so könnte man meinen, ist hier einer auf dem Weg zum Publikumsliebling. Voraussetzung dafür dürfte aber auch sein, dass er es schafft, seine gestern gezeigte Leistung konstant abzurufen. Denn mit Jesús Vallejo, dem zweiten neuen Innenverteidiger im Eintracht-Ensemble, scharrt einer im Hintergrund laut mit den Hufen. Vallejo darf wohl in den nächsten Spielen, in denen Hector zum Zuschauen gezwungen ist, beweisen, was er zu leisten im Stande ist.

Timothy Chandler: Mit vollem Einsatz nach seiner Einwechslung.
Timothy Chandler: Mit vollem Einsatz nach seiner Einwechslung.

Dies konnte gestern schon ein anderer Ergänzungsspieler im SGE-Kader zeigen, der sich ebenso wie Hector mit seiner Leistung den einen oder anderen Szenenapplaus abholen konnte. Es lief die 56. Spielminute als sich Trainer Kovac zu seinem ersten Wechsel entschloss. Das intensive Spiel der ersten Halbzeit und die extreme Hitze sorgten für einen entsprechenden Kräfteverschleiß. Doch es überraschte nicht wenige im Publikum, dass ausgerechnet Verteidiger Timothy Chandler an der Seitenlinie zur Einwechslung bereit stand. Chandler, der in der Vorbereitung aus Personalnot vor allem als Innenverteidiger aushelfen musste, schien seinen Platz im Team auf seiner angestammten Position des rechten Verteidigers zu verlieren und es kamen erste Gerüchte auf, dass ein Wechsel des Eigengewächses zum Thema werden könnte. Da man in diesem Sommer bei der Eintracht zur Erzielung eines Transferüberschusses gezwungen ist, erschien das angebliche Interesse des Hamburger SV an Chandler durchaus realistisch. Die Konkurrenz auf der Position der rechten Abwehrseite schien mit dem Neuzugang Guillermo Varela und dem jungen Yanni Regäsel zu groß zu sein. Regäsel, der in der vergangenen Saison zwar nicht vollends überzeugte, hatte zumindest in der Vorbereitung die Gelegenheit, sich auf seiner Position zu zeigen, und die meisten sahen in ihm, nicht zuletzt aufgrund seines Alters, den rechten Verteidiger für die Zukunft.

Chandler, der zwar in der US-Nationalmannschaft schon auf der linken Abwehrseite agierte, nahm die für ihn neue Rolle des Aushilfs-Innenverteidigers in der Vorbereitung klaglos an und machte dabei sogar eine erstaunlich gute Figur. In den Testspielen gegen Atalanta Bergamo und bei der Saisoneröffnung gegen Celta de Vigo spielte er solide auf der ihm eigentlich fremden Position und entpuppte sich als echte Alternative. Mit der Leihe von Hector hatte sich aber auch diese Alternative für ihn wieder zerschlagen. Chandler, der wohl in diesem Sommer seit langem mal wieder eine komplette Vorbereitung mitmachen konnte und davon profitierte, dass er nicht zur US-Nationalmannschaft reiste, nahm auch diese Situation vorbildlich an.

Und dann kam die eben erwähnte 56. Spielminute. Die Gelsenkirchener, die nach einer katastrophalen ersten Halbzeit und einem Rückstand von 0:1 mit vielen Vorsätzen für die zweite Hälfte aus der Kabine kamen, wollten den Ausgleich erzwingen und Schalke-Trainer Markus Weinzierl brachte mit dem Schweizer Shootingstar Breel Embolo einen gefährlichen Angreifer. Kovac wollte darauf reagieren und mit der Hereinnahme des Deutsch-Amerikaners vor allem die Defensive stärken. Wenn die „Knappen“ im Angriff waren, formierte sich so mit Chandler eine Fünferkette am Frankfurter Strafraum, und die Räume für die Königsblauen sollten noch enger werden. In der Offensive sollte er die bis dahin verwaiste rechte Außenbahn beleben. Was dann allerdings geschah, bei gefühlten 40 Grad im Waldstadion, hat die Zuschauer begeistert und beeindruckt. Der US-Nationalspieler brannte  auf seinen Einsatz und setzte innerhalb von fünf Minuten gleich dreimal zum Sprint an. Besonders die Szene, in der er den Ball vorbei am Schalker Außenverteidiger Sead Kolasinac legte, und diesem dann im Sprint einige Meter davon lief, war bemerkenswert. Auch wenn die Flanke nicht präzise genug war, brachte Chandler einen kaum zu bändigen Kampfgeist ins Spiel. Später, als er frei vor S04-Keeper Ralf Fährmann im Strafraum zum Kopfball kam, hätte er seine herausragende Leistung noch mit einem Treffer krönen können, doch das wäre vermutlich zu viel der Fußball-Romantik an diesem Nachmittag gewesen.

