Heribert Bruchhagen steht vor seinen letzten Arbeitswochen bei Eintracht Frankfurt.
Heribert Bruchhagen steht vor seinen letzten Arbeitswochen bei Eintracht Frankfurt.

Für viele ist er „Mr. Eintracht“: Als Heribert Bruchhagen am 1. Dezember 2003 den Job als Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt annahm, stand die Eintracht sowohl sportlich als auch wirtschaftlich schlecht da. Die Mannschaft der SGE stand mit nur drei Siegen aus den ersten 14 Spielen auf dem letzten Platz und auch dem Verein ging es mehr schlecht als recht. „Als ich kam, war der Verein schon intakt, aber die Rahmenbedingungen waren sehr schlecht. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und die Kontinuität vorangestellt, dazu wirtschaftliche Vernunft“, blickt er im „kicker“ auf seine Anfangszeit zurück. Durch einige kluge Entscheidungen und nachhaltiges Wirtschaften gelang dem heute 67-Jährigen aber der Turnaround und er entwickelte die „Diva vom Main“ zu einem soliden, wirtschaftlich gesunden Bundesligaclub. „Es ist bemerkenswert, dass wir in der Funkel-Ära den Turnaround geschafft haben. Damals hatten wir einen Lizenzspieleretat in Höhe von 15 Millionen Euro, mussten jährlich 2,2 Millionen Euro an ISPR zahlen und 2 Millionen Euro an den e.V. Diese 4,2 Millionen haben immer gefehlt, bei einem 15-Millionen-Etat ist das bedeutend. Als ich kam, gab es 30 Angestellte, heute sind es weit über 100. Wir haben uns in allen anderen Bereichen kontinuierlich weiterentwickelt, den Verein sehr sorgfältig geführt und es geschafft, ein klares Bild abzugeben“, sagt er mit einem gewissen Stolz.
Am 30. Juni 2016 endet der Vertrag von Bruchhagen nun. Die Fußstapfen, die er hinterlässt, werden groß sein. Das weiß er selbst: „Der Verein, den ich verlasse, ist sehr solide und sehr gut aufgestellt.“ Er hat eine genaue Vorstellung davon, was sein Nachfolger mitbringen muss: „Er sollte Sozialkompetenz haben und sportliche Kompetenz besitzen, um ein Benchmark für den Sportdirektor darzustellen. Das kann in Harmonie geschehen, aber er darf kein absoluter Laie sein, sonst erzählen einem Trainer und Manager das Blaue vom Himmel. Das darf nicht vorkommen. Neben der Sport- und Sozialkompetenz muss er sich in der Frankfurter Gesellschaft bewegen können.“ Er sei sich sicher, dass die derzeit gehandelten Kandidaten, diese Anforderungen allesamt erfüllen.

Dass er noch einmal solch eine turbulente Saison erlebt, wie die diese, damit hat er nicht gerechnet. „Die sportliche Situation in diesem Jahr hat uns alle überrascht. Nach Platz neun in der vergangenen Saison haben wir die Mannschaft zusammengehalten und die höchste Investition in der Vereinsgeschichte getätigt. Diese Situation haben wir nicht erahnt“, sagt Bruchhagen im „kicker“. Dennoch sei er „absolut optimistisch“, dass die Eintracht die Klasse halte. Das sei jedoch längst nicht zu jedem Zeitpunkt der Spielzeit so gewesen. Nach den Niederlagen gegen Hoffenheim und Leverkusen habe er „innerlich große Skepsis“ gesprürt.

Ein Thema, das Bruchhagen über seine ganze Amtszeit in Frankfurt schwer bewegt hat, ist das Thema „TV-Gelder“. Mehr als einmal stellte er deren Bedeutung in den Vordergrund und betonte dabei die Ungerechtigkeit der Verteilung gegenüber Traditionsvereinen. „Wo man im TV-Ranking der Bundesliga steht, das hat man sich verdient. Als ich kam, lagen wir in dieser Wertung auf Platz 17. Wenn ich jetzt gehe, hoffe ich, dass wir 10., 11. oder 12. sind, wir können sogar 9. werden, wenn alles passt. Das ist ein glaubhafter Indikator“, ist er auch heute noch der Meinung. Obwohl er einen finanziell grundsoliden Verein hinterlässt, weiß er, dass in Frankfurt generell mehr an Unterstützung möglich wäre. Ein großes Problem ist seit Jahren die hohe Stadionmiete. Seitens der Eintracht ist man darum bemüht, diese zu senken. Der Betreiber pocht aber auf die Einhaltung der bestehenden Verträge. Auch beim Thema Sponsoring wird Bruchhagen kritisch: „Ich werde immer mit dem Satz konfrontiert, dass mit diesen Banken-Türmen in Frankfurt mehr möglich sein müsste. Das haben meine Vorgänger versucht, und ich ebenso. Wir erfahren eine große Unterstützung, sonst könnten wir nicht auf gesicherte 90 Millionen Euro Jahresumsatz kommen. In der Gesamtzusammenfassung muss man sich aber selbst helfen, da gibt es kein Entrinnen.“ Die moralische Unterstützung sei „ausgesprochen groß“. „Doch die Unterstützung, die der Verein braucht, ist nicht so, wie sie eigentlich sein müsste. Dieser Verein muss eine verbesserte Position in der Gesellschaft bekommen“, kritisiert der scheidende Vorstandsvorsitzende.

