Manfred Binz schwang sich einst in Frankfurt zum besten Libero der Bundesliga auf.
Manfred Binz schwang sich einst in Frankfurt zum besten Libero der Bundesliga auf.

Es ist keine neue Tradition, die Jürgen Klinsmann und vor allem Joachim Löw in ihrer Zeit als Nationaltrainer eingeführt haben. Gemeint sind dabei nicht etwa das Trainieren unter modernen wissenschaftlichen Gesichtspunkten oder das Verzichten auf gelernte Stürmer, es geht viel mehr um den konsequenten Verzicht auf Frankfurter Spieler in den Reihen des DFB-Teams.

Noch vor wenigen Jahren stellte sich ganz Fußball-Deutschland die Frage, wann ein Sebastian Jung eine Chance auf der chronisch unterbesetzten Position des Rechtsverteidigers bekommt. Den Zuschlag erhielten dort ungelernte Spieler wie Christian Träsch. Über Jahre konstant spielt auch ein Alexander Meier, der nicht mehr weit von seinem 100. Bundesliga-Tor entfernt ist. Statt ihn zu nominieren, läuft die DFB-Elf inzwischen lieber ohne echte Stürmer auf. Der geneigte Eintracht-Fan bekommt so den Eindruck, dass die SGE auf der Sympathie-Skala des Bundestrainers nicht annährernd so hoch angesiedelt ist wie eine TSG Hoffenheim, der VfL Wolfsburg oder Bayer 04 Leverkusen.

Doch alle Fragen, die sich heutzutage rundum um die Nominierungsstrategie des Bundestrainers stellen, sind nichts im Vergleich zur Situation nach der Europameisterschaft 1992. Damals liefen für die Eintracht mit Manfred Binz und Uwe Bein sowohl der beste Libero als auch der beste Mittelfeldspieler der Bundesliga auf. Und obwohl die SGE seinerzeit zu den Spitzenteams zählte und einen berauschenden Fußball spielte, verzichtete Bundestrainer Berti Vogts bewusst auf die beiden Frankfurter Leistungsträger. Eine Entscheidung, die nicht nur in der Mainmetropole für großes Unverständnis sorgte.

Am 5. Spieltag der Saison 1992/93 kam es im Frankfurter Waldstadion zum Spitzenspiel zwischen Borussia Dortmund und der Eintracht. Die Frankfurter, die vor der Saison Andreas Möller nach Italien ziehen lassen mussten, waren die Wundertüte der Liga, machten aber schon früh in der Serie klar, dass auch ohne Möller mit ihnen zu rechnen ist. Spieler wie Axel Kruse und Stefan Studer sprangen in die Bresche. Ein neuer Teamgeist entstand. „Wir sind die einzige Mannschaft der Bundesliga, die sich durch einen Abgang verstärkt hat“, fand etwa Torhüter Uli Stein.

Im Topspiel gegen Dortmund zeigte die Eintracht ihr gesamtes Potential und gewann ein von beiden Seiten spektakulär geführtes Gipfeltreffen mit 4:1 – und auf der Tribüne hautnah dabei: Bundestrainer Vogts. Beide Teams begannen mit einem offenen Visier. Das 1:0 legte Torjäger Anthony Yeboah auf Vorlage von Uwe Bein vor (22.). Vor allem das aggressive Pressing der Hessen machte dem BVB zu schaffen. Erst nach dem Rückstand befreiten sich die Westfalen mit erfolgreichen Einzelaktionen. Das schnelle 1:1 besorgte Flemming Povlsen (30.).

Unmittelbar nach dem Wiederanpfiff holte der an diesem Tag überragende Kruse einen Foulelfmeter für die Gastgeber heraus. Bein verwandelte sicher – 2:1 (46.). Dass die Frankfurter Führung nun länger Bestand hatte, war hauptsächlich der Verdienst von Torhüter Stein. Für die Entscheidung sorgte der ebenfalls überzeugende Stefan Studer (74.) auf Vorlage von Kruse, der sich auch beim letzten Tor des Tages den Assist sicherte. Erneut war es Yeboah, der einnetzte (85.). Auch Manfred Binz hatte seine Aktie an dem Treffer. Das Fazit des Spiels: Der BVB hielt lange mit, hatte letztlich der Offensivwucht der Hausherren aber nichts entgegenzusetzen. Überragende Akteure auf dem Platz waren Kruse und Bein.

Zu einem Umdenken bei Vogts führte die erneute Bein-Gala allerdings nicht. Er gab dem Weltmeister von 1990 keine Chance mehr und zog stattdessen Lothar Matthäus und Thomas Häßler vor. Für Beins Mannschaftskameraden ein völlig unbegreiflicher Vorgang. „Ich hätte ja so gerne das Gesicht von Berti Vogts auf der Tribüne erlebt. Der muss doch Schweißausbrüche bekommen haben, als er den Uwe Bein zaubern sah“, schoss Kruse nach der Partie scharf in Richtung Nationaltrainer.

Und Manfred Binz? Für den gab es in der DFB-Elf ebenfalls keinen Platz mehr, viel mehr wurde er zum Sündenbock der missglückten EM in Schweden gemacht. Uli Steins Kommentar: „Ich habe noch nie was von Berti Vogts gehalten! Bei der WM 86 war er ja dritter Trainer. Schon damals hat er bei mir mit seinen Anordnungen nur Kopfschütteln hervorgerufen.“

Die Saison der Frankfurter endete auf einem guten dritten Platz, wenngleich wieder einmal mehr möglich gewesen wäre. Uwe Bein und Manfred Binz brachten ihre Leistung auch ohne dafür vom Bundestrainer belohnt zu werden, ähnlich wie es ein Alexander Meier gut 23 Jahre später tut. Ob Joachim Löw am Samstag gegen Dortmund auf der Tribüne sitzen wird, ist übrigens noch nicht bekannt.

Tore: 1:0 Anthony Yeboah (22.), 1:1 Flemming Povlsen (30.), 2:1 Uwe Bein (46./FE), 3:1 Stefan Studer (74.), 4:1 Yeboah (85.).

Eintracht Frankfurt: Stein – Bindewald, Klein, Bein (77. Penksa), Binz, Falkenmayer, Yeboah, Studer, Weber, Kruse, Wolf (69. Roth). Trainer: Stepanovic.

Borussia Dortmund: Klos – Reuter, Kutowski, Chapuisat, Povlsen (68. Sippel), Lusch (68. Rummenigge), Zorc, Poschner, Reinhardt, Schmidt, Zelic. Trainer: Hitzfeld.

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