Es bleibt aber festzuhalten, dass Chandler und auch Hector gestern zwei Paradebeispiele für die neue Kämpfer- und Siegermentalität der Eintracht unter Kovac waren. In dieser Form wäre es fahrlässig einen Spieler wie Chandler abzugeben, denn auch wenn er sich oft im Hintergrund hält und nicht für Spektakel und technische Raffinesse steht, so ist das Eigengewächs in dieser Form und mit seiner Vielseitigkeit eine mehr als wichtige Komponente des Eintracht-Kaders und eine absolute Bereicherung. Das trifft auch auf Hector zu, wenn er es schafft, seine Leistung aus dem gestrigen Spiel zu konservieren. Aber den Auftaktsieg – gegen zugegrben schwache Schalker, um auf dem Boden zu bleiben – nur an diesen Beiden festzumachen, wird der gesamten Mannschaftsleistung nicht gerecht. Gestern hat jeder für jeden gekämpft, wie man auf bemerkenswerte Art und Weise bestaunen konnte. Hübner bringt es auf den Punkt: „Es ist ja so – alle, die da sind, müssen alles geben.“ Das gelte auch für die Einwechselspieler, denn jeder müsse alles aus sich herausholen. „Wir sind keine Mannschaft, die 11 Top-Top-Top-Individualisten hat. Wir müssen kompakt auftreten als Team“, so der Sportdirektor weiter. Gestern habe die „gesamte Mannschaft eindrucksvoll gezeigt, dass sie gewillt ist, in der Bundesliga das Bestmögliche zu erreichen.“ Darauf sollte sich nach dem ersten Spieltag der neuen Saison für die Zukunft aufbauen lassen. Wenn die Mannschaft weiter mit dem Einsatz, wie aus dem Schalke-Spiel, zu Werke geht und weiter hart an sich arbeitet, dann könnte das Team sich etwas aufbauen – den 18 verschieden Nationen zum Trotz. Denn so eine Leidenschaft, wie die SGE gestern gegen Schalke an den Tag gelegt hat, müsse „charakteristisch werden“ für das Team, sagte Kovac auf der anschließenden Pressekonferenz und führte weiter aus: „So wächst eine Mannschaft zusammen, trotz der vielen Sprachen.

- Werbung -

10 Kommentare

  1. Chandler hat aber leider auch wieder bewiesen, dass er fussballerisch stark limitiert ist und uns nicht weiterhelfen kann, solange wir nicht führen 😉
    Gerne beim Stand von 1:0 / 2:0 bringen bei nur noch 10 min. auf der Uhr ^^

    0
    0
  2. Trotzdem, ich finde nach allem, was vorher so geschrieben wurde, gerade von den Pessimisten, zu denen ich mich leider auch zählen muss, muss man vor der Mannschaft und den Trainern für die gestrige Leistung, einfach mal den Hut ziehen. Das war teilweise schon bärenstark, gerade bei der Hitze.

    0
    0
  3. Jetzt spielen in der Innenverteidigung also in den nächsten Wochen,nach der roten Karte von Hector ,Vallejo und Abraham. Hector wird bestimmt für 3 Wochen gesperrt.Wer spielt,wenn sich Abraham oder Vallejo verletzen?Sollte hier vielleicht nicht noch mal nachgelegt werden und noch ein neuer Spieler verpflichtet werden?

    0
    0
  4. Hector bekommt keine drei Spiele. Abgesehen davon haben wir rechts aussen eine groessere Baustelle. Mit Chandler, Flum, den Jungen, natuerlich Marco, wenn er zurueck kommt, gibt es Alternativen in der IV.

    0
    0
  5. Was bist Du denn für ein Träumer, noch ein Innenverteidiger, wir haben auch nicht genug selbst wenn Hector 4 Spiele gesperrt wird ich gehe aber höchstens von 1-2 aus .
    Wir haben Knothe Flum Chandler Valejo also aktuell vier Backups aber wir haben keinen Geldscheisser ,
    mal die Birne einschalten nicht nach jeder Roten Karte kauft man einen neuen Spieler das könnten sich nicht mal die Bayern leisten. !!!!!!

    0
    0
  6. Kämpferisch war das wirklich sehr gut von Chandler, keine Frage! Was er allerdings dann mit dem Ball am Fuß gemacht hat, war wieder mal unterirdisch! Flanken ins nichts bzw zu Fährmann, Fehlpässe ohne Ende…also bitte nicht zu viel des Lobes für ihn!

    0
    0
  7. Normalerweise gibt ne Notbremse ein Spiel. Davon gehe ich auch hier aus. Und dann spielen Vallejo und Abraham. Ich sehe das Problem nicht.

    0
    0
  8. Danke alpi!Frage mich auch,warum du mich so anmachst Bembelsche,wenn ich ganz normal eine Frage in den Raum werfe!Ich warte schon auf deinen Kommentar,wenn Knothe, Flum oder Chandler die Innenverteidigung bilden….hoffe es wird nie geschehen!

    0
    0

Keine Kommentare mehr möglich.

- Werbung -