Bruchhagen ist nicht nur dafür bekannt, Kritik zu verteilen, er musste auch in seiner Amtszeit viel davon einstecken. Er war immer derjenige, der die Erwartungen nie zu hoch gehängt hat. Er weiß, dass er durch permanentes realistisches Darstellen der Situation natürlich einen Großteil unzufrieden gemacht, einen Großteil aber auch auf die Realität eingeschworen hat. „Das nehme ich für mich in Anspruch. Letztlich wird die Erwartungshaltung bei der Eintracht aber immer etwas höher sein als die Realität. Ich habe immer darauf Wert gelegt zu sagen, dass Mittelfeld und Mittelmaß nichts Negatives sind, sondern dass das Mittelmaß anzustreben ist. Das hat mir viel Kritik eingebracht“, sagt er rückblickend. Unterm Strich bleibt er den Frankfurtern und einem Großteil der SGE-Anhänger jedoch sicher in positiver Erinnerung. Wäre die sportliche Situation in den letzten Wochen und Monaten nicht so angespannt gewesen, hätte er seine Abschiedssaison wohl mehr genießen können. Doch auch so zeigt er sich dankbar für das Wohlwollen, das ihm zu Teil wird: „Mir wird viel Herzlichkeit und Anerkennung entgegengebracht, ob in der S-Bahn, oder wenn ich über den Main laufe – gerade jetzt in der letzten Zeit.“ Als Fußballfunktionär ist seine Zeit in einem guten Monat vorbei. Das bedeutet aber nicht, dass Bruchhagen dem Fußball, den Sport den er seit Kindertagen liebt, nicht verbunden bleibt. Aber: „Ich werde ganz sicher keine operative Aufgabe bei einem Bundesligisten übernehmen, aber ich habe ein paar Möglichkeiten.“

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8 Kommentare

  1. Solange dieser Verein nicht in jeder Hinsicht professionell, sachkundig und seriös von entsprechend kompetenten Personen geführt wird… wie soll er „in der Gesellschaft“ eine bessere Position und Reputation bekommen?
    Unter Figuren wie Fischer und Steubing wird Eintracht Frankfurt weiterhin ein tendenziell halbseidenes, provinzielles Management pflegen. Und durch den Abschied von Bruchhagen sowie den Zugang von Bobic wird das nicht nur konsolidiert, sondern wohl eher intensiviert.

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  2. Was Bruchhagen in all den Jahren nicht geschafft hat, soll nun Bobic schaffen? – Geben wir ihm die Chance. Dran glauben kann ich aber nicht.

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  3. Was haben wir für eine andere Wahl? Und was für eine Fredi Bobic, als eben diese Chance zu ergreifen?
    Da er vom VfB den täglichen Umgang mit inkompetenten Vorgesetzten zu Genüge kennt, wird er, falls er im Positiven maximal daraus gelernt hat, die hiesigen Gegebenheiten entsprechend zu händeln wissen. Die große Herausforderung dabei: Ist er erfolgreich, stärkt er immer die Position der Vorsitzenden. Wagt er den Zugriff auf und in die Strukturen und bedroht dabei die Position der zugehörigen Problemfiguren, wird er u.U. rausfliegen.
    Ich wünsche ihm dazu den langen Atem, den es braucht.
    Für die neue Saison wird/sollte es eh nur 2 Hauptzielsetzungen geben:
    Klassenerhalt bzw. direkter Wiederaufstieg sowie die gezielte Vorbereitung einer seriösen Vereinspräsidentschaft.

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  4. Ich verstehe das mit dem halbseiden bei Steubing nicht. Wisst ihr über wen ihr da redet? Der Mann ist in der Finanzwelt kein halbseidener, sondern sehr angesehen. Und er ist wirtschaftlich erfolgreich, ohne jemals mit illegalen Handlungen in Verbindung gebracht worden zu sein. Der Vorwurf geht komplett an der realität vorbei.

    Und zum standing der Eintracht: Hier hat Heri und die Leute um ihn herum viel erreicht. Finanziell sind wir sicher und wir sind auch seriös. Ich kann mich an die früheren Vorkommnisse erinnern. Da konnte man in der Hessenschau sehen, wie ein Odrner einen K-O. Schlag eines Redners der nicht gehen wollte einfing. Oder Führungspersonal mit Kontakten zum Rotlichtmillieu da waren.

    Das ist heute nicht mehr der Fall. Man mag sie langweilig finden oder fehl am Platz, aber Hellmann und Steubing stehen genau wie Heri für seriosität. Fischer spielt da keine Rolle, sollte aber Interviews eher meiden.

    Und wnn Bobic kommt ( ich hoffe ja immer noch auf ein WUnder) dann wird uns das nicht umwerfen. Wir sind so gesichert aufgestellt, das uns das zwar bremst , aber nicht tötet-.

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  5. DUmmerweise was ich was ich sage und habe Charakter und Rückrat. Bin also also als Politiker ungeeignet.

    Und heute bin ich nur Eintracht -Fan und vom Sieg überzeugt.

    Auf gehts!

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